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26.06.2012
Portraitfoto von Marcus Bocklet vor grauem Hintergrund.

Marcus Bocklet: Kindertagesstättenfinanzierung verbessern – Konnexität respektieren – Betreuungsgeld verhindern

Her Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Es fällt mir nach dem Verfolgen des Dialogs zwischen Frau Wiesmann und Herrn Merz schwer, meine vorbereitete Rede zu halten, weil ich glaube, dass das, was Sie, Frau Wiesmann, heute hier zum Besten gegeben haben, bestimmte Tatbestände komplett verkennt.

Wir hatten in diesem Saal eine große Gemeinsamkeit, nämlich das Bekenntnis zum Konnexitätsprinzip. Als die Debatte im Jahre 2009 darum ging, ob bei der Mindestverordnung der Grundsatz „Wer bestellt, bezahlt“ gilt, und wir Ihnen vorgerechnet haben, dass das Land nicht bezahlt, haben Sie diese Gemeinsamkeit verlassen. Ein Ausdruck dessen sind die 40 Millionen Euro, die für diesen Bereich im Landeshaushalt ausgewiesen sind. Daher sind Ihre Vorwürfe, die Opposition baue hier eine Chimäre auf und treibe sie durch das Land, nicht gerechtfertigt. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU und der FDP, hätten Sie mit dem Erlass der Mindestverordnung auch die für die Kommunen entstehenden Kosten übernommen, hätten Sie heute diese Debatte nicht.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Ein Zweites. Sie negieren, Sie wollen nicht sehen, dass viele Eltern dringend einen Betreuungsplatz brauchen. Wir können die Zahlen gerne durchdeklinieren. Sie haben noch im Dezember 2011 gesagt, Ihnen genüge eine 35-prozentige Quote, weil diese beim vierten Gipfel so vereinbart wurde. Schon damals haben wir GRÜNEN Ihnen in einem Haushaltsantrag präsentiert, dass das zu wenig ist, dass wir eine höhere Quote brauchen. Im März kam dann die Veröffentlichung des Ministers, der zugeben musste, Sie haben zu wenig Geld eingestellt, um diese 35-Prozent-Quote zu erreichen. Daraufhin haben wir GRÜNEN Ihnen erklärt, dass diese 35 Prozent zwar eine nette Quote sind, dass das aber dem tatsächlichen Bedarf nicht entspricht. Ihr Landesjugendamt, Ihr Sozialministerium hat nämlich erhoben, dass wir 58.000 Stellen in diesem Land brauchen und dass das weit mehr ist als das, was Sie über Investitionsmittel und Betriebskostenzuschüsse finanzieren. Wenn wir all das sehen, dann muss ich Ihnen sagen: Sie haben die Situation komplett verschlafen, und es steht Ihnen nicht zu, die Opposition zu beschimpfen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Es fehlen tausende von Betreuungsplätzen, es fehlen 3.500 Fachkräfte. Den Kommunen, die all das zur Verfügung stellen müssen, fehlen folgende Gelder: 340 Millionen Euro, vorenthalten aus dem Kommunalen Finanzausgleich, ein dreistelliger Millionenbetrag aus der Mindestverordnung und die Mittel für Betriebs- und Investitionskosten für die U-3-Betreuung. Über die Grundschulbetreuung reden wir dabei noch gar nicht. Das Fehlen dieser Mittel führt dazu, dass viele Eltern in Hessen keine Betreuungsplätze finden. Das ist nicht nur eine kommunale Aufgabe, sondern auch eine Landesaufgabe. Da versagen Sie kläglich.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Ich will mich auch nicht zu der Frage äußern, wer hier im Hause welches Weltbild hat. Beim Betreuungsgeld ist Folgendes entscheidend. Wenn wir Qualität schaffen wollen, dann müssen wir dafür finanzpolitisch Prioritäten setzen. Sie können das Blatt drehen und wenden, wie Sie wollen, Sie werden mit dem Betreuungsgeld keine Wahlfreiheit schaffen. Niemand wird für 100 oder 150 Euro zu Hause bleiben. Das wissen auch Sie. Das werden Sie aber nicht zugeben.

