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26.06.2014
Portraitfoto von Martina Feldmayer vor grauem Hintergrund.

Martina Feldmayer: Hessen-Forst

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die FDP kümmert sich jetzt um den Naturschutz.

(Zuruf des Abg. René Rock (FDP))

Das war sogar eine dpa-Meldung wert, so ungewohnt ist das. Ich darf aus der dpa-Meldung zitieren:

Die FDP widmet sich eher ungewohnt dem Schutz der Wälder.

Das war die Vorberichterstattung zu dieser Plenarwoche. Es heißt tatsächlich zumindest in Ihrem Antrag:

Der Wald ist außerdem der wichtigste Lebensraum für unsere Tier- und Pflanzenwelt.

Mann, na sieh mal einer an, hier könnte man doch hoffen, dass die FDP nach sieben Monaten des Machtverlustes zu ganz neuen Einsichten gekommen ist, zu neuen Ufern aufbrechen will und jetzt auf einmal ihr Herz für den Naturschutz entdeckt hat. Sie wollen jetzt auf einmal das Ökosystem Wald retten, wow.

(Zuruf des Abg. Florian Rentsch (FDP))

– Herr Rentsch, Naturschutz lag der FDP ja schon immer am Herzen. Schon immer – wahrscheinlich hat es nur keiner gemerkt, und Sie selbst jetzt auch nicht.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir können Ihnen einmal ein paar Tipps geben, was das Thema Naturschutz angeht.

(Zuruf des Abg. Florian Rentsch (FDP))

Da war doch vor Kurzem dieses Waldcamp im Treburer Wald gewesen. Sehr verehrte Damen und Herren von der FDP, ich nehme an, Sie haben da einmal vorbeigeschaut. Ich habe einmal nachgedacht, was da so los war. Man konnte sich im Wald in kreativer Protestform üben, wie man sich z. B. an den Baum kettet

(Zuruf des Abg. Florian Rentsch (FDP))

oder in einem Klettergerüst übernachtet. Ich nehme an, Sie haben daran teilgenommen. Vielleicht hat der wirtschaftspolitische Sprecher der FDP-Fraktion geschaut, wie man eine Plattform in den Baum baut. Das alles können Sie lernen, wenn Sie sich in Zukunft an jeden Baum ketten wollen, meine Damen und Herren von der FDP.

Aber weder die Natur im Allgemeinen noch der Wald oder die Flächenversiegelungen im Besonderen bei Infrastrukturmaßnahmen hat die FDP je interessiert. Das haben wir seit Jahrzehnten im Landtag mitbekommen. Wenn die FDP den Wald bewachen soll, dann ist das so, als wenn man eine Katze bittet, ein Schälchen Whiskas bewachen zu lassen. Nichts anderes ist das.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Timon Gremmels (SPD))

Es hat die FDP – das wissen Sie doch ganz genau – nicht interessiert, als hier für 230 ha Bannwald für den Flughafenausbau gerodet werden mussten. Sehr geehrte Damen und Herren von der FDP, wo waren bitte schön Ihre Tränen gewesen? 230 ha wertvoller Bannwald sind für den Flughafenausbau gerodet worden.

(Zuruf des Abg. Florian Rentsch (FDP))

Sie haben noch geklatscht, als dieser Wald gefällt worden ist.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Und jetzt? – Jetzt, wo es um die Energiewende geht, zu der Sie – zumindest in der letzten Legislaturperiode so getan haben, als würden Sie dazu stehen – angeblich damals gestanden haben, beklagen Sie, dass für eine Windkraftanlage im Wald 6.000 qm Wald gerodet werden sollen. Das sind 0,6 ha.

Ich habe einmal ausgerechnet, wie viel Windkraftanlagen in diese 230 ha Bannwald hineinpassen würden. Wir haben 563 Windkraftanlagen. Und am Langener Waldsee sollen für Kiesabbau, worüber Sie sich auch nicht beklagt, sondern im Gegenteil was Sie begrüßt haben, noch einmal 63 ha Bannwald gerodet werden. Das ist eine Fläche für 100 Windkraftanlagen nach Ihrer Berechnung, meine Damen und Herren von der FDP.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es hat die FDP doch nie, nie, niemals interessiert, wenn für den Straßenbau ein einziger Baum gefällt werden sollte, wenn für den Straßenbau vielleicht Tiere umgesiedelt werden sollten. Das haben wir doch in der letzten Wahlperiode erlebt, wie Sie hier aufgestanden sind und gesagt haben: Wir brauchen mehr Straßenbau in Hessen; wir brauchen mehr Mittel für den Straßenbau.

