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06.02.2014

Marcus Bocklet: Qualität der Kinderbetreuung weiter ausbauen – Kinderförderungsgesetz weiterentwickeln

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Im Kern geht es heute um die Frage: Wie geht es mit der Kinderbetreuung in Hessen weiter? Ich unterstelle der LINKEN einmal, dass es ihr heute darum geht, den GRÜNEN das Verrat-Etikett anzustecken. Ich glaube, in den zehn Minuten Redezeit lässt sich das gut aufarbeiten.

Zum ersten Teil, zum fachlichen, sage ich: Die Kinderbetreuung in Hessen wird weiterentwickelt und weiter verbessert. Meine sehr verehrten Damen und Herren, das ist eine gute Botschaft für alle Eltern in diesem Land.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Das Kinderförderungsgesetz von heute ist nicht das KiföG, wie es damals, 2013, als Gesetzentwurf in den Landtag eingebracht wurde.

(Zuruf des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))

– Herr Kollege Willi van Ooyen, bei der dritten Lesung sah der Gesetzentwurf nicht mehr so aus wie bei der ersten.

(René Rock (FDP): Das ist bei Gesetzen nicht selten! – Zuruf der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))

– Darf ich wenigstens den Versuch unternehmen, die Sache zu erklären? Bei der dritten Lesung sah der Gesetzentwurf anders aus als bei der ersten.

(Zuruf des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Heute kann ich Ihnen sagen: Das KiföG am Ende dieses Jahres wird nicht das KiföG von heute sein.

Ich wieder hole es gerne nochmals: So wie das KiföG heute aussieht, wird es am Ende dieses Jahres auch nicht mehr aussehen. Insofern ist der Vorwurf, wir würden alles so akzeptieren, wie Sie es gerne glauben machen wollen, schlicht falsch. Auch das KiföG wird – wie insgesamt die Kinderbetreuung – weiterentwickelt, und auch das ist gut so.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Aus Sicht der GRÜNEN war es in der Tat so, dass es in der ersten Lesung bis zu sechs Punkte gab, die wir an diesem Gesetzentwurf kritisiert haben. Deswegen haben wir aufgefordert, es zurückzuziehen.

Frau Schott, bevor Sie sich hier weiter hochfahren – und auch die anderen Redner: Ich habe die Flugblätter noch dabei, übrigens auch meine zwölf Presseerklärungen und drei Reden aus dem Plenum. Nur, damit wir nicht zu einer Geschichtsklitterung kommen. In der Tat haben wir dazu gestanden – und dazu stehen wir auch heute noch –, dass wir den Gesetzentwurf in erster Lesung zurückgezogen sehen wollten. Auch nach der dritten Lesung haben wir gesagt, dass im KiföG, wie es damals war, entscheidende Bedingungen gefehlt haben und es deshalb falsch war.

Deswegen haben Sie mich zwar richtig zitiert, aber nicht bis zum Ende, denn die Frage lautet: Warum wollten wir damals nach der dritten Lesung nicht zustimmen?

(Dr. Ulrich Wilken (DIE LINKE): Was wahr ist, muss auch wahr bleiben!)

– Korrekt, und das „bleibt“ bezieht sich auf was, Herr Kollege Dr. Wilken? Es bezieht sich darauf, dass die Inklusion – und jetzt kommt es: Es ist eine intellektuelle Leistung, zu erkennen, dass man auch in der Opposition unterschiedliche Konzepte hatte. Wir hatten drei Punkte kritisiert: erstens die Inklusion, die nicht geregelt wurde, zweitens die Grundschuldkinderbetreuung, und drittens wollten wir bei der Frage nachsteuern, wenn es aufgrund der neuen Finanzierung Probleme im ländlichen Raum geben wird.

(Zuruf der Abg. Nancy Faeser (SPD))

Wir haben gesagt: Alle drei Punkte fehlen, und deshalb wollen wir den Gesetzentwurf so nicht in Kraft treten lassen. Alle drei Aspekte werden heute verändert. Jetzt frage ich Sie: Wo ist der Verrat? – Genau so ist es richtig.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Frau Schott, wer wollte Spitze der Bewegung sein? Das waren Sie. Praktisch jede Forderung von draußen haben Sie 1 : 1 übernommen. Ich nenne nochmals die Stichpunkte: Gruppengröße für Ältere – was auch die SPD nach wie vor fordert –, die Frage ob pro Kopf finanziert wird oder ob Gruppen pauschal finanziert werden. Dazu habe ich in meiner Rede, das können Sie nachlesen, gesagt, dass wir in Frankfurt vor rund 20 Jahren von einer Gruppenpauschale auf eine Kopfpauschale umgestellt haben. Liebe Kollegen von der SPD, jetzt halten Sie sich gut fest: Das haben wir in Frankfurt mit der SPD beschlossen. Und wir fahren gut damit.

