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14.05.2010

Martin Häusling zu: Zukunft für Hessens Milchbauern sicher - Milchpreisdumping stoppen

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Heinrich Heidel hat viel über faire Preise gesagt. Aber er hat nichts zur politischen Verantwortlichkeit gesagt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der LINKEN)

Das ist sehr wohl ein politisches Problem und nicht ein Problem des Verbrauchers.

Da heute viele Kollegen hier sind, möchte ich es nicht versäumen, unsere Solidarität für die Bäuerinnen zum Ausdruck zu bringen, die jetzt vor dem Bundeskanzleramt in Berlin stehen und nicht empfangen werden. Seit gestern sind einige Bäuerinnen in den Hungerstreik getreten, um ihren Forderungen Nachdruck zu verleihen. Die Bundeskanzlerin empfängt sie nicht. Das ist ein Skandal.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Es ist genauso ein Skandal, dass man auch die Bäuerinnen in Hessen vor der Staatskanzlei im Regen hat stehen lassen und nur den Staatssekretär geschickt hat. Nicht, dass ich die Person des Staatssekretärs nicht würdigen würde. Aber Sie müssen das politische Thema ernst nehmen. Sie machen das nicht. Das fordern wir von Ihnen ein.

Wir haben eine Krise, die in der Landwirtschaft und in der Milchwirtschaft ihresgleichen sucht. Ein Drittel der hessischen Milcherzeugungsbetriebe werden bei den Preisen das kommende Jahr nicht erleben. Frau Lautenschläger, deshalb verlangen wir von Ihnen, dass Sie sich nicht nur demonstrativ mit dem Bauernpräsidenten und der deutschen Milchkönigin draußen hinstellen und ein Schlückchen Milch trinken, sondern handeln Sie endlich politisch in dem Sinne, dass Sie der Doktrin abschwören, die seit einigen Jahren in der deutschen und in der europäischen Landwirtschaft gilt: dass Sie die Landwirtschaft dem Weltmarkt preisgeben, dass Sie die Milchmengenregulierungssysteme auflösen. Damit haben Sie die Situation herbeigeführt, die wir jetzt haben: Übermengen am Markt. – Aldi nutzt das aus. Das ist aber kein Problem von Aldi, das ist ein politisches Problem.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Torsten Warnecke (SPD))

Setzen Sie sich ernsthaft mit den Argumenten des Milchbauernverbandes BDM auseinander und prüfen Sie, ob es nicht politische Möglichkeiten gibt, wenn Sie und der Ministerpräsident sich an die Spitze dieser politischen Forderungen stellen würden.

Ich erinnere mich noch gut daran: Sie haben hier doch vor zwei Jahren ganz energisch für den hessischen Apfelwein gekämpft. Da haben Sie sich so ins Zeug geschmissen. Da hat der Ministerpräsident zwei Tage später bei der Agrarkommissarin angerufen. Da haben Sie einen Krisengipfel einberufen. – Was ist jetzt bei der Milch? Gar nichts machen Sie, überhaupt nichts, sondern nur lamentieren.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Frau Lautenschläger, oder hat der Ministerpräsident schon zum Hörer gegriffen? – Ich glaube nicht.

(Zuruf des Abg. Volker Hoff (CDU))

Ich glaube, Sie sollten sich intensiv dafür einsetzen, dass es auch in Hessen einen Milchkrisengipfel gibt, dass das Thema auf die Tagesordnung kommt und dass Nachfrage und Angebot auf dem Markt ins Gleichgewicht kommen. Wir müssen sehen, dass die Übermengen, die am Markt sind, heruntergenommen werden. Die politische Forderung ist ganz klar.

Die Marktliberalen weisen uns in der Landwirtschaft seit Jahren den Weg in Richtung: „Ihr müsst für den Weltmarkt produzieren“. Wir sehen jetzt das Ergebnis. Diese Weltmarktpreise werden die Bauern in Hessen in den ländlichen Regionen an den Rand der Existenz führen. Wir in Europa, wir in Deutschland brauchen Marktregulierungssysteme, die allen Landwirten, gerade in den benachteiligten Regionen, das Einkommen sichern.

(Ursula Hammann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): So ist es!)

Frau Ministerin, wir unterstützen Sie, wenn Sie sagen: Wir wollen die Mittel für die benachteiligten Regionen erhöhen. Da sind wir völlig bei Ihnen. Wir haben auch beantragt, dafür im Haushalt mehr Mittel einzusetzen. Aber Sie vertagen das Problem ins nächste Jahr. Sie sagen: Wir wollen im nächsten Jahr etwas machen. – Dann kann es für viele Betriebe zu spät sein. Wir brauchen ein Notprogramm für diesen Augenblick.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir sollten uns nicht darauf vertrösten lassen, dass es im nächsten Jahr irgendwelche Lösungen gibt. Das werden viele Betriebe nicht mehr erleben.

