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01.04.2014
Portraitfoto von Martina Feldmayer vor grauem Hintergrund.

Martina Feldmayer: Regierungserklärung

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir wollen die Landwirtschaft in Hessen erhalten und stärken. Das machen wir, CDU und GRÜNE, natürlich gemeinsam. Ich bedanke mich an dieser Stelle ausdrücklich auch für die Rede von Herrn Wiegel.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Zunächst will ich kurz auf die Reden der Oppositionsfraktionen eingehen, die hier gehalten wurde. Herr Lotz, bei Ihnen weiß ich nicht genau, was die SPD will. Die Hälfte Ihrer Rede bestand wohl aus Zitaten von mir und dem Kollegen Wiegel.

(Zurufe von der SPD)

Da sieht man, dass wir in der Vergangenheit sehr fleißig waren, wenn man so viel zitieren kann. Aber ansonsten habe ich von der SPD überhaupt keine Ideen zu diesem Thema gehört.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Herr Lenders hat gerade gesagt, Staatsministerin Hinz hätte ein Bild von der Landwirtschaft gezeichnet, das romantisch-verklärt sei. – Liebe Kollegen von der FDP, dass eine Landwirtschaft, die sich an Umweltschutz, Klimaschutz und Tierschutz orientiert, für Sie nur ein Bild der Romantik abgeben kann, ist uns schon lange klar.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie haben von einem Kampf der konventionellen Landwirtschaft gegen die ökologische Landwirtschaft um Fördergelder gesprochen. Liebe Kollegen – Herr Heidel hätte es gewusst –: Das sind komplett unterschiedliche Fördertöpfe, um die es hier geht. Daher kann von einem solchen Kampf überhaupt keine Rede sein.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Dann haben Sie von einer Gesinnungslandwirtschaft gesprochen, auf der einen Seite die konventionelle Landwirtschaft, auf der anderen Seite die ökologische Landwirtschaft, die miteinander kämpfen würden. – Damit sind Sie so dermaßen weit von den Verbraucherinnen und Verbrauchern entfernt wie von der Idee einer liberalen FDP.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Zur Gentechnik haben Sie gesagt, sie sei wichtig und werde unbedingt gebraucht, um beispielsweise den Hunger in Südafrika besiegen zu können. – Dieses Märchen, dass Gentechnik Hunger besiegen könne, bekommen wir seit 20 Jahren von den Agrarkonzernen zu hören. Glauben Sie dieses Märchen immer noch? Das ist völliger Nonsens.

((Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU – Zuruf des Abg. Hermann Schaus (DIE LINKE))

Ich möchte noch kurz – wobei ich hier eine Rede von 20 Seiten habe, es könnte also doch etwas länger dauern – darauf eingehen, was wir in Hessen landwirtschaftlich vorhaben. Wir wollen eine Neuausrichtung der Landwirtschaftspolitik – ich glaube, das haben Sie auch bei der Rede der Ministerin deutlich gemerkt –, auch beim Verbraucherinteresse, hin zu mehr Tierschutz und vor allem hin zu mehr Umweltschutz; denn wir wollen den kommenden Generationen unser Land nicht nur schuldenfrei, sondern auch mit einer intakten Umwelt übergeben. Das ist für uns eine Verpflichtung, meine Damen und Herren.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Dazu gehört eine Landwirtschaft und selbstverständlich auch eine Landwirtschaftspolitik, die sich an dieser Nachhaltigkeit orientiert; denn nirgendwo ist Nachhaltigkeit so deutlich erkennbar und sichtbar wie in der Landwirtschaft. Dazu gehört eine Förderpolitik in Hessen, die für alle Betriebe einen Anreiz setzt, noch mehr für Biodiversität und Artenschutz zu tun und zudem Ressourcen, Boden, Wasser und Klima schützt; das ist doch selbstverständlich.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Frau Ministerin Hinz hat vorhin ausführlich dargelegt, wie diese Förderpolitik aussehen soll, die sich dabei an alle Betriebsformen richtet. Damit hat unsere Landwirtschaft in Hessen eine gute Zukunftsperspektive.

