Inhalt

24.06.2010
Portraitfoto von Marcus Bocklet vor grauem Hintergrund.

Marcus Bocklet zur Einrichtung einer Arbeitsgruppe beim Hessischen Ministerium für Arbeit, Familie und Gesundheit

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren‘! Die Zielsetzung ist völlig richtig. Aber wir haben im Anschluss an die Debatte, die wir hier vor einigen Wochen geführt haben, ein großes Problem feststellen können: Wir brauchen jetzt eine konzeptionelle und ganzheitliche Aufarbeitung der Problematik sexuelle Gewalt. Zu dieser Aufarbeitung gehört natürlich auch die Frage: Was bedeutet das für die jeweiligen Handlungsfelder? Wir brauchen auch konkrete Handlungsempfehlungen.

Mir ist allerdings bei der Recherche aufgefallen, dass es schon eine Fülle von Gruppen, Organisationen und Institutionen gibt, die daran arbeiten. Ich nenne nur den Landespräventionsrat. Auch im Sozialministerium gibt es bereits eine Gruppe, die sich damit befasst.

(Zuruf der Abg. Nancy Faeser (SPD))

– Ich komme dazu. – Wir haben den Landesjugendhilfeausschuss. Das Kultusministerium hat dankenswerterweise schon sehr umfassend darüber berichtet, was es plant.

Es gibt einen großen Handlungsauftrag an verschiedene Handlungsfelder. Es gibt einige Felder, über die für meine Begriffe noch zu wenig debattiert wird.

Dazu möchte ich erwähnen, dass wir im Zusammenhang mit der Odenwaldschule einen, wie ich finde, unerträglichen Zustand haben: Alle elf Ermittlungsverfahren gegen mutmaßliche Täter mussten eingestellt werden, weil die Taten verjährt sind. Ich halte das aus moralischer und ethischer Sicht für einen unerträglichen Zustand. Wir müssen sagen: Juristisch ist das wohl korrekt; aber aus moralischer und ethischer Sicht ist das ein unerträglicher Zustand.

Wir müssen auch mit den Vertretern des Justizministeriums und den Rechtspolitikern noch einmal darüber diskutieren, wie wir dort weiter verfahren. Es kann nicht sein, dass wir aufgrund der Aussagen von 107 Opfern zwar feststellen, dass die Täter diese Delikte begangen haben, sie aber straffrei davonkommen. Ich finde, das ist ein unerträglicher Zustand.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Was die Innenpolitik betrifft, werden wir über die Frage diskutieren müssen, ob wir die Strafen verschärfen, und was die Justizpolitik betrifft, müssen wir uns fragen, wie wir mit den Verfahren umgehen. Wir werden mit den Vertretern des Ministeriums für Arbeit, Familie und Gesundheit darüber diskutieren müssen, wie wir eine stärkere Verzahnung zwischen Schulen und Jugendämtern schaffen, und wir werden mit den Vertretern des Kultusministeriums darüber reden müssen, wie insbesondere Internate noch schneller und stringenter arbeiten können.

Was die Prävention betrifft, werden wir über die Frage diskutieren: Wie viel ist uns die Prävention wert, und wie viele Mittel werden wir zusätzlich bereitstellen müssen, um Beratungsstellen zu finanzieren? In Frankfurt beispielsweise arbeitet die Beratungsstelle Wildwasser bisher nur ehrenamtlich. Nach diesem Ansturm können sie das in der Form nicht mehr leisten.

All das ist, wie ich finde, eine Aufgabe der Regierung. Ich habe große Sympathien für den Antrag. Wir werden im Ausschuss vielleicht noch einmal ein fachliches Gespräch darüber führen.

Ich bin der Meinung, dass die Landesregierung gut beraten wäre, wenn sie eine koordinierte Stelle einrichten würde, wenn es etwa ein federführendes Ministerium gäbe, das das, was anliegt, sozusagen in alle anderen Ministerien hineinfunkt. Diese Stelle müsste auch kontrollieren, wie weit die Handlungsempfehlungen tatsächlich umgesetzt werden.

Mein Zwischenfazit ist: Bisher ist in allen Fraktionen noch der politische Wille vorhanden, dort deutlich mehr zu machen als bisher. Man will tatsächlich auch ans Kleingedruckte gehen und konkrete Maßnahmen entwickeln. Ich befürchte, dass im Moment tatsächlich viel nebeneinanderher läuft. Einige arbeiten hoch motiviert, einige arbeiten etwas unkoordiniert, und einige haben ihre Arbeit noch nicht begonnen.

Ich empfehle der Landesregierung, dafür zu sorgen, dass das unter der Federführung einer bestimmten Stelle und koordiniert vonstatten geht.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich hätte mir gewünscht, dass wir vielleicht einen Prüfungsauftrag beschließen, dass wir die Landesregierung bitten, das zu tun und uns zu sagen, in welcher Form sie das am klügsten tun kann, damit das sichergestellt ist.

Bei welchem Ministerium soll das sein? – Ob das jetzt in der Staatskanzlei angesiedelt wird oder beim Ministerium für Arbeit, Familie und Gesundheit, ist mir relativ wurscht. Das sage ich Ihnen ganz ehrlich.

Wichtig wäre, dass wir tatsächlich verfolgen und evaluieren können, wie es weitergeht. Wir müssen das Netz immer dichter werden lassen. Es muss immer mehr Prävention geben. Es muss immer weniger möglich werden, dass die Täter davonkommen. Es müssen immer mehr Menschen mit dem Problem aufmerksam umgehen. Das alles würde ich mir wünschen.

Frau Schott, der Antrag wird dem Ausschuss überwiesen werden. Sie haben gehört, dass viele Rednerinnen und Redner Sympathie geäußert haben. Ich würde mich gerne noch einmal darüber unterhalten, was das geeignete Gremium ist. In Bayern wurde eine Kinderkommission.

Es könnte auch sichergestellt werden, dass die Öffentlichkeit noch mehr daran beteiligt wird. Wir würden so diskursive Auseinandersetzungen über den besten Weg bekommen.

Wir sehen Ihren Antrag mit großem Wohlwollen. Die Zielrichtung ist klar. Wir müssen weiterhin nachhaltig daran arbeiten, wir dürfen nicht in die Gefahr laufen, nur Sonntagsreden gehalten zu haben. Es muss uns tatsächlich mit der Politik gelingen, sexuelle Gewalt auf ein Mindestmaß zu reduzieren. – Ich danke Ihnen.

Kontakt