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09.07.2009

Martin Häusling zum Lissabonvertrag und Hessens Zukunft in Europa

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich darf zunächst der FDP-Fraktion recht herzlich danken, dass sie mir noch einmal Gelegenheit gibt, hier eine Rede zu halten.

In der Tat hat das Bundesverfassungsgericht mit seinem Karlsruher Urteil entscheidende Weichenstellung für Europa vorgenommen. Lieber Willy van Ooyen, Sie haben es aber nicht so ganz verstanden.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU und der FPD)

Die Klage der seltsamen Koalition aus Peter Gauweiler und Oskar Lafontaine ist nämlich ganz eindeutig abgelehnt worden.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Der Lissabon-Vertrag wird in Zukunft Grundlage der Europäischen Union sein. Das ist gut so, weil er Demokratiedefizite in Europa aufhebt und eine Grundlage für eine Organisation mit 27 Mitgliedstaaten bietet. Ohne ihn würde das nicht funktionieren. Wenn die Karlsruher Richter Herrn Gauweiler und Oskar Lafontaine gefolgt wären, dann wäre die Europäische Union von einem der Kernstaaten in Europa, nämlich Deutschland, heraus implodiert. Das hätte katastrophale Folgen für den europäischen Einigungsprozess gehabt. Deshalb war das ein guter Tag für Europa und ein guter Tag für alle demokratischen Kräfte in diesem Land.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Urteil des Verfassungsgerichts hat wirklich Maßstäbe gesetzt, und zwar dahin gehend, dass die Rollenverteilung zwischen dem Europaparlament, der europäischen Ebene und der Bundesrepublik Deutschland neu bestimmt wird. Es ist ganz klar gesagt worden – auch das haben Sie eben falsch gesagt, Herr Kollege van Ooyen –, dass nach wie vor der Bundestag über alle Auslandseinsätze der Bundeswehr entscheidet. Die Europäische Union kann diese Entscheidung nicht vorwegnehmen. Außerdem ist Europa in keiner Hinsicht ein Projekt der militärischen Aufrüstung.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU und der SPD – Zuruf des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Das haben Sie im ganzen Wahlkampf erzählt. Sie haben dafür nicht unbedingt wahnsinnig viele Stimmen eingesammelt. Das ist schlicht und ergreifend Unsinn. Unsinn ist auch, zu behaupten, dass die nationale Souveränität durch den Verfassungsvertrag gefährdet werde.

Dass die Ebenen klar getrennt werden und dass das Verfassungsgericht den Bundestag zum Nachsitzen in der Sommerpause verdonnert hat, ist eigentlich ein Zeichen dafür – die „Zeit“ hat es mit „Mehr Volk wagen“ überschrieben –, dass sich die Parlamente auf allen Ebenen intensiver mit dem Thema Europa beschäftigen müssen. Die Herausforderung Europa kann man nicht mehr an Regierungschefs delegieren und sagen: „Entscheidet ihr, nachher nicken wir das im Bundestag und in den Landesparlamenten ab“, sondern der Bundestag und die Länderparlamente müssen ihren Teil an Verantwortung über- und wahrnehmen. Europa muss ein Stück gelebte Demokratie auch in den Parlamenten werden. Machen wir uns nichts vor – das sage ich ganz selbstkritisch, auch als Abgeordneter, der im Europaausschuss saß und sitzt –: Das Thema Europa ist nicht immer Kernpunkt der Auseinandersetzungen in den Landtagen und im Bundestag, es ist eher ein Thema, das man so „mitmacht“.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das wird in Zukunft nicht mehr so sein können, denn keine Regierung und kein Parlament kann sich mehr hinstellen, mit dem Finger nach Brüssel zeigen und sagen: Was habt ihr da wieder verbrochen? – Es zeigen nämlich drei Finger auf den Fragenden, wenn man sich vorher nicht intensiv genug mit den Problemen beschäftigt und ganz klar gesagt hat: Wir stehen in der Verantwortung, wir müssen uns mit sämtlichen Regeln in Europa beschäftigen, wir müssen den Rahmen der Möglichkeiten der nationalen Parlamente abstecken.