Wir haben an keiner einzigen Stelle gehört, dass es vielleicht darum geht, auch Natur zu erhalten, wenn vielleicht da ein Baum gefällt wird oder in ein Ökosystem eingegriffen werden soll. Keinen einzigen Ton haben wir dazu von der FDP gehört.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Florian Rentsch (FDP))

Bis vor Kurzem haben Sie doch noch gedacht, dass der seltene Rotmilan ein serbischer Freischärler ist. Sie haben doch überhaupt keine Ahnung gehabt, was das überhaupt ist. Es ist geradezu durchsichtig und lachhaft, wenn Sie sich hier aufspielen, als wären Sie Naturschützer. Kein Mensch glaubt Ihnen das. Sie müssen ja selbst lachen.

(Zuruf des Abg. Florian Rentsch (FDP))

Herr Rentsch, nach sieben Monaten des Machtverlusts des Ministeramts kann ich verstehen, dass es schmerzt. Herr Banzer hat das letzte Mal schon gesagt: Das Ministeramt kommt nicht zurück. – Nach sieben Monaten des Verlusts des Ministeramts wissen Sie vor lauter Verlustschmerz anscheinend nicht mehr, was Sie hier alles beschlossen haben.

Sie selbst haben beschlossen, dass aus der Atomkraft hier in Hessen ausgestiegen werden soll. Sie selbst haben beschlossen, dass man sich zu einem Energiegipfel trifft. Sie selbst haben verkündet und die Ergebnisse des Energiegipfels am 10. November 2011 präsentiert, dass auf 2 Prozent der Landesfläche Vorranggebiete für Windkraftanlagen ausgewiesen werden sollen. Da waren Sie noch dabei, meine Damen und Herren von der FDP.

Sie selbst haben doch dafür gesorgt, dass die Ergebnisse des Energiegipfels, nämlich 2 % als Vorrangfläche für Windkraftanlagen auszuweisen, in ein Umsetzungskonzept geflossen sind. Da waren Sie mit dabei. Sie waren doch Mitinitiator gewesen. Jetzt haben Sie das alles vergessen? – Das kann doch nicht wahr sein.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Timon Gremmels (SPD) und Manfred Pentz (CDU))

Herr Rentsch, Sie selbst haben doch dafür gesorgt, dass die Ergebnisse in ein Umsetzungskonzept, in ein Energiezukunftsgesetz geflossen sind und alles abgesichert wird. Sie selbst haben doch dafür gesorgt, dass diese Änderungen, die sich daraus ergeben, in dem Landesentwicklungsplan 2000 – das ist die Vorrangplanung für Windenergieanlagen – hineingeschrieben werden sollen. Es steht ausdrücklich in der Änderung des Landesentwicklungsplanes, dass für die intensive Nutzung von Windkraftanlagen auch Waldflächen vorgesehen sind.

Das steht in dem Landesentwicklungsplan. Den haben Sie verfasst. Den haben Sie unterschrieben. Das alles haben Sie hier vergessen? Das ist doch unglaublich, was Sie heute hier für ein Schauspiel abliefern.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Timon Gremmels (SPD))

Herr Rentsch, ich darf aus Ihrer Pressemitteilung vom 20. März 2013 zitieren:

Unsere Verordnung ist ein vernünftiger und konstruktiver Kompromiss zwischen den Belangen der Windenergie und denen der betroffenen Bürger und Kommunen.

Ich zitiere weiter:

Sie stellt sicher, dass für die Windenergienutzung die Flächen ermittelt werden, die die höchste Akzeptanz in der Bevölkerung haben, die wirtschaftlich am effizientesten und für Natur und Landschaft am verträglichsten sind.

Haben wir jetzt irgendetwas daran geändert? – Nein. Genau so ist es bei der Energiewende. Genau so werden wir jetzt die Windkraftanlagen nutzen. Genau auf dieser Grundlage machen wir doch weiter. Herr Rentsch, all das haben Sie vergessen. Es ist doch geradezu lachhaft, was Sie heute hier abliefern.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU sowie des Abg. Timon Gremmels (SPD))

Man könnte meinen, die Mitglieder der FDP hätten neue Einsichten gewonnen oder sie würden alle an kollektiver Amnesie aufgrund des Verlustes des Ministeramtes leiden. Wir wissen es nicht. Aber wir glauben es nicht.