Aber es gibt noch viel zu tun, und wir müssen uns auch die Entwicklungen anschauen, die zu Problemen geführt haben. Ohne nostalgisch werden zu wollen – oder romantisch, Herr Kollege Lenders –, müssen wir erkennen, dass Landwirtschaft nicht mehr so wie vor 30 Jahren verfasst ist, als im ländlichem Raum fast jede Familie einen landwirtschaftlichen Nebenerwerb, ein paar Kühe im Stall und Kartoffeln auf dem Acker hatte. Der Strukturwandel schreitet voran, wenn auch nicht so rasch wie noch vor einigen Jahren. So schlossen von 2000 bis 2013 im Durchschnitt 200 landwirtschaftliche Betriebe jährlich für immer in Hessen. Die Tendenz geht also in die Richtung, dass die kleinen landwirtschaftlichen Unternehmen verschwinden und die bestehenden größer werden und intensiver wirtschaften.

Wachsen oder Weichen ist die Frage, aber auch in Teilen der Landwirtschaft zum Motto geworden. Wachsen oder Weichen als einziges Motto in der Landwirtschaft aber ist ein Irrweg; denn er führt zu einer eindimensionalen Ausrichtung der Landwirtschaft und geht häufig mit negativen Begleiterscheinungen der Agrarindustrie einher. Der Nachhaltigkeitsgedanke bleibt dabei auf der Strecke.

Wir wollen nicht zurück in die Zukunft oder in Nostalgie verfallen, wir wollen eine moderne zukunftsgerichtete Landwirtschaft, in der alle Betriebe Zukunftschancen haben, die den Landwirten faire Preise ermöglicht, pfleglich mit den Umweltgütern umgeht, Arbeitsplätze schafft und die Menschen mit gesunden, möglichst regional erzeugten Lebensmitteln versorgt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Ich denke, hinter diesen Forderungen müssen wir uns alle versammeln können, meine Damen und Herren.

Essen müssen alle – das sagte mir eine Bäuerin aus dem Odenwald. Damit wollte sie deutlich machen, dass Landwirtschaft extrem wichtig ist. Jeder muss essen, und deswegen hat sie für uns alle eine große Bedeutung. Dieser Satz ist zwar eine schlichte Tatsache, er macht aber die Tragweite des Themas deutlich. Diese Tatsache, dass wir alle essen müssen und dass die Landwirtschaft die Grundlage für unsere Ernährung ist, stellt deshalb kein Randthema dar. Deshalb bin ich Ministerin Hinz sehr dankbar dafür, dass sie heute das Thema Landwirtschaft in den Fokus gerückt hat.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Wie wollen wir uns ernähren? Diese Frage beschäftigt immer mehr Menschen, die sich für eine andere Landwirtschaft einsetzen. Sie demonstrieren am Rande der Grünen Woche für ein Umdenken in der Landwirtschaftspolitik. Es sind Landwirte selbst, es sind Imker, Saatgutretter, Mitglieder von Kirchen, Eltern, die sich um die Ernährung ihrer Kinder Gedanken machen, und viele mehr.

Wir GRÜNE wissen, dass man sich in Teilen der Landwirtschaft von dieser Bewegung angegriffen fühlt und denkt, der ganze Berufsstand würde dabei an den Pranger gestellt. Ich will an dieser Stelle deutlich machen: Wir werden und wollen hier niemanden an den Pranger stellen. Es muss klar sein, dass wir die Landwirtschaft brauchen und erhalten wollen. Aber es muss auch klar sein, dass einige Entwicklungen überdacht werden müssen.

Dieses Bedürfnis, Entwicklungen zu überdenken, kommt auch aus Kreisen der Landwirtschaft selbst. In dieser Diskussion Verbraucherinnen und Verbraucher und Landwirtinnen und Landwirte wieder zusammenzubringen sehe ich auch als eine Aufgabe der Politik. Wir wollen in Hessen die Rahmenbedingungen für eine Neuausrichtung der Landwirtschaft setzen, und wir sind davon überzeugt, dass das mit den entsprechenden Weichenstellungen geht. Wir wollen das selbstverständlich zusammen mit den Landwirtinnen und Landwirten in Hessen machen. Dazu gehören alle, die großen und die kleinen Betriebe, die konventionellen und die Ökobetriebe. Deshalb finden wir es sinnvoll, dass der Zukunftspakt Landwirtschaft mit allen Akteuren fortentwickelt wird.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Der Rat für Nachhaltigkeit, der die Bundesregierung berät, hat die Empfehlung abgegeben, den Biostandard als Goldstandard im Sinne eines Leitbildes weiterzuentwickeln und zu kommunizieren. Der Rat empfiehlt die Förderung von unternehmerisch getragenen Landwirtschaftsbetrieben, die hohe Qualität erzeugen und die Umwelt erhalten, die die regionale Wertschöpfung stärken, die Kulturlandschaft pflegen und die Landwirtschaft ethisch verantwortbar gestalten, auch im Umgang mit ihren Nutztieren.

