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23.06.2010
Portraitfoto von Marcus Bocklet vor grauem Hintergrund.

Marcus Bocklet zum Kinderlärmgesetz

Meine Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Zunächst möchte ich mich bedanken, dass mit dem Thema Rücktritt des Herrn Ministerpräsidenten Koch, mit dem Thema Rettung des Haushalts und mit der Frage der zukünftigen Energieversorgung ein adäquates Rahmenprogramm für den wirklich wichtigen Tagesordnungspunkt geschaffen wurde. Dafür bedanke ich mich recht herzlich. Es geht um die Frage des Kinderlärms in Hessen. – Es sollte ein Scherz sein. Schauen Sie da drüben nicht so böse.

(Zurufe von der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es geht um den Punkt Kinderlärm. Wir haben bei der Frage, wie wir in Zukunft in Hessen mit dem Kinderlärm umgehen, heute die zweite Lesung aufgerufen. Wir stellen heute unseren überarbeiteten Gesetzentwurf zur Abstimmung. Wir haben bereits im Oktober eine Debatte im Landtag geführt. Danach fand eine Anhörung statt. Diese Anhörung hat kritische Stimmen, auch viel politische Zustimmung gebracht, aber hat auch juristisch kritische Stimmen, die gesagt haben: Darin sind einige handwerkliche Fehler. – Die haben wir überarbeitet. Deswegen haben wir jetzt einen überarbeiteten Gesetzentwurf vorgelegt, der die ungehobelten Dinge herausgenommen hat und die Klarstellung noch einmal betont.

Wir haben damit einen Gesetzentwurf vorgelegt, in dem wir als Hessen konkret regeln könnten, wie künftig verhindert werden kann, dass Anwohner erfolgreich gegen Lärm aus Kindergärten oder Spielplätzen klagen könnten. Wir hätten die Möglichkeit, mit einer landespolitischen Regelung mehr als nur ein Signal setzen zu können. Wir hätten die Möglichkeit, dass ab sofort die Möglichkeit bestünde, dass diese Klagen mit weniger Aussicht zu bescheiden wären als bisher.

CDU und FDP haben im zuständigen Ausschuss ihre Ablehnung angekündigt, weil sie den Bund dafür zuständig sehen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, damit ist Fakt, CDU und FDP und damit die Regierungsfraktionen kneifen bei der Frage, wenn es zum Schwur kommt, ob sie wirklich etwas für spielende Kinder tun wollen oder nicht. Fakt ist, sie hätten es regeln können, verweisen aber zum Bund.

Wir als BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN haben damit heute eine Entscheidung zur Kenntnis zu nehmen, die bedeutet, dass die Bundesregierung erst im Jahr 2011 ein solches Gesetzgebungsverfahren einleiten wird. Damit wird klar, dass frühestens im Jahr 2012 ein solches Bundesgesetz in Kraft treten könnte. So verschenken wir zwei wertvolle Jahre. Das bedauern wir zutiefst.

Warum bedauern wir das? Sie konnten der Presse neue aktuelle Fälle entnehmen, zuletzt bei einem Fall in Kriftel: Dort muss ein Spielgerät für 40.000 € abgebaut werden, obwohl es vom Kinderparlament beschlossen wurde. Das Gerät wurde errichtet, dann haben sich Anwohner beschwert. Das Ende vom Lied ist: Dieses Gerät wird wieder abgebaut.

Einen zweiten Fall haben wir in Darmstadt-Dieburg, bei einem Schulhof, der geöffnet wurde. Dort muss der Schuldezernent eine hohe und teure Lärmschutzwand errichten. Auch das ist in hohem Maße ärgerlich.

Deshalb haben wir diesen Gesetzentwurf für das Land eingebracht. Wir alle wussten, es gibt zwei Rechtsauffassungen zu der Frage, ob dieser Lärm verhaltensbezogen oder anlagebezogen ist. Wir teilen die Auffassung, dass er verhaltensbezogen ist. Nach der Föderalismusreform fiele das in unsere Landeskompetenz. Deswegen sind wir der Meinung, das Land Hessen kann das regeln.

