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08.03.2012
Portraitfoto von Martina Feldmayer vor grauem Hintergrund.

Martina Feldmayer: Antibiotikaeinsatz in der Tierhaltung

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der Einsatz von Antibiotika bei Tieren ist eigentlich nur aus therapeutischen Gründen erlaubt. Wenn Frau Lannert meint, dass das für die Tiergesundheit nötig sei, sagen wir: Wir denken, das ist nur wichtig, wenn die Tiere krank sind.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN – Zurufe von der CDU)

Frau Fuhrmann hat zu Recht auf die Studie des nordrhein-westfälischen Verbraucherschutzministeriums hingewiesen. Dort hat sich ein erschreckendes Bild gezeigt. Bei 96,4 Prozent aller Betriebe wurde festgestellt, dass die Tiere mit Antibiotika behandelt worden sind. Wenn man bedenkt, dass die Tiere im Schnitt nur 30 bis 35 Tage leben, ist klar, dass sie dauerhaft mit bis zu acht verschiedenen Wirkstoffgruppen gefüttert bzw. getränkt wurden. Meine Damen und Herren, was sich dort abzeichnet, ist eine widerwärtige Art der Tierhaltung.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN – Zurufe von der CDU)

Verbraucherschutzministerin Aigner sieht das Ganze ebenfalls als nicht so unbedenklich an wie Sie, Frau Lannert. Auf der Homepage des Verbraucherschutzministeriums findet sich der Hinweis, dass man insbesondere Geflügelfleisch vor dem Verzehr besser durchbraten sollte. Ich denke, die Ministerin weiß, warum sie das sagt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN – Zuruf der Abg. Judith Lannert (CDU))

Ich komme noch einmal auf die Studie aus Nordrhein-Westfalen zurück. Wenn man davon ausgeht, dass fast 100 Prozent aller Tiere ständig mit Antibiotika gefüttert werden, lässt das nur zwei Schlüsse zu. Entweder sind die Tiere dauerhaft krankt, oder sie werden mit zu vielen Antibiotika gedopt. Meine Damen und Herren, beides ist nicht akzeptabel.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN – Zuruf der Abg. Judith Lannert (CDU) – Weitere Zurufe von der CDU)

Frau Lannert, wenn Sie meinen, das Ganze habe mit dem Thema Massentierhaltung nichts zu tun, dann kann ich Ihnen nur sagen: Wenn die Tiere in der Massentierhaltung dicht an dicht gedrängt stehen und auch nur ein einziges Tier krank ist, dann müssen alle anderen Tiere präventiv Antibiotika bekommen. Das ist das Problem. Das gibt es bei den Betrieben, wo die Tiere mehr Platz haben, eben nicht.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Meine Damen und Herren, es ist erschreckend, dass die Landesregierung, wie wir aus der Antwort auf unsere Kleine Anfrage erfahren konnten, keine Erkenntnisse über Menge und Art der in Hessen in der Tierhaltung eingesetzten Antibiotika hat – zugegebenermaßen bei geltender Gesetzeslage. Für den Einsatz von Antibiotika in der Tierhaltung fordern wir eine lückenlose Dokumentation. Das ist genau das, was den Verbraucherinnen und Verbrauchern auch zusteht.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Frau Puttrich, wir fordern Sie auf, sich bei dem Thema für eine größere Transparenz einzusetzen und sich dafür starkzumachen, dass die Verbraucherinnen und Verbraucher genau sehen können und kontrolliert werden kann, wann, wo, wie viel und von wem Antibiotika eingesetzt worden sind. Frau Fuhrmann hat schon darauf hingewiesen, dass der wahllose Einsatz von Antibiotika bei Nutztieren dazu führen kann, dass Menschen an multiresistenten Keimen erkranken.

(Zuruf der Abg. Petra Fuhrmann (SPD))

Wir möchten, dass jede Verschreibung von Antibiotika zentral erfasst und den Kontrollbehörden der Länder sofort zugänglich gemacht wird. Es kann nicht sein, dass die Länder die Einsichtnahme in die Daten erst umständlich beantragen und das im Einzelnen begründen müssen.

Frau Ministerin Puttrich, sorgen Sie dafür, dass dieser überfällige Schritt endlich getan wird.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Aber ich möchte jetzt noch einmal auf das Kernproblem zurückkommen. Darauf ist hier noch nicht genügend eingegangen worden. Ich denke, das Kernproblem ist die Massentierhaltung in der intensiven Landwirtschaft und die Tatsache, dass die Tiere durch nicht artgerechte Haltung sehr oft Antibiotika bekommen müssen; ansonsten würden sie bis zur Schlachtung nicht überleben. Das ist widerwärtig. Ich bin davon überzeugt, dass die Menschen dieses Fleisch in den Supermärkten nicht kaufen würden, wenn sie dieses Bild vor Augen hätten.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN setzen uns deshalb für eine bäuerliche Landwirtschaft mit artgerechter Tierhaltung ein, um dieses Problem an der Wurzel zu packen.

(Zuruf der Abg. Judith Lannert (CDU))

Daher fordern wir die Landesregierung auf, in Hessen die Massentierhaltung insbesondere von Schweinen und Geflügel nicht zu unterstützen, sondern kleinere Betriebe mit bäuerlicher Landwirtschaft – die möchten Sie vielleicht nicht unterstützen, wir schon – zu fördern.

(Zuruf des Abg.  Peter Stephan (CDU))

Eine solche Tierhaltungsform macht den permanenten Einsatz von Antibiotika überflüssig und schützt die Verbraucher vor antibiotikaverseuchtem Fleisch.

Präsident Norbert Kartmann:

Frau Kollegin, Ihre Redezeit ist zu Ende.

Martina Feldmayer:

Ich komme zum Schluss. – Nur bei einer artgerechten Tierhaltung hängt man nicht am Medikamententropf.

20000 Menschen haben am Rande der Grünen Woche deutlich gemacht, dass sie eine andere Landwirtschaft wollen und an einem Systemwechsel interessiert sind. Genau diesen Systemwechsel wollen wir auch, und das unterstützen wir. – Vielen Dank.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

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