Die Regierungsfraktionen von CDU und GRÜNEN wollen daher einen Ökoaktionsplan für Hessen auf den Weg bringen, der die ökologische Landwirtschaft quantitativ steigert, aber auch vielfältig ausrichtet. Das heißt, wir brauchen nicht nur Biomilch in Hessen, die hier sehr häufig hergestellt wird. Wir haben sehr viele Milchviehbetriebe im ökologischen Landbau. Wir haben Schaf- und Ziegenhalter im ökologischen Landbau. Das herrscht im Moment vor. Aber wir brauchen mehr Gemüse, Salat und Getreide aus ökologischer Erzeugung.

Hessen hat bereits einen Anteil von über 10 % landwirtschaftlicher Fläche, die ökologisch bewirtschaftet werden. Aber es können noch mehr Landwirtinnen und Landwirte umsteigen, wenn sie die entsprechenden Verarbeitungs- und Vermarktungsstrukturen in Hessen vorfänden und darin vor allem auch eine wirtschaftliche Perspektive sähen, liebe Kolleginnen und Kollegen – heute sind nur Kollegen da – von der FDP.

Ich nenne hier ein paar Beispiele. Ein Ökobetrieb mit Milchkühen braucht selbstverständlich eine Biomolkerei. Die Upländer Bauernmolkerei kennen die Kolleginnen und Kollegen aus Nordhessen sicherlich sehr gut. Diese Kolleginnen und Kollegen wissen auch ganz genau, dass ohne die Upländer Bauernmolkerei viele Biobetriebe in der Region überhaupt keine Verarbeitungs- und Vermarktungsmöglichkeit hätten. Daran hängen ganz viele Betriebe. Deshalb ist sie so wichtig, und deshalb müssen wir uns darum kümmern, dass solche Strukturen erhalten bleiben und da, wo sie noch nicht sind, aufgebaut werden.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Genauso ist es mit anderen Bereichen. Ein Biogeflügelbetrieb fragt sich: Wo sind die Bioschlachthöfe, wo kriege ich Futter ohne Gentechnik her – was die Grundvoraussetzung ist –, oder wo kriege ich, wenn ich umstellen will, die passende Beratung für meinen Betrieb? – All diese Aspekte sollten in einem Ökoaktionsplan beachtet werden.

Meine Damen und Herren, es wurde schon darauf hingewiesen: Der ökologische Landbau hat sich deutschlandweit kontinuierlich durch eine Ausweitung der Nachfrage weiterentwickelt. Der gestiegenen Nachfrage steht aber eine stagnierende Produktion gegenüber, auch in Hessen. Wir haben einen ständig gewachsenen Absatzmarkt, vor allem in den Ballungsgebieten, im Rhein-Main-Gebiet. Da boomen die Bioläden, die Wochenmärkte, das wissen Sie alle. Dieser Absatzmarkt wird leider überwiegend mit Produkten aus dem Ausland und den benachbarten Bundesländern bedient.

Es macht keinen Sinn, wenn Bioerdbeeren aus Spanien eingeflogen werden und Biokartoffeln aus Ägypten, weil hier in Hessen die Nachfrage nicht bedient werden kann. Insgesamt beträgt der Absatz mit Biolebensmitteln in Deutschland mehr als 7 Milliarden Euro. Das ist eine beachtliche Summe. Ich glaube, dem müssen wir uns auch aus wirtschaftlichen Gründen widmen, lieber Herr Lenders.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Es ist also ein Markt für ökologisch erzeugte Lebensmittel da, und hier in Hessen gibt es einen Markt für Biolebensmittel aus der Region. Deshalb müssen die Rahmenbedingungen im Sinne einer verbraucherorientierten Landwirtschaft gestellt werden. So profitieren Hessens Landwirtinnen und Landwirte noch besser von dieser Nachfrage.