(Zuruf des Abg. Gottfried Milde (Griesheim) (CDU))

Die Modelle, über die Frau Wiesmann öffentlich in Zeitungen diskutiert, sind interessante Vorschläge. Sie sind aber nicht die Position der Bundesregierung, und sie werden das auch nicht werden. Fakt ist, dass jemand, der schon jetzt zu Hause betreuend tätig ist, sich darüber freut, wenn er 150 Euro bekommt. Sie lösen damit aber null Komma null Probleme in diesem Land, weder für die Familien noch für die Tausenden von Eltern, die einen Betreuungsplatz suchen. Das ist der Punkt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Sie kommen mit uralten Schlachten daher. Das sind die Spätfolgen Ihres Traumas, das Sie als CDU haben, Ihres erzkonservativen Familienbildes aus dem letzten Jahrhundert: Kinder, Küche und Kirche. Sie haben das Wort „Rabenmütter“ geprägt. Das waren die Konservativen, nicht die GRÜNEN und auch nicht die SPD. Die Traumata, die Sie von damals haben, bemühen Sie sich jetzt aufzuarbeiten. Laden Sie die aber nicht bei uns ab. Wir haben kein Problem mit Ideologie und Familienbild. Wir wollen Wahlfreiheit für alle Familienmodelle; die verhindern Sie in Hessen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Zurufe von der CDU)

Wenn wir also über den Gesamtzusammenhang reden, muss man sagen, dass die Kommunen deutliche Defizite haben, ihre Spielräume hinsichtlich der Betreuungsplätze auszuweiten. Das werden Sie doch nicht ernsthaft bestreiten. Ich habe es angesprochen: Eine riesige Millionensumme aus dem Kommunalen Finanzausgleich steht den Kommunen nicht zur Verfügung, bei der Mindestverordnung geben Sie nur 40 Millionen Euro, und die U-3-Betreuung ist nicht auskömmlich finanziert. Da müssen Sie doch den Gesamtzusammenhang sehen. Das Betreuungsgeld wird verpulvert, das eigentlich in die Infrastrukturen investiert werden müsste. Diesen Gesamtzusammenhang sehen Sie nicht. Sie setzen die ideologische Brille auf und sagen: Wir wollen denen etwas Gutes tun. – Aber Sie schaden in Wirklichkeit dem Ausbau der Infrastrukturen in Hessen.

Jetzt komme ich zu einem direkten Vorwurf an mich. Sie glauben, das grüne Krokodil würde hier Krokodilstränen weinen. Frau Wiesmann, ich möchte Ihnen dazu nur sagen: Als ich im Jahre 2009 eine Anfrage zum Fachkräftemangel gestellt habe, gab es hier ein großes Gelächter. Es hieß, das sei Panikmache. Es hieß, es gebe fast keinen Fachkräftemangel. Auch bei der Frage, wie wir die U-3-Plätze finanziell ausstatten, haben Sie uns unterstellt, wir würden Panik machen. Bei der Mindestverordnung haben Sie gesagt, alles sei nur Panikmache, es sei gar nicht so schlimm. Ich glaube, dass Sie dazu kommen müssen, schneller zu reagieren, dass Sie sich nicht wie ein Hund zum Jagen tragen lassen sollten – um bei der Zoologie zu bleiben –, sondern endlich einmal die Bedarfe befriedigen sollten, die es im Land gibt, statt es immer erst dann zu tun, wenn es wirklich nicht mehr anders geht. Das ist das Ätzende an der Familienpolitik in Hessen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie nennen den Bocklet das „grüne Krokodil“. Ich habe unter Wikipedia nachgeschlagen. Ein Krokodil bringt in seiner Lebenszeit 20 bis 80 Junge zur Welt. Das schaffe ich in der Tat nicht.

(Heiterkeit bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zurufe von der CDU)

Ich lasse den Hinweis weg, dass das Krokodil in einigen Völkern als göttlich gilt. Was mich aber sehr freut – das darf ich aus Wikipedia zitieren –: Krokodile reagieren extrem schnell und agieren – aufgepasst! – auch an Land sehr geschickt. – Also nicht nur in den Kommunen, sondern auch auf Land.

(Heiterkeit bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Mit diesen Worten will ich schließen: Extrem schnell und auch auf Landesebene agieren – das wünsche ich mir von dieser Landesregierung. Von daher: mehr Krokodile und weniger Schildkröten.

(Heiterkeit und Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

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