Es geht ihnen doch einzig und allein darum, Ängste bei den Menschen zu schüren. Sie wollen Ängste bei den Menschen schüren, um die paar Wähler, die Sie noch haben, bei der Stange zu halten. Ich finde, das kann man Ihnen nicht durchgehen lassen. Ich finde, unsere Aufgabe als verantwortliche Politikerinnen und Politiker in Hessen ist es, die Ängste der Menschen ernst zu nehmen, aber keine Ängste zu schüren.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Es geht doch nicht um die Frage Energiewende oder Naturschutz. Beides gehört doch zusammen: Energiewende und Naturschutz. Das müssen wir gemeinsam schaffen. Dafür müssen wir bei den Bürgerinnen und Bürgern werben. Wir dürfen da keine Ängste schüren.

Wir nehmen die Ängste der Menschen ernst, die sich Sorgen machen, dass die Natur durch den Bau der Windkraftanlagen leiden könnte und dass seltene Vogelarten und Fledermausarten leiden könnten. Aber wir alle wissen doch ganz genau, dass bei allen Planungsvorhaben – das gilt auch für die der Windkraftanlagen – weiterhin das Bundesnaturschutzgesetz gilt. Es ist nicht außer Kraft gesetzt.

Wir alle wissen doch ganz genau, welche Waldflächen vom Bau für Windkraftanlagen ausgenommen sind. Das haben wir hier alles zusammen besprochen. Das haben sie doch vorgeschlagen. Ich sage es Ihnen noch einmal: Nationalparks, Bannwald, Schutzwald, Kernzonen der Biosphärenreservate, die hochwertigen Waldflächen sind von vornherein ausgeschlossen.

Eines ist doch auch klar: Wenn wir für Windkraftanlagen 2 Prozent Vorrangfläche haben, dann haben wir eine Konzentration der Windkraftanlagen da, wo es möglich ist, wo es wirtschaftlich gut ist und wo es effizient ist.

Sie haben es in den Landesentwicklungsplan hineingeschrieben: Es gibt 2 Prozent Vorranggebiet für Windkraftanlagen. Das heißt, dass 98 Prozent Ausschlussflächen sind. 98 Prozent des Landes Hessen sind vor dem Bau der Windkraftanlagen geschützt. Ich finde, das muss man den Bürgerinnen und Bürgern erklären und muss nicht noch die Ängste bei ihnen schüren.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Wir, die Mitglieder der Koalition, stehen zur Energiewende in Hessen. Wir werden sie vorantreiben, aber gleichzeitig die Sorgen der Menschen um die Natur ernst nehmen. Darin besteht der Unterschied zur FDP.

Vizepräsident Wolfgang Greilich:

Frau Kollegin, Ihre Redezeit ist abgelaufen.

Martina Feldmayer:

Das ist aber sehr knapp. Das sind genau zehn Minuten. – Gut.

Vizepräsident Wolfgang Greilich:

Frau Kollegin, ich habe gesagt: „Ihre Redezeit ist abgelaufen.“ Ich habe nicht gesagt, dass Sie nicht mehr das Wort haben. Vielmehr bitte ich Sie, zum Ende Ihrer Rede zu kommen.

Martina Feldmayer:

Herr Präsident, entschuldigen Sie bitte, da habe ich Sie falsch verstanden. Gestatten Sie mir noch ein paar Schlusssätze.

Die FDP hat jahrzehntelang die Nutzung der Atomenergie und der Kohle vorangetrieben. Sie wollen jetzt für den Atommüll nicht verantwortlich sein. Das wissen wir.

Sie wollen aber auch keine Energiewende. Sie wollen keine Windkraftanlagen. Meine Damen und Herren der FDP, der Strom kommt nicht aus der Steckdose.

(Zuruf von der SPD)

Bitte denken Sie einmal darüber nach.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU sowie des Abg. Timon Gremmels (SPD))

Vizepräsident Wolfgang Greilich:

Frau Kollegin Feldmayer, vielen Dank.

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