Meine Damen und Herren, mehr Umweltleistung und Verbraucherorientierung, das ist exakt das Ziel des Ökoaktionsplans. Selbstverständlich sollen in dem Ökoaktionsplan alle wichtigen Aspekte erfasst werden. Auch Ausbildung, Wissenstransfer und Forschung im ökologischen Landbau sollen berücksichtigt werden. Das Fachgebiet Ökolandbau soll fest in dem Lehrplan für die landwirtschaftliche Ausbildung verankert werden. Ich finde, das ist ein gutes Signal, auch für die Landwirtschaft in Hessen, dass sie vielfältig ausgerichtet wird und dass alle Aspekte in der Ausbildung beleuchtet werden können.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Hessen wird in der Landwirtschaft mit den bereits bestehenden großen Flächen, die ökologisch betrieben werden – über 10 %; da sind wir ganz vorne im Bundesländervergleich –, und dem Ökoaktionsplan hervorragend aufgestellt sein. Davon bin ich überzeugt.

Ein weiterer wichtiger Punkt ist für uns die Ausrichtung der Landwirtschaft am Tierwohl. Unser Grundgedanke ist, dass sich die Tierhaltung am Tier ausrichten soll und nicht die Tiere an der Art der Haltung. Mit dem Plan der Regierungskoalition, einen runden Tisch Tierwohl einzurichten, gehen wir ganz neue Wege in Hessen. In der Nutztierhaltung wollen wir Möglichkeiten der verbesserten Haltungsbedingungen, Fragen der Tiergesundheit und selbstverständlich des Antibiotikaeinsatzes diskutieren. Denn wir wissen heute, dass in der Nutztierhaltung in Deutschland jährlich ca. 1.700 t Antibiotika eingesetzt werden, davon ein Teil der Medikamente, die in der Humanmedizin benötigt werden. Zu welchen Problemen das führt, da können mir sicherlich die Mediziner unter den Abgeordneten beipflichten. Wir wollen Haltungsbedingungen, die die Tiere gesund erhalten, damit dieser massive Einsatz von Antibiotika überhaupt nicht mehr notwendig ist.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Mit konkreten Handlungsempfehlungen, die am runden Tisch selbstverständlich unter Beteiligung des Berufsstandes der Landwirte und weiterer Akteure wie z. B. der Naturschutzverbände erfolgen – Herr Wiegel hat es gerade gesagt –, sollen mit einer Tierschutzoffensive Maßnahmen arbeitet werden.

Unser Ziel ist dabei, Lösungen zu Fragen tiergerechter Haltungsbedingungen zu erarbeiten und im vorgegebenen Zeithorizont in die Praxis umzusetzen. Meine Damen und Herren, das sind ganz konkrete Vorstellungen, die wir hier haben. Deshalb verstehe ich die Haltung der SPD an dieser Stelle nicht, die sagt, das sei alles sehr unkonkret.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Meine Damen und Herren, das Wort Nutztier besteht aus zwei Teilen. Zum Nutzen für uns Menschen, aber auch als Kreatur, die geachtet werden muss und mit der man verantwortungsvoll umgehen soll, das bedeutet das Wort Nutztier. Dass die Verbraucherinnen und Verbraucher gezielt nach Produkten suchen, die Tierwohl sicherstellen, sieht man beim Eierkauf. „Kein Ei mit der 3“ ist mittlerweile ein Renner geworden, und es wird Zeit, dass auch die Kennzeichnung von Eiern in verarbeiteten Produkten erfolgt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Die öffentliche Empörung über die Preisnachlässe bei Fleisch in den Discountern hat sogar die Boulevardpresse kritisch aufgegriffen.

Das sind zwei Beispiele dafür, dass ein Bewusstseinswandel stattfindet und die immer weiter nach unten drehende Preisspirale gerade bei Fleisch oft kritisch von Verbraucherinnen und Verbrauchern hinterfragt wird. Und das ist gut so. Lieber Herr Lenders, die Leute orientieren sich nicht nur am Preis.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Hartmut Honka (CDU))

An dieser Stelle möchte ich einmal besonders die hessischen Landfrauen hervorheben, denn genau die sind es, die oftmals die Brücke zwischen Erzeugern und Verbrauchern schlagen. Sie gehen in Kindergärten und Schulen oder machen beim Bauernhof im Klassenzimmer mit und klären über Ernährung auf. Sie zeigen, wie man gesund und lecker mit Nahrungsmitteln aus der Region kocht und wo überhaupt unser Essen herkommt – ein Wissen, das vielerorts verlorengegangen ist.

