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28.02.2013
Portraitfoto von Marcus Bocklet vor grauem Hintergrund.

Marcus Bocklet: Kinderbetreuung neu aufstellen – Entwurf des KiföG zurückziehen – Betreuungsgipfel einberufen

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kollegen von der FDP, warum beantragen Sie dann eigentlich eine Aktuelle Stunde, wenn alles so in Butter ist, wie Sie es zeichnen?

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Stefan Müller (Heidenrod) (FDP))

Dazu muss man doch sagen: „Ein getroffener Hund bellt“. Lassen Sie uns noch einmal in Erinnerung rufen – wir haben leider nur fünf Minuten; nachher gibt es noch einen Setzpunkt, da haben wir zehn Minuten –, dass es Ihre Landesregierung war, die vor Gericht sehr erfolgreich beklagt und dazu verdonnert wurde, die Mindestverordnung, die sie eingeführt hat, auch endlich zu bezahlen. Wer bestellt, bezahlt; das ist die Summe, die wir jetzt wiederfinden. Nur so viel zur Wahrheit der Finanzierung. Es ist die Folge eines verlorenen Gerichtsurteils. Sich damit zu rühmen, hat schon eine Bigotterie, aber das müssen Sie mit sich selbst ausmachen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, zum zweiten Punkt. Sie sprechen von Information oder Panikmache der Opposition. Ich kann nur sagen: Nach der ersten Lesung im Dezember hatte ich nicht den Eindruck, dass es SPD oder GRÜNE waren, die hier Panik gemacht haben. Ich kann Ihnen aber sagen, dass, nachdem das Gesetz im Land bekannt wurde, ein Flächenbrand entstanden ist, der uns den Atem stocken lässt: Eltern, Vereine, Gewerkschaften und Träger laufen Sturm gegen dieses Gesetz.

(Zuruf des Abg. Stefan Müller (Heidenrod) (FDP))

Vielleicht denken Sie darüber einmal eine Minute lang nach.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Zuruf des Abg. Dr. Thomas Spies (SPD), zur FDP gewandt – Erneuter Zuruf des Abg. Stefan Müller (Heidenrod) (FDP))

So, ich kann Ihnen gern – –

(Zuruf des Abg. Stefan Müller (Heidenrod) (FDP))

Vizepräsidentin Ursula Hammann:

Ein bisschen weniger Lärm, bitte.

Marcus Bocklet:

Dass man Ihnen kein Vertrauen mehr schenkt, ist doch relativ eindeutig. Sie haben die Mindestverordnung in Kraft gesetzt und nicht auskömmlich finanziert. Sie haben den Kommunen und den Trägern versprochen, sie würden auskömmliche Fachkräfte bekommen – noch heute fehlen 3.000 Erzieherinnen und Erzieher. Sie haben den Kommunen versprochen, sie würden die nötige Unterstützung für die U3-Plätze bekommen – noch heute, Stichtag 1. Januar, fehlen 8.000 Plätze für Kinder unter drei Jahren.

Drei Versprechen, drei Mal gebrochen. Wenn Sie wieder hingehen und ein besseres KiföG versprechen, kann ich verstehen, dass man Ihnen nicht mehr glaubt, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD sowie des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Ich darf Ihnen das an einem Beispiel exemplarisch vorführen. Da sagt der sozialpolitische Sprecher Dr. Bartelt in seiner Presseerklärung noch im Dezember:

Der Fachkraftkatalog wird auch für nichtpädagogische Berufsgruppen geöffnet. Dadurch soll einem Erziehermangel entgegengewirkt werden.

Jetzt antwortet aber Frau Kollegien Wiesmann in einem Interview vom Februar auf die Frage, ob die Öffnung nicht nur aus der Not heraus geboren sei: Nein, diese Regelung sei kein Notnagel zur Behebung des Fachkräftemangels. – Sie wissen ja selbst noch nicht genau, warum Sie eigentlich 20 % fachfremdes Personal in die Kitas schicken wollen. Haben Sie nun versagt oder nicht? Sie haben versagt. Ich kann die vielen Eltern gut verstehen, die kein fachfremdes Personal in den Kitas haben wollen. Das ist Ihre Verantwortung. Darüber gibt es eine Empörung.

