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12.10.2016
Portraitfoto von Marcus Bocklet vor grauem Hintergrund.

Marcus Bocklet: Sprach- und Wertevermittlung für Kinder und Jugendliche aus Flüchtlingsfamilien

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Kernpunkt des Tagesordnungspunkts, den DIE LINKE eingereicht hat, ist die Frage nach dem Recht auf Beschulung. Frau Kollegin Cárdenas, ich finde, Sie haben das Recht auf eine Antwort. Wir haben in unserem Antrag keine Zehntelsekunde lang gezögert, um hierzu unsere Haltung klarzumachen: Selbstverständlich besteht in den Erstaufnahmeeinrichtungen das Recht darauf, eine Schule zu besuchen. Damit ist diese Frage als Haltung, auch als rechtliche Haltung, klar beantwortet. Das ist mein erster Punkt.

Zweiter Punkt. Wir sehen auch – das steht in Nr. 4 –, dass es natürlich um das Kindeswohl geht. Wenn es um das Kindeswohl geht – ich glaube, viele von uns haben Erstaufnahmeeinrichtungen besucht –, dann muss man auch zur Kenntnis nehmen, dass die Verweildauer zunehmend kürzer ist. Sie ist in einigen Bereichen noch zu lange, also über sechs Monate lang. Aber sie ist zunehmend kürzer; oftmals beträgt sie nur noch wenige Wochen. Die Ankunftsstraßen haben dazu wie in Gießen ihr Übriges beigetragen. Daher ist es natürlich eine pädagogische Frage, ob es für das Kindeswohl klug ist, ein Kind beispielsweise einer Grundschule zuzuführen oder in welcher Form dies stattfindet. Das heißt, es ist völlig richtig, dass ein Abwägungsprozess stattfindet. Wir haben das „psychologische, pädagogische, soziale Abwägungen“ genannt. Diese müssen vorab stattfinden. Das rüttelt aber nicht an dem Recht auf Beschulung. Es hat aber vor allem eines gezeigt: Wir waren auf dem richtigen Weg, als wir mit den Mindeststandards für die Erstaufnahmeeinrichtungen flächendeckend auch Mindeststandards für den Sprachunterricht eingeführt haben. Wir haben in allen Erstaufnahmeeinrichtungen flächendeckend tatsächlich Sprachunterricht, Sprachförderung, Kinderbetreuung und damit eine Sprachförderung mit ersten Worten, mit ersten kulturellen Werten, die man dort vermittelt, und viele Beschäftigungsangebote.

Wenn man sich mit dem Stichwort „traumatisierte Ankunft“ in Erinnerung ruft, wie schlecht es den Leuten, gerade den ersten Ankömmlingen, am Anfang ging und wie sich dies schon nach einigen Wochen dahin entwickelt hat, dass die Flüchtlinge wieder aktiv wurden, dass sie die Sprache erlernen wollten, dass wieder ein Wissensdurst, ein Bedürfnis nach Lernen entstand, stellt man fest, dass wir dann auch in der Lage waren, flächendeckend eine Fülle von Angeboten anzubieten. Das ist genau der Punkt: Es geht darum, in den Einrichtungen passgenaue Angebote zu machen. Daran will niemand rütteln. Ganz im Gegenteil, wir bauen das Schritt für Schritt aus.

Mit dem Recht auf Beschulung geht natürlich parallel das Rechtsgut des Kindeswohls einher – das Recht auf ein geschütztes Ankommen und das Recht darauf, ein adäquates Angebot zu bekommen wie Bildungs- und Betreuungsangebote. Ich finde, wir sind mit einer Fülle von Maßnahmen am Start. Frau Ravensburg hat es zu Recht genannt: Die „Barfußschule“ für Flüchtlingskinder ist ein gutes Modell. Es gibt noch viele weitere. Die Landesregierung und die Regierungsfraktionen von CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN arbeiten mit dem Aktionsplan – die SPD trägt diesen mit –, mit einer Fülle von Ideen, Anregungen, Maßnahmen, Veränderungen und Verbesserungen, täglich daran, dass den Kindern das Bestmögliche geliefert wird. Es besteht kein Zweifel daran, dass die Vermittlung der deutschen Sprache, dass Bildung zum frühestmöglichen Zeitpunkt für alle Flüchtlinge, insbesondere für die Kinder, von entscheidender Bedeutung sind. Darüber kann es keinen Zweifel geben, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall der Abg. Claudia Ravensburg (CDU) und Daniel May (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Deswegen haben wir in unserem Antrag noch einmal unsere Haltung festgestellt: Es gibt ein Recht auf Beschulung. Demgegenüber steht, dass wir mit Fingerspitzengefühl und gleichzeitig mit voller Intention darauf achten, dass allen Kindern das bestmögliche Angebot unterbreitet wird. Ich glaube, wir sind da auf einem guten Weg.

Ich möchte meine Rede deshalb so beschließen, wie es meine Vorrednerinnen und -redner getan haben: Liebe Barbara Cárdenas, ich wünsche dir alles Beste für die Zukunft. Sei dir versichert, dass der Applaus, den es hier gab, unter anderem auch mit der Freude einiger politischer Gegner darüber garniert war, dass du gehst. Wenn jemand ausscheidet, ist es auch ein Kompliment, dass so einige sagen: Endlich haben wir einmal eine kompetente Gegnerin weniger. – Auch das darf man als Kompliment mitnehmen, wenn man aus der Partei DIE LINKE geht. Wir haben uns vorhin noch kurz unterhalten können, und daher weiß ich, dass du auf die Füße fällst. Du hast noch eine Menge vor. Ich wünsche dir für deine Zukunft viel Erfolg und viel Spaß.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der CDU und der LINKEN)

 

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