Deshalb erfüllen Bauernhöfe einen Teil des Bildungsauftrags. Gleichzeitig kümmern sie sich häufig um den eigenen Betrieb, organisieren den Hofladen und entwickeln kreative Ideen der Selbstvermarktung. Ohne Frauen geht es nicht – das ist jetzt ein Spruch, den ich mir für diese Rede von Ministerin Hinz auf die Fahnen geschrieben habe. Ohne Frauen geht es nicht, auch nicht in der Landwirtschaft.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Meine Damen und Herren, dafür geht es aber ohne Gentechnik. Mit der Neuausrichtung der Landwirtschaft in Hessen erteilen die Regierungsfraktionen der Gentechnik eine Absage. Staatsministerin Hinz hat kürzlich erklärt, dass Hessen dem Netzwerk gentechnikfreier Regionen beitreten will, wie im Koalitionsvertrag von CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN verabredet. Das ist ein deutliches Signal für die Landwirtinnen und Landwirte in Hessen und für die Verbraucherinnen und Verbraucher in Hessen, die mehrheitlich gentechnisch veränderte Lebensmittel ablehnen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Umso bedauerlicher finde ich, dass sich die Bundesregierung nicht zu einem Nein zum Genmais im EU-Ministerrat durchringen konnte. Herr Lotz, Sie machen sich wirklich einen schlanken Fuß, wenn Sie so tun, als hätte die SPD mal gar nichts mit der Großen Koalition zu tun, die sich bei dieser Abstimmung kraftvoll enthalten hat. Wir müssen jetzt auf Länderebene schauen, wie wir mit einer Ausstiegsklausel den Anbau der Maissorte 1507 zumindest national noch verhindern können.

Nur mit Gentechnik auf dem Acker lasse sich die wachsende Weltbevölkerung ernähren, behaupten gerne die großen Agrarkonzerne und die FDP, wie wir vorhin gesehen haben. Eine aktuelle Studie zeigt aber, dass die Ernte mit Gentechnik keinesfalls größer als in der normalen Landwirtschaft ist. Es werden sogar noch mehr Pestizide eingesetzt.

(Zuruf der Abg. Ursula Hammann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Diese Studie der University of Canterbury in Neuseeland verglich Ernteerträge, Pestizideinsatz und Sorgenvielfalt von gentechnisch verändertem Mais, Raps und Soja mit konventionellen Sorten. Sie kam dabei zu dem Ergebnis, dass die Kombination von herkömmlichem Saatgut und guter Pflege, wie sie in Westeuropa praktiziert wird – also die gute fachliche Praxis, die hier jeder Landwirt kennt –, die Ernteerträge schneller wachsen lässt als die in den USA praktizierten Gentechnikanbaumethoden.

Die industrielle Herangehensweise an Landwirtschaft, die die großen Konzerne verfolgen, führt außerdem nur zu Abhängigkeiten und gefährdet die Sortenvielfalt. Das wollen wir nicht.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Holger Bellino (CDU))

Wir wollen weder Gentechnik noch Einheitsgemüse, sondern Vielfalt auf dem Teller und den Erhalt regionaler Besonderheiten. In diesem Sinne müssen wir auch durch Markenschutz unsere hessischen Produkte stärken. Den Äppelwoi, die ahle Worscht und die grüne Sauce aus Frankfurt-Oberrad schmecken nicht nur gut, sondern gehören zu unserer Kultur und sollten als solche auch von der EU anerkannt werden.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU – Zuruf des Abg. Manfred Pentz (CDU))

Meine Damen und Herren, ich habe jetzt – wie vorhin Ministerin Hinz und Herr Wiegel – für die Regierungskoalition die Weichen aufgezeigt, die gestellt werden müssen, um zu einer nachhaltig ausgerichteten Landwirtschaft zu kommen. Klar ist für uns dabei auch, wir machen die Agrarwende im Dialog. Veränderungen sind nicht leicht und brauchen Zeit. Aber es wäre von der Politik fahrlässig, wenn man Probleme sieht und es Lösungen gibt, diese nicht einzusetzen.

Wir wollen eine Veränderung haben, aber diese zusammen mit den Landwirtinnen und Landwirten sowie den Akteuren aus diesem Bereich machen. Wir wollen das aus Überzeugung und nicht aus Ideologie machen. Wir wollen die Welt nicht mit Dingen beglücken, die in unseren Köpfen entstanden sind, sondern mit den Menschen, die die Erfahrung in der bäuerlichen Landwirtschaft gesammelt haben.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Wir wollen eine Agrarpolitik, die Bauern und Bürger wieder enger zusammenbringt. – Vielen Dank.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU – Zuruf des Abg. Manfred Pentz (CDU))

Vizepräsident Dr. Ulrich Wilken:

Danke, Frau Feldmeyer.

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