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27.09.2012
Portraitfoto von Marcus Bocklet vor grauem Hintergrund.

Marcus Bocklet: „UmFairTeilen“ auch in Hessen dringend geboten

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Sehr geehrte Kollegin Klaff-Isselmann, lassen Sie es mich so formulieren: Ein wenig enttäuscht mich das selektive Lesen des Entwurfs für einen Reichtums- und Armutsbericht der Bundesregierung. Sie haben den LINKEN der SPD – uns haben Sie nicht namentlich erwähnt – Panikmache vorgeworfen und behauptet, dass wir den Bericht zu einem „Vehikel linker Ideologie“ machen. Darauf möchte ich entgegnen, dass Sie den Bericht nicht umfänglich zur Kenntnis genommen haben.

Wir sind der Meinung, dieser Bericht bescheinigt uns, dass wir in Deutschland zwar in einer zufriedenstellenden Situation sind im Vergleich zu deutlich ärmeren Ländern, gerade was die Sozialsysteme betrifft, es aber gleichzeitig alarmierende Zeichen gibt, die darauf hinweisen, dass die Kluft zwischen ärmeren und reicheren Gruppen größer geworden ist. Frau Klaff-Isselmann und die anderen Kolleginnen und Kollegen von der CDU, das müssen Sie zur Kenntnis nehmen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

So zeigt der Bericht auf, dass die Einkommensunterschiede größer werden – der Kollege hat es schon angedeutet; ich will es nur noch einmal kurz sagen –: Die obersten 10 Prozent der Bevölkerung verfügen über 53 Prozent des gesamten Privatvermögens. Das kann man nicht einfach wegdiskutieren. Die untere Hälfte der Haushalte verfügt dagegen nur über gut 1 Prozent des Nettoeinkommens. Aber diese Nettoeinkommen – das wissen wir alle – sind in den letzten zehn Jahren auch noch einmal gesunken. Frau Kollegin, das zwingt uns doch zu einer Auseinandersetzung darüber, wie wir uns als Politiker dazu positionieren.

Ich will es noch einmal sagen: Die Armut, die Armutsbekämpfung und die soziale Gerechtigkeit hängen nicht nur, aber auch mit dem finanziellen Einkommen zusammen. Natürlich hängen sie auch mit der Teilhabe an Bildung, am Erwerbsleben, an gesundheitlicher Versorgung sowie am kulturellen, sozialen und politischen Leben zusammen. In all diesen Bereichen – das stellen Sie fest, je genauer Sie in diesen Armuts- und Reichtumsbericht hineinschauen – kommt dieser Bericht zu eindeutigen Aussagen.

Lassen Sie mich nur eines zitieren:

Unser aktuelles Bildungssystem fördert jedoch weiterhin strukturelle Ungleichheiten, frühschulische Selektion, und ein hierarchisches Bildungsangebot verhindert den sozialen Aufstieg und die Chancengleichheit. Das deutsche Bildungssystem ist nicht in der Lage, benachteiligte Kinder in aktuellen Klassenverbänden zu fördern und familiär bedingte Bildungsungleichheiten auszugleichen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, das ist eine Ohrfeige für die Schulpolitik, auch in Hessen, wenn wir das sagen dürfen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN)

Lassen Sie mich nur noch zwei sachliche Beiträge zu dem Thema machen:

Erstens. Wir haben allein in Hessen über 11.000 alleinerziehende erwerbsfähige Arbeitslose. Es gelingt uns seit zehn Jahren nicht, diese Alleinerziehenden in Lohn und Brot zu bringen. Warum? – Weil wir eine mangelhafte Integrationspolitik für Alleinerziehende haben und die Kinderbetreuung fehlt. Das ist eine Aufgabe der öffentlichen Haushalte.

Zweitens. Wir haben noch immer 29.000 Jugendliche in den Warteschleifen. Auch da muss etwas passieren. Wir haben das „Konzept zur Neugestaltung des Übergangs Schule-Beruf“ vorgelegt. Auch dort müssen die öffentlichen Haushalte dazu beitragen, dass jeder Jugendliche einen Abschluss bekommt.

Bei der Frage des Mindestlohns haben Sie auch in Hessen viel zu lange zugewartet, einzugestehen, dass wir höhere Einkommen brauchen. Auch dort geht es immer um die Frage: Was regelt der Staat, und wie kann er das in vielen Bereichen finanzieren? – Es ist daher auch eine Frage dessen, wie die öffentlichen Haushalte tatsächlich ausgestattet sind, und ob sie auskömmlich finanziert sind. Dazu will ich Ihnen noch einmal sagen: Sie geben in all diesen Bereichen keinerlei Antworten und setzen auf Bundesebene alles daran, dass dort keine Lösungen gefunden werden.

Wir als GRÜNE haben unsere Vorschläge auf den Tisch gelegt. Wir haben zum Thema Einkommensteuer, der Spitzensteuersatz muss verändert werden, einen Vorschlag auf dem Tisch liegen, auch zur Erbschaftsteuer, zur befristeten Vermögensabgabe und zur Finanztransaktionssteuer. All diese Vorschläge werden dazu beitragen, dass die öffentlichen Haushalte in eine bessere Situation kommen und dass sie so ausgestattet sind, dass wir die Zukunftsaufgaben wie Bildung, Integration, Kinderbetreuung und vieles mehr tatsächlich angehen können. Nur so können wir beides verhindern, dass wir auf der einen Seite eine weitere Spaltung haben; auf der anderen können wir gleichzeitig präventiv dafür sorgen, dass die Armut nicht weiter ansteigt. Es ist selektive Ignoranz, immer zu sagen: „Uns geht es doch eigentlich ganz gut, der Rest interessiert mich nicht und ist nur linke Ideologie.“ Das ist verblendet und führt zu keiner Lösung, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN)

Wir unterstützen den Antrag der SPD. Wir haben in Nr. 4, gerade in der Diskussion der verschiedenen Modelle, leichte Abweichungen, aber die Tendenz ist völlig richtig: Wir müssen dazu aufrufen, dass in dieser Gesellschaft gerechter verteilt wird. Auch wir GRÜNE unterstützen auf kommunaler, Landes- und Bundesebene den Aktionstag „Umfairteilen“. Diesen tragen wir mit. Wir glauben, dass es das Gebot der Stunde ist, dass man mit Augenmaß spart, aber auch die Einnahmen des Staates mit Augenmaß erhöht. Deswegen müssen wir diese Steuern erheben. Wir müssen klarer umverteilen. Wir brauchen auch ein öffentliches Bewusstsein dafür, dass das, was Sie als CDU und FDP tun, ein klares Ignorieren der großen Probleme ist, die der Armuts- und Reichtumsbericht beschreibt. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Vizepräsident Frank Lortz:

Vielen Dank, Herr Kollege Bocklet.

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