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08.06.2011
Portraitfoto von Marcus Bocklet vor grauem Hintergrund.

Marcus Bocklet: Mindestlohn einführen

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Burghardt, wenn zwischen den Tarifparteien alles so gut funktioniert, dann müssen Sie sich die Frage gefallen lassen: Warum gibt es in der Bundesrepublik immer noch 6,6 Millionen Beschäftigte, deren Einkommen unter der Niedriglohnschwelle liegt? – 3,4 Millionen Menschen arbeiten für weniger als 7 Euro die Stunde. Wie funktioniert das Ihrer Meinung nach?

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Sie beschreiben Felder, bei denen die Tarifparteien in der Mehrheit vernünftige Abschlüsse getätigt haben. Aber offensichtlich bleibt doch eine Lücke. Wer von der sozialen Marktwirtschaft redet, der muss die soziale Verantwortung in der Politik auch leben.

(Zuruf des Abg. Holger Bellino (CDU))

Er muss sie vorzeichnen. Er muss einschreiten, wenn es sittenwidrige Löhne gibt, die weit unter dem liegen, mit dem sich ein Mensch selbst ernähren kann.

Wir sehen Löhne unter 7 oder 6 Euro. Zum Teil geht das bis zu 5 Euro, wie wir wissen. Da muss man doch klar sagen: Da ist eine Lücke im System entstanden; und der Staat und die Politik haben den Auftrag, das zu korrigieren. Das geht mit dem generellen Mindestlohn, für den auch wir uns aussprechen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Willi van Ooyen und Hermann Schaus (DIE LINKE))

Herr Burghardt, lassen Sie mich den Versuch unternehmen, dem Ganzen für Hessen noch einmal ein Gesicht zu geben. Wir haben von der Bundesagentur für Arbeit die Zahlen für Januar 2011. Herr Burghardt, liebe Kolleginnen und Kollegen der CDU und der FDP, demnach haben 22.000 Menschen in Hessen Vollzeit gearbeitet und gleichzeitig Arbeitslosengeld II empfangen. Das sind die sogenannten Aufstocker.

Es kommt darauf an, welchen Schnitt man dort ansetzt. Das sind aber mindestens 7 Millionen Euro und bis zu 11 Millionen Euro Gelder öffentlicher Art, die wir zur flächendeckenden Lohnsubventionierung einsetzen. Es geht da um 7 Millionen bis 11 Millionen Euro, die wir den Unternehmen hinterherwerfen. Sie werden richtig gehend aufgefordert, niedrige Löhne zu zahlen, weil sie wissen, ihre Mitarbeiter gehen dann zum Jobcenter und bekommen die nötigen aufstockenden Mittel.

Das ist flächendeckende Lohnsubventionierung bei der gleichzeitigen Aufforderung, Lohndumping zu betreiben. Das kritisieren wir GRÜNE. Das lehnen wir ab.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Ich glaube, dass es an der Zeit ist, einen generellen Mindestlohn einzuführen. Ich halte aber auch nichts von dem Wettlauf nach dem Motto, das an der Wursttheke gilt: Darf es ein bisschen mehr sein? – 8,50 Euro fordert die SPD. Die LINKEN fordern 10 Euro, wie der Vorsitzende mir versichert hat.

Sicherlich hilft jeder Euro. Ich glaube aber, dass wir vor allem einen generellen Mindestlohn brauchen. Unser Modell ist, dass das von einer Mindestlohnkommission nach britischem Vorbild festgelegt werden soll. Die festgelegte Grenze muss dann für alle verbindlich sein. Sie darf von keinem Betrieb in keinem Beschäftigungsverhältnis unterschritten werden. Mit dieser Untergrenze würde zukünftig Lohndumping zulasten der Beschäftigten und der Steuerzahler wirksam verhindert werden.

Diese Kommission soll sich aus Vertreterinnen und Vertretern der Sozialpartner und der Wissenschaft zusammensetzen. Sie soll die Höhe des Mindestlohns unter umfassender Berücksichtigung der sozialen und ökonomischen Auswirkungen festlegen.

Das britische Modell ist sehr erfolgreich. Ich wiederhole es noch einmal: Sicherlich gibt es zwischen England und Deutschland Unterschiede. Das ist bei irgendwelchen Modellen immer so.

Das hat sicherlich nicht dazu geführt, dass die Wirtschaft in erheblichem Maß geschädigt wurde. Nein, das hat dazu geführt, dass die Menschen, die dort arbeiten, von ihrem Lohn leben können. Genau das muss die Zielrichtung auch in diesem Hause sein.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Steter Tropfen höhlt den Stein, so lautet der Satz. Ob der stete Tropfen auch den Beton höhlt, bleibt nach der Rede des Herrn Burghardt fraglich. Das wird sicherlich auch so sein, nachdem der Kollege der FDP geredet hat. Er wird zum wiederholten Mal versuchen, uns zu überzeugen, dass es doch so Sinn bringend ist, dass wir Gelder öffentlicher Art quasi den Arbeitgebern überweisen, damit die Niedriglöhne zahlen können.

Der Tropfen wird wahrscheinlich wieder sinnlos auf den Beton fallen. Herr Decker und liebe Kolleginnen und Kollegen der SPD und der CDU, ich kann dazu nur sagen, dass wir auch in anderen Politikbereichen jahrelang und zum Teil jahrzehntelang erfolglos versucht haben, die Menschen auf der rechten Seite des Hauses zu überzeugen. Nehmen Sie nur die Atompolitik. Irgendwann kommt dann doch einmal im Bewusstsein an, dass da etwas passieren muss.

Diese Hoffnung wollen wir auch heute ein weiteres Mal hegen. Wir fordern Sie auf: Stimmen auch Sie endlich für einen generellen Mindestlohn in der Bundesrepublik. – Wir unterstützen die SPD-Fraktion darin, dass eine Bundesratsinitiative eingebracht werden soll.

Und wir halten es da, wie es die CDA und Matthias Zimmer, Bundestagsabgeordneter, zum Schluss gesagt haben: „Überall dort, wo Arbeitnehmer nicht mehr durch Tarifverträge geschützt werden, muss ein allgemeiner gesetzlicher Mindestlohn eingeführt werden.“ – Manchmal haben auch CDUler recht. Deswegen überdenken Sie einmal Ihre Position, Sie müssen nicht immer den rechtesten Landesverband als CDUler in Deutschland bilden.

(Zuruf von der CDU)

Vielleicht kommen Sie einmal zu der Überzeugung, dass es richtig ist, dass wir in der sozialen Marktwirtschaft eine soziale Verantwortung haben, dass Menschen auch von ihrer Hände Arbeit leben können. Gehen Sie endlich den richtigen Weg für einen Mindestlohn. – Ich danke Ihnen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Vizepräsident Lothar Quanz:

Danke, Herr Bocklet.

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