Letzte Woche haben wir GRÜNE vor der Großhandelskette Aldi eine Aktion gemacht und haben Verbraucher aufgefordert, keine Billigmilch für 41 Cent zu kaufen. Das kann man unterschiedlich bewerten. Aber ich glaube, das hat schon zu einem Erfolg geführt. Gestern hat eine andere große Kette verkündet: Wir verkaufen Milch nicht zu den billigsten Preisen, sondern wir verkaufen sie zu fairen Preisen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Michael Siebel (SPD))

Es ist doch ein positiver Ansatz, wenn sich eine Handelskette entschließt: „Wir sind nicht die billigsten, sondern wir wollen faire Preise am Markt durchsetzen. Wir können das den Verbrauchern auch vermitteln.“ Nicht die Verbraucher sind das Problem. Die Verbraucher sind für diese Krise auch nicht verantwortlich. Aber die Verbraucher müssen an diesem Punkt ihre Marktmacht ausspielen. Es wäre gut, wenn es Nachfolgebeispiele geben würde und viele sagen würden: Nein, wir kaufen diese Billigmilch nicht.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Wir schneiden uns ins eigene Fleisch, wenn wir diese Billigangebote kaufen. Wir verlieren nicht nur die Bauern, wir verlieren auch einen Teil der Kulturlandschaft. Wir verlieren viele Arbeitsplätze im ländlichen Raum, die nie wiederkommen werden. Deshalb ist an diesem Punkt auch der Verbraucher sehr wohl gefordert.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Die Bauern wissen mittlerweile sehr wohl, dass der Weg, der ihnen seit Jahren in die Politik der großen Betriebe gewiesen wird, des Wachsens oder Weichens, des sich immer mehr am Markt und am Weltmarkt Positionierens, nicht der Weg aus der Krise ist. Wir brauchen Antworten. Wir brauchen politische Verantwortung für die Landwirtschaft in diesem Land, die den Landwirten ganz klar und eindeutig eine Perspektive gibt.

Vizepräsident Frank Lortz:

Herr Kollege Häusling, wir sehen eben erst, dass Sie Milch auf dem Rednerpult haben. Ich würde Sie bitten, sie dort herunterzunehmen. Ich würde auch alle Kollegen im Raum bitten – es ist üblich, dass wir im Plenarsaal keine Demonstrationen machen –, dass sie den Milchbeutel irgendwo hinstellen, nur nicht so, dass man ihn sieht.

(Der Redner sowie einige Abgeordnete nehmen Milchbeutel von ihrem Tisch.)

Das gilt für alle, auch für die Regierungsbank. Wenn wir über die Biersteuer diskutieren, stellen wir hier auch keinen Humpen Bier hin, auch wenn das der eine oder andere Kollege Wintermeyer bedauert. Das ist aber so. Deshalb bitte ich Sie darum, dass wir hier die Ordnung im Hause einhalten.

Herr Kollege Häusling. Hat er es weg? Ich sehe es nicht. – Gut. Mach weiter.

Martin Häusling (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Herr Präsident, ich habe die Milch jetzt nach unten gestellt. Ich wollte nur darauf aufmerksam machen, dass da ausdrücklich draufsteht: „faire Milch“, und dass es für die Verbraucher Möglichkeiten gibt, dementsprechend zu handeln.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Frau Ministerin, ich bin gespannt, ob Sie jetzt Antworten haben, ob Sie sich an die Spitze der Bundesländer setzen und auch von der Bundeskanzlerin und der Bundeslandwirtschaftsministerin endlich eine Lösung aus der Krise fordern. Ich habe Sie bis jetzt in dieser Weise noch nicht vernommen. Sie sagen zwar immer, Sie sind Bauerntochter und kennen die Probleme vom Land. Aber das reicht nicht. Bis jetzt haben Sie an diesem Punkt immer Ihren Staatssekretär reden lassen. Bis jetzt haben Sie andere vorgeschickt, sich der Problematik anzunehmen.

Wir verlangen hier und heute von Ihnen, dass Sie sich des Problems bewusst sind, dass diese Regierung ihr politisches Gewicht nutzt, um im Bundesrat, um über den Bundestag zu erreichen, dass sich die europäische Milchmengenpolitik ändert, dass wir von dem Kurs der Marktliberalisierung wegkommen, dass wir zu neuen Ordnungssystemen auch im europäischen Markt kommen und dass wir den hessischen Landwirten endlich eine Perspektive geben. Das erwarten sie von uns. Sie erwarten nicht nur, dass Sie sich demonstrativ mit Herrn Schneider, dem Bauernverbandspräsidenten, hinstellen und einen Schluck Milch trinken. Das ist nur eine PR-Maßnahme. Tun Sie endlich politisch etwas und unterstützen Sie die Bauern. Kommen Sie vielleicht bei der nächsten Boykott-Aktion mit vor einen Aldi-Markt, dass wir gemeinsam handeln können. Sie müssen sich endlich von den Einflüsterungen des Bauernverbandes lösen. Denken Sie daran: Es gibt viele Bauern, die in eine andere Richtung politisch vertreten werden wollen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsident Frank Lortz:

Kollege Häusling, Ihre Redezeit ist abgelaufen.

Herr Präsident, nur noch einen Satz. – Ich glaube, unsere grünen Agrarpolitiker haben die Ansätze seit Jahren richtig vertreten. Wir wollen Bauernhöfe und keine Agrarfabriken. Wir wollen Milch vom Milchbauern und keinen Analog-Käse aus Pflanzenöl. Wir wollen faire Preise statt Aldi-Dumping. Wir wollen Marktregulierung statt Exportförderung. In diesem Sinne bitte ich Sie, mit uns die Forderung der Milchbauern mitzutragen. – Vielen Dank.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Vizepräsident Frank Lortz:

Herr Kollege Häusling, vielen Dank für die abschließenden sieben Sätze.