(Beifall der Abg. Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

An diejenigen, die das kritisch sehen, sei gesagt: Das wäre ein Versuch gewesen, Kollege Merz, dass Sie auch als Sozialdemokraten sich hier nicht nur enthalten, sondern dem Gesetzentwurf zustimmen. Denn es wäre einen Versuch wert gewesen, dass wir zu diesem Thema eine geschlossene Meinung haben und diesen Gesetzentwurf wenigstens als eine Brücke beschließen können – bis in zwei Jahren dann auf Bundesebene ein weitergehendes Gesetz beschlossen wird.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Bundesregierung hat gesagt, sie wird eventuell eine Lösung suchen. Aber was wird sie tun?

Wir alle, die wir hier sitzen und uns damit befasst haben, wissen: In den Jahren 2006 und 2009 gab es bereits Aufträge an die Bundesregierung, eine Bundesregelung zu schaffen. Dies erfolgte nicht. Unser Vertrauen in die Bundesregierung ist daher relativ beschränkt. Das kann man durchaus anders sehen, aber bisher ist das nicht gekommen. Fakt ist auch: Es wird noch mindestens zwei Jahre dauern.

Es gibt einen zweiten Punkt, auf den die Kritiker unseres Gesetzentwurfes hingewiesen haben: Es war sogar der Bundesrat, der die Bundesregierung aufgefordert hat, hier etwas zu tun.

Dazu muss ich sagen: Wer den Beschluss des Bundesrats liest, der sieht, das war schon sehr armselig. Dort heißt es nämlich: Der Bundesrat fordert die Bundesregierung auf, zu unterstützen, ob und wie das Bundesrecht verbessert werden könne.

Vom Bundesrat gibt es also keinen klaren Gesetzentwurf, nicht einmal eine klare Aufforderung, im Bundesrecht für Immissionen oder etwa bei den Bebauungsplänen etwas zu ändern. Selbst dazu konnte sich der Bundesrat nicht aufraffen. Nach einer mehrjährigen Debatte ist das schon armselig.

Das zeigt ein weiteres Mal: Warum sollen wir als Hessen warten, wenn wir es selbst lösen könnten? Das ist tatsächlich ein knallhartes Kneifen. Sie sagen immer wieder, Kinderlärm ist Zukunftsmusik. Eigentlich ist das nur eine hohle Sonntagsrede. Wenn es zum Schwur kommt, machen Sie sich vom Acker. Das ist eine hohle Phrase. Wir als GRÜNE bedauern das sehr. Wir fordern Sie auf, Ihre Position zu diesem Punkt noch einmal zu überdenken – nicht zuletzt auch aus diesem Grund. Sie sagen immer wieder, die Bundesregierung will doch die Baunutzungsverordnung ändern. Das bedeutet, dass zukünftige Bebauungspläne für die Städte und Gemeinden

(Zuruf des Abg. Gerhard Merz (SPD))

– doch, Herr Merz, das hat der Jurist nochmals bestätigt. Hier ist nur Hoffnung der Vater des Gedankens, das ist aber nicht Realität, zukünftig regeln können, dass auch Kindergärten in Wohngebieten als zulässig gelten. Das aber hilft beispielsweise den 400 alten Bebauungsplänen in Frankfurt überhaupt nicht. Wer also rückwirkend Bebauungspläne ändern will, der weiß – und dazu muss er wahrlich kein Jurist sein –, dass er auf sehr viel höhere Widerstände stoßen wird. Deshalb ist sogar inhaltlich der Blick nach Berlin hier sehr schwach.

Letztlich: Wer weiß, dass man nur die Baunutzungsverordnung für Kindergärten ändern will, der weiß auch um die inhaltliche Schwäche – dass nämlich die Kindergärten dabei nur ein Problem sein werden.

Wir haben auch Klagen gegen öffentliche Spielplätze, nicht gegen genehmigte Betriebskindergärten, nein, auch gegen Spielplätze und Schulhöfe. All das haben wir inhaltlich klar gefasst. Wir haben gesagt: Kinderlärm muss zukünftig für Kindergärten, Schulhöfe und Spielplätze zulässig sein.

Lassen Sie uns heute den Weg für eine hessische landespolitische Lösung gehen – so, wie das übrigens auch, liebe Kollegen von der SPD, die Sozialdemokratie in Berlin getan hat und wie das, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, auch die Hamburger mit einer landespolitischen Lösung getan haben. Berlin und Hamburg sollten ein Vorbild für uns Hessen sein. Deswegen heißt es heute: nicht kneifen, sondern für spielende Kinder kämpfen. Deswegen heißt es: heute ein Kinderlärmgesetz verabschieden. – Vielen Dank.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsidentin Sarah Sorge:

Vielen Dank, Herr Kollege Bocklet.

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