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27.09.2012
Portraitfoto von Marcus Bocklet vor grauem Hintergrund.

Marcus Bocklet: Potenziale am Arbeitsmarkt nutzen: Fachkräfte haben in Hessen hervorragende Chancen

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Decker sprach zu Recht davon, dass dieser Bericht eigentlich ein Weckruf sein müsste. Herr Kollege, ich möchte es anders formulieren und dabei sogar noch einen Schritt weitergehen. Wer sich nach zwölf Jahren Regierungszeit immer noch attestieren lassen muss, dass Kinderbetreuungsplätze massiv fehlen und sich Tausende Jugendliche in Übergangsystemen ohne Abschluss befinden, dass die Wiedereingliederung der Arbeitslosen unglaublich verbesserungswürdig ist und dass Ältere unbedingt länger im Job gehalten werden müssen, der hat die Entwicklung jahrelang sträflich verschlafen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Deswegen komme ich zu dem Schluss, dass dieser Bericht wahrlich kein Anlass zur Euphorie ist. Wenn man die Perspektive darauf richtet, was in diesem Land alles zu tun ist, ist dieser Bericht der Expertenkommission vielmehr eine schallende Ohrfeige an die hessische Landespolitik wegen der Versäumnisse hinsichtlich des Fachkräftemangels. Herr Kollege Decker wird mir in dieser Frage recht geben.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Norbert Schmitt und Brigitte Hofmeyer (SPD))

Ich will das gerne nochmals an einigen Punkten klarmachen.

Herr Lenders, ich Oktober 2010 und im November 2011 haben Sie an dieser Stelle, an diesem Pult dieselbe Sonntagsrede schon einmal gehalten. Es ist geradezu eine Beleidigung für die Sonntage, wenn man Ihre Reden zugrunde legt – das ist nicht einmal mehr der Wert einer Sonntagsrede.

(Heiterkeit bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir haben damals in einem Antrag eine Offensive gegen den Fachkräftemangel gefordert. In unserem Antrag ist exakt das aufgeführt, was dieser Bericht jetzt wieder aufführt: dass wir einen schnelleren Ausbau der Kinderbetreuung brauchen,

(Zuruf des Abg. Jürgen Lenders (FDP))

damit das mit der Vereinbarkeit von Beruf und Familie besser klappt; dass wir eine Verbesserung des Berufseingliederungssystems, des Berufsbildungssystems brauchen,

(Zuruf des Abg. Jürgen Lenders (FDP))

weil wir, Herr Lenders, unter Ihrer Regierung immer noch 26.000 Schülerinnen und Schüler im Warte-, im Übergangssystem haben. Bei der Wiedereingliederung haben wir festgestellt, dass wir immer noch einen unglaublich festen Satz von Menschen in Langzeitarbeitslosigkeit haben, die nicht wieder in den Arbeitsmarkt integriert werden. Wir haben festgestellt, dass wir über 1.000.000 Menschen im Job haben, die keine Ausbildung haben, keinen Berufsabschluss. Das ist das Problem der Aufstiegsqualifizierung.

Wir haben über 11.600 Frauen, die alleinerziehend sind und gerne wieder arbeiten gehen wollen. Wir haben Migranten, die mit gutem Abschluss hier Taxi fahren – mit Diplom Taxi fahren, mit Diplom putzen; auch diese Debatte hatten wir schon. Mittlerweile sind das auch weit über 25.000 Migrantinnen und Migranten, die gerne eine bessere Arbeit haben wollen. Und wir haben ein Problem, dass Ältere nicht lange genug im Job bleiben.

Einmal haben Sie als Landesregierung 37 Millionen Euro für das Programm „Erfahrung hat Zukunft“ ausgegeben. Das haben Sie in den Sand gesetzt. Seitdem hören wir nichts mehr zu diesem Problem. Meine sehr verehrten Damen und Herren, Sie haben Ihre Hausaufgaben nicht gemacht.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Wolfgang Greilich (FDP))

– Herr Kollege, das ist nicht am Thema vorbei. Wenn Sie das sagen, haben Sie die Zeichen der Zeit nicht erkannt. Wir haben einen Fachkräftemangel, und wir haben ein schlummerndes Potenzial. Wir haben die Möglichkeit, das zu ändern, indem wir Jugendlichen einen besseren Abschluss ermöglichen und indem wir die momentan nicht Arbeitenden dem Arbeitsmarkt zuführen.

(Zuruf des Abg. Wolfgang Greilich (FDP))

All das verschlafen Sie. Dieser Bericht haut es Ihnen explizit um die Ohren.

(Zuruf des Abg. Wolfgang Greilich (FDP))

Sie aber stellen sich hierhin und sagen, das sei ein guter Bericht. Meine sehr verehrten Damen und Herren, Sie hören die Einschläge auch dann nicht, wenn sie näher kommen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich sage Ihnen noch einmal: Das ist doch eine Win-win-Situation. All denjenigen, die mehr Teilhabe am Arbeitsmarkt haben wollen, würde durch ein umfassendes Maßnahmenbündel geholfen – vor allem aber auch der hessischen Wirtschaft.

Da zitiere ich gerne noch einmal die IHK, und zwar mit dem, was sie im Jahr 2010 in der Veröffentlichung ihres Fachkräftemonitors gesagt hat. Noch einmal: Wir reden hier nicht über neue Erkenntnisse. Dort hat sie gesagt – Ich zitiere:

Mit dieser Situation ist die Wettbewerbsfähigkeit der hessischen Wirtschaft gefährdet.

Das sagen nicht die GRÜNEN, das sagt die IHK. Schreiben Sie sich das endlich hinter die Ohren und handeln Sie. Es geht um die Zukunft dieses Landes. – Danke schön.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Lachen bei der CDU und der FDP)

Vizepräsidentin Ursula Hammann:

Vielen Dank, Herr Kollege Bocklet.

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