Inhalt

21.05.2014
Portraitfoto von Martina Feldmayer vor grauem Hintergrund.

Martina Feldmayer: Gentechnikfreie Land- und Forstwirtschaft in Hessen unterstützen

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Mit der Technik klappt es nicht so. Wir kommen jetzt auf das Thema Gentechnik zu sprechen. Auch da klappt es nicht so. Deswegen haben wir einen Antrag zu dem Thema „Hessens Land- und Forstwirtschaft gentechnikfrei halten“ eingebracht.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich denke, mit diesem Antrag und mit dem, was wir vorhaben, tragen wir dem mehrheitlich geäußerten Wunsch der Verbraucherinnen und Verbraucher sowie der Landwirtinnen und Landwirte und auch der Imker in Hessen Rechnung, die sich für Gentechnikfreiheit aussprechen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Hessen wird dem Europäischen Netzwerk gentechnikfreier Regionen beitreten, wie Umweltministerin Hinz kürzlich verkündet hat. Mit dem Beitritt Hessens zu diesem Bündnis setzen wir ein wichtiges politisches Signal gegen Agrogentechnik und für sichere Lebens- und Futtermittel in Hessen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Damit wird sich Hessen in den Reigen der zehn Bundesländer in Deutschland einreihen, die dort bereits Mitglieder sind. Aber nicht nur das, sondern wir werden damit auch eine weitere Gemeinsamkeit mit unseren Partnerregionen Emilia Romagna und Aquitaine haben. Die gehören diesem Netzwerk nämlich bereits an. Ich finde, es ist eine sehr positive Gemeinsamkeit, die wir dann mit unseren Partnerregionen haben werden.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

In Hessen haben sich bereits jetzt 300 Landwirte bereit erklärt, gentechnikfrei zu wirtschaften. Es sind also schon viele Landwirte und Initiativen dem Europäischen Netzwerk gentechnikfreier Regionen beigetreten. Sie haben im wahrsten Sinne des Wortes den Boden dafür bereitet, dass wir für Hessen jetzt politisch erklären: Wir wollen keine Gentechnik auf den Äckern in Hessen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Den Landwirtinnen und Landwirten und den Initiativen in Hessen, die dort die Vorreiterrolle übernommen haben, gilt unser Dank. Das möchte ich an dieser Stelle ausdrücklich sagen. Es ist sehr gut, dass sie vorangeschritten sind und wir jetzt politisch nachziehen.

Wir haben diese Entscheidung zur Gentechnikfreiheit in Hessen in der Koalition getroffen, weil wir an die Zukunft der hessischen Landwirtschaft glauben und weil wir sie unterstützen wollen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Unser Leitbild ist die bäuerliche Landwirtschaft. Wir wollen, dass die Landwirtschaft in den Händen der Bauern selbst liegt, dort bleibt und nicht in die Hände der Agrokonzerne gerät. Aus diesem Grund haben wir heute mit diesem Antrag den ersten Schritt gemacht. Ich glaube, es ist ein sehr guter Tag für die Landwirtschaft in Hessen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Die Agrogentechnik ist eine Sackgasse. Gentechnisch veränderte Pflanzen sind für eine Landwirtschaft gemacht, die in großem Maßstab anbaut, in deren Rahmen wirklich industrielle Produktion betrieben wird und die die natürlichen Grenzen der Schöpfung nicht akzeptiert und auch nicht akzeptieren will. Gnadenlos wird mit Allroundherbiziden alles abgetötet außer der Genpflanze selbst; denn die ist gegen das Gift resistent. All das schädigt die Natur und trägt zum Verlust der Biodiversität bei – eine Entwicklung, die wir nicht hinnehmen wollen und auch nicht hinnehmen werden.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Ich will, um auch das zu erwähnen, kurz auf die Argumente pro Gentechnik eingehen. Die finden Sie im Prinzip alle im Antrag der FDP. Sie können einen Blick hineinwerfen; das ist quasi das, was die Gentechnikbefürworter wollen. Ich möchte nur an einer Stelle kurz darauf eingehen.

Die Gentechniklobby erklärt immer, die Gentechnik trägt zur Bekämpfung des weltweiten Hungers bei. Sie brüstet sich mit diesen Wohltaten. Das finden Sie auch in dem Antrag der FDP-Fraktion. Dort ist man ein bisschen zurückgerudert und drückt es vorsichtiger aus. Es steht dort, „dass gentechnisch veränderte Organismen … dazu beitragen können, dass bei bestehenden Ernährungsproblemen deren Einsatz diese Probleme eventuell bewältigen helfen kann“.

Man könne also mit der Gentechnik die Ernährungsprobleme weltweit lösen. Da beziehen Sie sich wahrscheinlich auf den Golden Rice, der den Vitamin-D-Mangel bekämpfen soll. Das ist eine nicht ausgereifte Technik; sie ist noch nicht in der Anwendung.

(Zuruf der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))

Man brüstet sich damit, dass man etwas gegen den Hunger unternimmt. Das ist eine Alibigeschichte, mit der man die Gentechnik vorantreiben will. Ich glaube, es ist sinnvoller, wenn man sich mit Gemüse und Obst ausgewogen ernähren kann. Dann kann man sehr gut auf den Golden Rice der Gentechnikindustrie verzichten.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Ich will Ihnen noch ein Beispiel dafür nennen, welche Probleme die Gentechnik mit sich bringt. Aus dem Weltagrarbericht: In Argentinien wächst heute auf 20 Millionen Hektar Land Gentechnik-Soja. Dieses Soja wird vor allen Dingen für den Export nach China und nach Europa benötigt. 335 Millionen Liter Pestizide kamen 2011 auf den argentinischen Äckern zum Einsatz. Das ist fast neunmal so viel wie im Jahr 1990. Von wegen man braucht weniger Pestizide bei der Gentechnik – ihr Einsatz ist deutlich gestiegen.

