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09.06.2011
Portraitfoto von Marcus Bocklet vor grauem Hintergrund.

Marcus Bocklet: Sorgerecht nicht miteinander verheirateter Eltern neu regeln

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die wesentlichen Einführungen brauche ich nicht zu wiederholen, im Kern ist es gesagt worden: Bisher konnten Väter in unehelichen Beziehungen, wenn die Mutter das Sorgerecht verweigert hat, dagegen nicht rechtlich vorgehen. In dem Punkt sind wir uns einig, wir wollen, dass Väter künftig in dieser Hinsicht gleichberechtigt sind, und wenn sie es wollen, rechtliche Möglichkeiten der Gleichstellung haben.

Die Zahlen sind recht simpel. Bundesweit kommen jährlich ca. 600.000 Kinder zur Welt, davon sind 200.000 nicht eheliche Kinder. Nur in den allerwenigsten Fällen ist es so, dass die Paare kein gemeinsames Sorgerecht haben. Die Möglichkeit, ein gemeinsames Sorgerecht zu beantragen, wird von der großen Mehrheit so gemacht. Zu regeln bleiben also die Fälle, in denen das gemeinsame Sorgerecht nicht ausgesprochen wird.

In diesem Zusammenhang gibt es – wie Frau Kollegin Hofmann eben richtig dargestellt hat – zwei Modelle, um dem Rechnung zu tragen und zu einer Gleichbehandlung zu kommen. In dem Ziel sind wir uns alle einig: Das Kindeswohl soll im Vordergrund stehen.

Das Widerspruchsrecht geht davon aus, dass der Vater grundsätzlich das Sorgerecht mit hat und es gibt das Antragsrecht, das dem Vater die Möglichkeit gibt, bei der Vaterschaftsanerkennung gleich einen Antrag auf Sorgerecht zu stellen. Das ist das Modell, das auch meine Kolleginnen und Kollegen der GRÜNEN im Bund bevorzugen.

Wir bevorzugen dieses Modell deshalb, weil nicht miteinander verheiratete Paare nicht zu vergleichen sind mit verheirateten Paaren. Bei einer nicht unerheblichen Anzahl von nicht ehelichen Beziehungen befinden sich die Väter nicht mehr in der gemeinsamen Lebensgemeinschaft, oder befinden sich nicht mehr am gemeinsamen Ort, oder wollen nicht die gemeinsame Sorge für das Kind tragen.

Es gab eine Untersuchung des Bundesjustizministeriums zu dieser Frage, die zu dem Ergebnis kam: Bei dieser kleinen Zielgruppe ist es ganz oft so, dass sich die Väter, salopp gesagt, vom Acker machen. Die Bundesjustizministerin sagt zu Recht, diesen Vätern werde das gemeinsame Sorgerecht aufgedrängt. Das ist ein Problem für die in der Regel weit über 80 % alleinerziehenden Mütter, dass ein gemeinsames Sorgerecht vorliegt, und Entscheidungen getroffen werden müssen, die der Vater fernab mitbestimmen darf.

Das macht für uns das Antragsmodell zu dem bevorzugten Modell. Ein Vater, der von sich aus sagt, er möchte die gemeinsame Sorge mit übernehmen, soll von sich aus die Initiative ergreifen, niedrigschwellig, unbürokratisch und einfach. Bei der Vaterschaftsanerkennung ist er sowieso schon beim Jugendamt und kann dann das gemeinsame Sorgerecht beantragen. Diesem Sorgerecht ist dann stattzugeben – jetzt kommen wir zu dem Punkt –, wenn die Mutter nicht innerhalb von acht Wochen widerspricht. In allen Konfliktfällen ist der Vater durch beide Modelle nicht mehr der Gekniffene. Er hat die Möglichkeit, vor das Familiengericht zu ziehen. Diese Möglichkeit hat die Mutter auch, wenn sie dem widerspricht. Damit sind alle Interessen gefangen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es klingt zunächst urdemokratisch – Frau Hofmann, Sie haben das alles schon sehr differenziert und klug dargestellt –, dass man von Anfang an den nicht verheirateten Paaren das gemeinsame Sorgerecht einräumt. Die Personen, die das zum ersten Mal hören, sagen, das sei doch die perfekte Lösung. Es korrespondiert aber leider nicht mit den Lebensrealitäten und vielerlei Problemen nicht verheirateter Paare, bei denen der Vater nicht zugegen ist. Warum sollte man dem Vater das Entscheidungsrecht über die Zukunft seiner Kinder hinterherwerfen, wenn er vorher nicht signalisiert, dass er auch Verantwortung übernehmen will? Das ist der entscheidende Unterschied.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Nachdem 2009 der Europäische Gerichtshof darüber befand, hat im Oktober 2010 das Bundesverfassungsgericht diese Regelung für illegal ausgesetzt. Im Januar 2011 hat das Bundesjustizministerium eine Lösung vorgeschlagen – Frau Leutheusser-Schnarrenberger ist in der FDP –, nämlich das leicht modifizierte Antragsmodell. Das bedeutet, die FDP in Hessen widerspricht der FDP im Bund, das ist eine durchaus interessante Nummer.

(Zuruf des Abg. Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

– Das ist nichts Neues sagt Tarek Al-Wazir.

(Zuruf des Abg. Stefan Müller (Heidenrod) (FDP))

– Wenn Sie wollen, dann lese ich es Ihnen auch vor, ich habe nämlich einen Brief von ihr. Dieser Brief ist vom 23. Mai dieses Jahres an meine Kollegin Katja Dörner gesendet worden.

Die Diskussion im politischen Raum bewegt sich seit geraumer Zeit zwischen Widerspruchslösung und Antragslösung. Vor einiger Zeit hat das Justizministerium einen Vorschlag unterbreitet, bei dem bei der Geburt zunächst das alleinige Sorgerecht bei der Mutter liegt, danach ist ein Antrag vorzusehen. … Bisher konnte aber noch keine Einigung über das Regelungsmodell mit dem Koalitionspartner erzielt werden.

Die Bundes-FDP ist bei der Frage des Antragsrechts sehr eindeutig sortiert. Spannender finde ich die Frage, warum mittlerweile die CDU in Hessen auf das Widerspruchsrecht umswitcht. Im Bund favorisiert sie auch die Antragslösung. Insofern entsteht eine witzige Gemengelage. CDU und FDP in Hessen wollen etwas ganz anderes als ihre Kollegen auf Bundesebene. Das ist eine interessante Gemengelage. Ein Hühnerhaufen ist dabei im Vergleich noch ein geordneter Kampfverband.

Ich würde in einer solchen Situation vorschlagen, dass Sie sich in dieser Frage erst einmal sortieren. Die Bundesregierung soll einen Gesetzentwurf vorlegen, mit dem wir uns als Land befassen und dann sagen, ob wir ihn klug finden oder nicht. Wir folgen den A-Ländern. Wir haben ein leicht modifiziertes Modell. Wir finden die Antragslösung die richtige. Deswegen lehnen wir Ihren Antrag ab. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Vizepräsident Heinrich Heidel:

Schönen Dank, Herr Kollege Bocklet.

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