(Zurufe von der SPD)

Deshalb verstehe ich nicht, dass man nicht zur Kenntnis nimmt, dass man in der Opposition unterschiedliche Konzepte davon hat, was notwendig ist. Wir GRÜNE hatten eine klare Schwerpunktsetzung, die sagte: Das Kinderförderungsgesetz ist so falsch, weil es die Inklusion und die Schulkinderfrage nicht ausreichend bearbeitet hat und auch nicht die Frage, was mit kleinen Gruppen auf dem Land passiert. Das war der Grund unserer Ablehnung, nichts anderes. Dazu stehen wir heute auch. Die neue Landesregierung insgesamt steht dafür, dass wir genau diese Problemfelder aufgreifen. Deswegen gehen wir als neue Landesregierung genau den richtigen Weg.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Ich kann Ihnen sagen: Das, was Sie mit ein bisschen Hohn und Spott begleitet haben, ist genau das, was Sie als LINKE beispielsweise selbst mit uns GRÜNEN gefordert haben: einen Kinderbetreuungsgipfel. Warum hat man den damals gefordert? Warum wollen wir ihn jetzt durchführen? Nach unserer Ansicht war es so, dass es in diesem Land verhärtete Gräben gab und man mehr übereinander statt miteinander gesprochen hat. Wenn Sie damals mit den Wohlfahrtsverbänden gesprochen haben, dann wussten Sie, warum. Es gab eine – ich will es einmal so sagen – eindeutige Eiszeit. Man hat es nicht mehr geschafft, gemeinsam einen Dialog zu führen.

Ich sage, ich nehme es mit großem Wohlwollen auf, dass jetzt eine Veränderung dieser Mentalität eingetreten ist und man sagt: Ja, wir setzen uns wieder an einen Tisch.

Übrigens schauen wir nicht nur auf das KiföG. Wir schauen insgesamt darauf, wie die Kinderbetreuung in Hessen aufgestellt ist. Und vergessen wir nicht die Frage: Haben wir tatsächlich genug U-3-Kinderplätze? Haben wir genug Fachkräfte, Erzieherinnen und Erzieher? Funktioniert die Grundschulkinderbetreuung? Ist die Qualität in den Kindereinrichtungen tatsächlich gewährleistet?

Das alles wird auf einem Kinderbetreuungsgipfel zum Thema werden, mit allen Akteuren in diesem Land. Ich sage: Ich bin stolz darauf, dass die neue Landesregierung diesen Weg gehen wird.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Noch etwas: Ja, der Protest, den wir GRÜNE mit unterstützt haben, war in großen Teilen berechtigt; aber in großen Teilen waren das aber auch Befürchtungen. Jetzt frage ich Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Opposition: Wenn diese Befürchtungen auf den Prüfstand kommen, durchleuchtet werden, wenn jetzt ein Qualitätsmonitoring durchgeführt wird und wir von den einzelnen Einrichtungen genau auf Punkt und Komma erfahren werden, wo der Schuh drückt, wo unter Umständen bei einer kleinen Einrichtung Existenznot besteht, wo unter Umständen Qualitätsstandards aufgrund der Finanzierung abgesenkt werden mussten und wir das jetzt, ab sofort, mit einem Qualitätsmonitoring durchführen, wenn wir bereit sind, nachzusteuern – dann nehmen wir doch die Befürchtungen ernst und bearbeiten sie vonseiten der Landesregierung ganz gezielt qualitativ und mit großem Augenmaß. Ich frage Sie: Was spricht dagegen? Wovor haben Sie eigentlich Angst?

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Ich weiß, als Sozialarbeiter war ich bei einem großen Träger der Kinder- und Jugendarbeit tätig: Es gibt vieles, das man in der Kinderbetreuung noch weiter verbessern muss. Aber wir haben die Finanzpolitik im Genick und brauchen einen ausgeglichenen Haushalt. Ich gebe offen zu, für mich als Sozialpolitiker wäre noch mehr wünschenswert gewesen. Ich kann mir da vieles vorstellen, angefangen beim Betreuungsschlüssel. Aber ich will auch nicht verschweigen, dass wir schon jetzt festgelegt haben, die Sprachförderung zu verbessern. Das sagen wir schon heute, vor dem Gipfel. Wir werden über eine verbindliche Tandem-Vereinbarung auch dafür sorgen, dass die Übergänge von Kindergärten zu Grundschulen noch besser werden.