Der europäische Einigungsprozess ist ohne Alternative. Das hat auch das Verfassungsgericht ganz klar gesagt. Das Grundgesetz war von Anfang an europafreundlich gestaltet und wird auch weiterhin so interpretiert. Das ist eine klare Absage an alle die, die das Urteil jetzt so uminterpretieren wollen, jetzt können alle Länder, die im Kern gegen Europa sind, regelmäßig ihr Veto einlegen. Das, was jetzt aus Bayern, von Teilen der CSU zu hören ist, dass in der EU jetzt nichts mehr passieren könne, ohne dass der Bayerische Landtag oder die CSU-Fraktion das abnickt, darf und wird nicht passieren. Es ist kein Hemmschuh dadurch aufgestellt worden, dass sich die nationalen Parlamente jetzt intensiver mit Europa beschäftigen müssen, sondern es gibt eine Verpflichtung der nationalen Parlamente, das zu tun. Das muss auch so gewertet werden.

Eines muss ich ganz klar sagen: Es geht darum, dass die legislativen Ebenen in Europa, das Europaparlament, der Bundestag und die Länderparlamente, nicht in einen Konkurrenzkampf darum eintreten müssen, wer mehr zu sagen hat, wer die Richtung vorgibt. Nein, Europa geht nur im Konsens, und alle Parlamente müssen die Weichen für Europa gemeinsam stellen. Das ist die Kernaufgabe. Auch dieser Landtag muss und darf die Europapolitik in Zukunft mitgestalten. Das ist eine interessante Aufgabe.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine sehre geehrten Damen und Herren, ich werde demnächst auf einer anderen Ebene, nämlich auf der Ebene der Europäischen Union, tätig sein.

(Axel Wintermeyer (CDU): Sie werden kürzere Redezeiten haben!)

– Ja, eine fünfminütige Rede ist im Europäischen Parlament schon eine lange Rede, die den Fraktionsvorsitzenden vorbehalten ist. Die meisten Reden dauern nur zwei oder drei Minuten. Das heißt aber nicht, dass man im Europäischen Parlament nicht viel sagen kann, denn es findet wesentlich mehr Arbeit in den Ausschüssen statt. Im Europäischen Parlament – das habe ich in der kurzen Zeit schon mitbekommen – herrscht eine offene Debattenkultur, und es gibt mehr Zusammenarbeit, auch über die Parteigrenzen hinweg.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Von einer solchen offenen Atmosphäre, wie sie im Europäischen Parlament herrscht, könnte auch der Hessische Landtag profitieren.

Ich darf mich mit dieser Rede vom Hessischen Landtag verabschieden. Ich darf mich bei allen Kolleginnen und Kollegen, mit denen ich in den letzten Jahren zusammenarbeiten durfte, recht herzlich für diese Zusammenarbeit bedanken. Es waren oftmals harte Debatten, aber ich glaube, wir waren letztendlich immer fair zueinander, und der Inhalt stand im Mittelpunkt der Auseinandersetzung.

Ich werde mich in Brüssel natürlich auch für Hessen einsetzen. Das sage ich ganz klar. Ich bin gesprächsbereit und für alle Seiten ansprechbar. Demnächst werde ich mein Büro in Wiesbaden eröffnen. Auch dort bin ich für alle ansprechbar. Natürlich biete ich auch der Landesregierung eine Zusammenarbeit in vielen Fragen der Europapolitik an. Ich wünsche Ihnen einen guten Verlauf der weiteren Plenarrunde. – Vielen Dank.

(Allgemeiner Beifall)

Vizepräsident Frank Lortz:

Herr Kollege Häusling, Sie hatten heute in der Aktuellen Stunde unbegrenzt Redezeit. So liberal geht es in diesem Haus zu.

(Heiterkeit)

Unser Freund und Abgeordneter Martin Häusling wird am 14. Juli 2009 sein Mandat als Abgeordneter des Hessischen Landtags niederlegen und dann als Abgeordneter des Europaparlaments das Land Hessen in Europa vertreten.

(Zuruf des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Ich möchte Ihnen im Namen des ganzen Hauses für Ihre Arbeit im Hessischen Landtag sehr herzlich danken und Ihnen alles Gute für Ihre Arbeit als Europaabgeordneter wünschen. Ich danke Ihnen für das gute Miteinander. Glückauf für Ihre weitere Zukunft.

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