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28.04.2010
Portraitfoto von Marcus Bocklet vor grauem Hintergrund.

Marcus Bocklet zu Leiharbeit und Lohndumping

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich finde, es ist nicht angebracht, dieses Problem der Zeitarbeit darauf zu reduzieren, ob es die Regierung Schröder/Fischer initiiert hat oder nicht. Die politische Dimension liegt darin, wie ich finde, dass es der Politik generell gut ansteht, wenn sie Gesetze verabschiedet, in der Lage zu sein, nach fünf oder sechs Jahren solche auch selbstkritisch zu evaluieren. Daher finde ich es relativ unangebracht, dazu Zwischenrufe zu machen oder es politisch so zu fahren: Das war doch Ihre Bundesregierung; wie wollen Sie das jetzt eine Rolle rückwärts fahren? – Ich finde das albern. Als Politiker ist es richtig, unabhängig davon, ob man etwas in der Opposition oder in der Regierung beschlossen hat,

(Zuruf der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))

– Sekunde, Frau Kollegin, dazu komme ich gleich –, dass man evaluiert, und wenn man Korrekturbedarf hat und Nachsteuerungseffekte benötigt, auch dazu steht. Ich finde, das tut jeder Regierung gut. Es täte der Hessischen Landesregierung übrigens in vielen Dingen auch gut, wenn sie sagt: Wir haben da etwas beschlossen, und wir merken, dass das in eine Richtung fährt, die wir so nicht beabsichtigt haben, sich der Sache anzunehmen und darüber zu reden. Im Wesentlichen ist das auch so passiert. Ich finde nur die hämischen Nebengeräusche der Sache nicht dienlich.

(Beifall der Abg. Mathias Wagner (Taunus) und Sigrid Erfurth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Ich will nun zur Sache etwas sagen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, Arbeitnehmerüberlassung wurde lange Zeit ausschließlich dazu genutzt, Auftragsspitzen abzufangen und kurzfristige Ausfälle von Beschäftigten zu kompensieren. Wenn Sie darüber ernsthaft nachdenken, dann werden Sie feststellen, dass wir die Leiharbeit, so wie sie sich heute darstellt, nicht mehr ernsthaft in diesem Lichte sehen können. Sie wird längst dazu benutzt, Stammbelegschaften zu ersetzen und Lohnkämpfe zu führen. Insofern ist die Frage, die es zu beantworten gilt, bevor wir in die konkrete Diskussion einsteigen: Gibt es einen Nachsteuerungsbedarf, oder gibt es ihn nicht? – Meine Fraktion sieht das genauso wie die der SPD: Es gibt einen Nachsteuerungsbedarf, weil Zeitarbeit, so wie sie heute organisiert ist, Probleme hat.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Wir sagen: Der Arbeitsmarkt von heute verlangt mehr denn je Risikobereitschaft. Mobilität, Flexibilität, das alles verlangt er von den Beschäftigten.

Wir sagen auch, dass die einseitige Verlagerung des Risikos in der flexibilisierten Arbeitswelt auf die Beschäftigten und prekär Arbeitenden so nicht akzeptabel ist. Wir brauchen deshalb eine ausgewogene Balance von Flexibilität und Sicherheit und zugleich auch mehr Souveränität von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern über ihre Lebensarbeitszeit. Für ihre berechtigten Interessen muss gesorgt werden.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich glaube, das muss man in dieser Stunde einmal sagen, wenn es um den politischen Überbau geht. Wenn wir sagen, dass wir die Risikobereitschaft belohnen müssen, dann wiederhole ich gerne die fünf Forderungen, die meine Fraktion im Bundestag – das ist vornehmlich ein bundespolitisches Thema – eingebracht hat. Die Forderungen beschränken sich auf fünf Punkte:

Wir brauchen erstens eine Gleichbehandlung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, die in der Arbeitnehmerüberlassung tätig werden. Wir brauchen zweitens das gleiche Geld ab dem ersten Tag für diese Zielgruppe. Wir wollen drittens, dass der Mindestlohn selbstverständlich auch für diese Branche eingeführt wird.

Viertens sagen wir nach dem französischen Modell: Wenn es um dieses Risiko geht, das die Menschen in Zeitarbeit haben, soll es einen Risikozuschuss von 10 % geben. Dieses Modell gibt es in Frankreich. Wir finden es richtig, dass der Bruttoarbeitslohn um 10 % sozusagen aufgestockt wird. Diese vierte Forderung macht in diesem Zusammenhang auch Sinn.

Ich setze mich fünftens nachhaltig – das war auch ein politisches Thema hier – für eine Quotierung ein. Für Kundenunternehmen mit mehr als 200 Beschäftigten würde dann eine Grenze von 10 % beim Einsatz von Zeitarbeitnehmerinnen und Zeitarbeitnehmern gelten. Diese Quote finden wir richtig.

Diese fünf Punkte haben wir in den Bundestag als Nachsteuerungsbedarf für das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz eingebracht. Wir finden das so richtig. Ich glaube, man kann es nicht so stehen lassen, wie es bisher ist.

Deshalb sage ich es noch einmal: Zwischen der radikalen Liberalisierung des Arbeitsmarktes, der Radikalisierung der neoliberalen Position von Arbeitnehmerentrechtung auf der einen Seite und der Position von Linkspartei und Kommunisten auf der andere Seite, dass jegliche Flexibilisierung Teufelswerk ist, gibt es eine Stimme der Vernunft, die sagt: Flexibilisierung war richtig, eine Nachsteuerung zugunsten der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ist in dieser Stunde das Gebot. Deswegen finden wir den Weg, den die SPD eingeschlagen hat, richtig. Wir begleiten ihn mit eigenen Forderungen, und wir sollten ihn nach fünf Jahren jetzt so beschreiten. – Vielen Dank.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN)

Vizepräsidentin Sarah Sorge:

Vielen Dank, Herr Kollege Bocklet.

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