In den Anfangsjahren des Anbaus von Gentechnik-Soja blieb der Pestizideinsatz konstant; aber seit 2002 ist er enorm in die Höhe geschnellt. Am häufigsten wird das Roundup versprüht, das wahrscheinlich auch Ihnen bekannte Mittel der Firma Monsanto. Dieses Mittel setzte man 1996 noch mit 3 l/ha ein, heute sind wir in Argentinien bei 12 l/ha.

Also man sieht, wie enorm dort mit Gift gearbeitet werden muss, weil immer mehr Unkräuter mit den herkömmlichen Mitteln nicht mehr bekämpft werden können und immer mehr Resistenzen entstehen. Also auch da hat die Gentechnik versagt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es ist also so, dass die großen Agrarkonzerne – das sind nur einige – mit der Gentechnik wirklich gut verdienen in Kombination mit den Pestiziden, die dann gleich in Kombination verkauft werden. Ich meine, wir haben ja nichts dagegen, dass die Unternehmen Geld verdienen, aber, ich finde, die Wirtschaft sollte zum Wohle des Menschen und der Umwelt wirtschaften. Nicht im Gegenteil, wie es hier der Fall ist. Hier wird nämlich der gegenteilige Effekt erzielt. Es ist ganz im Gegenteil nicht zum Wohle der Menschen, und es ist nicht zum Wohle der Umwelt. Deswegen lehnen wir das auch ab.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Vor zehn Jahren trat die EU-Kennzeichnungsverordnung für gentechnisch veränderte Lebensmittel in Kraft; 2014 haben wir jetzt quasi ein Jubiläum. Ich erinnere mich an Ministerin Künast, die das, glaube ich, vorangetrieben hat. Seitdem gibt es überhaupt die Möglichkeit, Lebensmittel mit Zutaten aus gentechnisch veränderten Organismen zu identifizieren. Die Verbraucherinnen und Verbraucher haben seit zehn Jahren überhaupt die Transparenz, zu sehen, wo ist GVO – ich kürze das jetzt einmal ab – drin und wo nicht. Wir haben festgestellt, in den Lebensmittelregalen der Supermärkte sind gentechnisch veränderten Lebensmittel verschwunden, weil die Verbraucherinnen und Verbraucher das nicht haben wollen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Wo wir jetzt noch nachziehen müssen, ist eine Kennzeichnung von verarbeiteten Lebensmitteln. Denn auf dem Ei, dem Fleisch und der Milch steht nicht drauf, wenn die Tiere, die dieses Produkt hergestellt haben, mit Genfutter gefüttert worden sind. Ich glaube, es ist dringend geboten, dass auch für diese Lebensmittel eine Kennzeichnung erfolgt. Ich glaube, dann haben wir dieses Problem nämlich auch bald gelöst. Daher appelliere ich auch an die Bundesregierung, an die Große Koalition, in deren Koalitionsvertrag diese Kennzeichnung in Aussicht gestellt ist. Sie möge sich bitte europaweit dafür stark machen, dass wir diese Kennzeichnung auch endlich bekommen, denn es kann nicht sein, dass Gentechnik versteckt über die Futtermittel auf den Tellern der Verbraucherinnen und Verbraucher landet.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Jetzt komme ich wieder auf unser Bundesland zurück. Hessen wird, wie gesagt, dem Europäischen Netzwerk der gentechnikfreien Regionen beitreten. Das bedeutet, dass wir auf den staatseigenen Flächen keine Gentechnik anbauen werden. Das ist eine Selbstverpflichtung. Das bedeutet auch, dass wir die Landwirtinnen und Landwirte dabei unterstützen werden, selbst Futter anzubauen, damit sie von Gensoja aus Übersee unabhängig werden. Damit sie eben dieses genveränderte Futter nicht brauchen. Dazu werden wir in Hessen eine Unterstützung leisten, denn auch an dieser Stelle sage ich: Wir wollen, dass die Landwirtschaft in den Händen der Bauern bleibt und nicht in die Hände der Agro-Chemie wandert.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Was wir aber nicht können – das sage ich an dieser Stelle deutlich, da haben Sie recht, Kolleginnen und Kollegen von der FDP –, ist: Wir können nicht verhindern, dass auf einem privaten Grundstück Gentechnik angebaut wird. Wir können es nur – –

Vizepräsidentin Heike Habermann:

Kollegin Feldmayer, bitte kommen Sie zum Schluss.

Martina Feldmayer:

Ich komme zum Schluss. – Wir können das nur für die staatseigenen Flächen machen. Wir können die Vorreiterrolle übernehmen, und deswegen ist es ganz wichtig, dass in Deutschland und in der Europäischen Union die Rahmenbedingungen so geändert werden, dass auch auf dem Privatgelände endlich keine Gentechnik mehr zum Einsatz kommt. Deshalb an dieser Stelle noch einmal ein klares Nein zu Gentechnik auf Hessens Äckern und Hessens Tellern. – Vielen Dank, meine Damen und Herren.

(Anhaltender Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Vizepräsidentin Heike Habermann:

Vielen Dank.

Kontakt