(Zuruf des Abg. Stefan Müller (Heidenrod) (FDP))

Zu Ihnen, Herr Kollege Müller und Herr Kollege Rock: Ich kann ja verstehen, wenn man der Ansicht ist, dass Hessen das waldreichste Bundesland ist. Fast die Hälfte der Fläche ist ja Wald. Für Ihr Beispiel, deshalb Förster in die Waldkindergärten schicken zu wollen, habe ich auch noch Verständnis. Aber das ist nicht das Problem der Kitas. Das Problem der Kitas ist, dass sie keine qualifizierten Fachkräfte finden. Was Sie jetzt beabsichtigen, ist, dass dort fachfremdes Personal hineinkommt. Da kann ich es gut verstehen, dass viele Erzieherinnen und Erzieher, die fünf Jahre lang die Schulbank gedrückt haben, dies als eine schlechte Wertschätzung empfinden. Das ist der falsche Weg, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD sowie des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Lassen Sie mich in den letzten Minuten Redezeit, die mir noch bleiben, zwei weitere Punkte aufgreifen. Wer ein Kinderfördergesetz vorlegt und nicht die entscheidende Frage – nämlich die der Grundschulkinderbetreuung – beantwortet und nicht die Zeichen der Zeit verstanden hat – dass Eltern, wenn sie von 0 bis 3, von 3 bis 6 einen Betreuungsplatz gefunden haben, mit ihrem Kind in der Grundschule vor einem Desaster stehen, weil sie keine Betreuungsplätze finden –, wer diese Kernfrage der Kinderbetreuungspolitik in Hessen nicht in einem zukunftsweisenden Kinderfördergesetz beantwortet, der hat seine Hausaufgaben nicht gemacht, löst einen Sturm der Empörung aus und das ist dann auch richtig so.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD sowie des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Der letzte Punkt. Angesichts der vielen Kriterien in diesem Gesetz – ich schätze, das sind zwischen 16 und 30 Parameter – kann man sagen, dass nicht jeder Parameter, den Sie einführen, schlecht ist. Das ist ein Gesetzentwurf, in dem nicht alles schlecht ist. Das schaffen in der Tat nicht einmal Sie, ein Gesetz vorzulegen, in dem alles schlecht ist; das mag ich Ihnen zugestehen.

(Zuruf von der CDU)

Aber die zweite entscheidende sozialpolitische Herausforderung nach der Grundschulkinderfrage wird diejenige sein, wie wir mit den behinderten Kindern in diesem Land umgehen. Und wenn Sie dann sagen, es gebe eine Rahmenvereinbarung und das würden schon andere regeln, Herr Mick, dann machen Sie sich in die Büsche.

(Zuruf des Abg. Stefan Müller (Heidenrod) (FDP))

Sie müssen im Kinderfördergesetz beantworten, wie Sie in diesem Land die Inklusion angehen wollen, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD sowie des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE) – Stefan Müller (Heidenrod) (FDP): Das ist ganz schwach!)

Vizepräsidentin Ursula Hammann:

Herr Kollege Bocklet, Sie müssen zum Ende Ihrer Rede kommen.

Marcus Bocklet (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Wer ein Kinderfördergesetz vorlegt, das diese Fragen zu Grundschulkindern oder behinderten Kindern nicht beantwortet, wer den Kommunen in Aussicht stellt, die Qualitätsstandards absenken zu können, der hat seine Hausaufgaben versemmelt und zu Recht Empörung geerntet. – Danke.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN)

Vizepräsidentin Ursula Hammann:

Vielen Dank, Herr Kollege Bocklet.

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