(Zuruf des Abg. Manfred Pentz (CDU))

Das sind schon erste Schritte. Ich sage Ihnen, wir halten noch mehr für wünschenswert.

Das hat aber auch etwas mit Prioritätensetzung zu tun. Es wäre unglaublich gewesen, wenn diese Einrichtungen behinderte Kinder tatsächlich nicht mehr aufgenommen hätten, und es wäre unklug gewesen, wenn in diesem Land wenig in der Grundschulkinderbetreuung passiert wäre. Das kostet uns round about 100 Millionen €. Es ist eine finanzpolitisch kluge Entscheidung, die Schwerpunkte dort zu setzen. Darauf bin ich stolz.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Ich komme zu dem Thema „Was ist wünschenswert?“. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, ich habe mir natürlich angeschaut, was Sie sich am 2. September 2013, kurz vor der Wahl, in Ihrem neunseitigen Papier gewünscht haben. Ich wiederhole, was ich schon vor der Wahl gesagt habe: Wir teilen Ihre Auffassungen nicht an jedem einzelnen Punkt. Beispiel: die Gruppenpauschale. Sie haben im März eine Tournee durch Hessen gemacht. Da möchte ich noch einmal auf den Punkt „Verhalten vor und nach der Wahl“ verweisen. Liebe Kollegen von der SPD, in dem neunseitigen Papier steht, was Sie sich wünschen und was Sie umsetzen wollen. Auf Seite 7 heißt es: „Wir werden die Förderung für die Kinderbetreuung erhöhen.“ Applaus. „In welchem Umfang dies erfolgen kann, können wir natürlich erst nach einem Kassensturz sagen.“

(Zuruf des Abg. Gernot Grumbach (SPD))

– So kann auch ich alles vom Himmel herunter versprechen. Sie waren ja nie in der Situation, sagen zu müssen, was Sie als Erstes, Zweites und Drittes tun werden. Sie versprechen allen alles – nach dem Motto „Wir sammeln alle ein“. Aber was Sie nach der Wahl tun, ist eine andere Frage. Wir GRÜNEN haben vor der Wahl gesagt, was wir nach der Wahl tun wollen. Das ist der Unterschied.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU – Zurufe von der SPD)

Weil wir das gesagt haben, haben wir wahrscheinlich nicht alle Stimmen aus dem linken Lager bekommen. Wir haben bestimmte Schwerpunkte gesetzt: auf Inklusion, auf Schulkinderbetreuung, in Teilen auf eine Weiterentwicklung innerhalb der Kindergärten mittels Sprachförderung, Tandems und mit vielem anderen mehr. Wir haben uns also schon vor der Wahl Gedanken gemacht, was finanzierbar ist.

(Zurufe von der SPD)

Wir haben vor der Wahl etwas versprochen, und nach der Wahl halten wir es – gemeinsam mit unserem neuen Koalitionspartner. Mehr Kinderbetreuung und bessere Kinderbetreuung: Das wird auch in Zukunft unser Ziel als GRÜNE sein. Dafür treten wir ein.

Ich sage noch einmal: Heute ist sicherlich nicht der letzte Tag der Diskussion, ob alles so gut ist, wie es heute zu sein scheint. Das ist aber auch nicht der Anspruch, den wir GRÜNEN erhoben haben. Wir haben nicht gesagt, das sei der Weisheit letzter Schluss. Diese Arroganz werden wir auch in den nächsten fünf Jahren nicht an den Tag legen.

(Zurufe von der SPD)

Ich glaube aber, dass das ein wesentlicher Schritt ist, eine deutliche Verbesserung der Kinderbetreuung in Hessen – für die kleinen und für die größeren Kinder. Wir haben an viele Punkte gedacht. Deswegen ist das der Beginn und nicht das Ende. Ich bin froh darüber, dass wir diese entscheidenden Schritte gehen. Ich bin aber sicher, dass das nicht die letzten Schritte sein werden. Deshalb bin ich froh darüber, dass wir es so machen, wie wir es jetzt machen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Vizepräsident Wolfgang Greilich:

Vielen Dank, Herr Kollege Bocklet.