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01.02.2012
Portraitfoto von Marcus Bocklet vor grauem Hintergrund.

Marcus Bocklet: Hessisches Gesetz über das Halten und Führen von Hunden

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich finde, viele Abgeordnete dieses Hauses sind offensichtlich schon Gassi gegangen. Es sind ein bisschen wenig hier im Saal zu diesem Thema.

(Heiterkeit bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Es ist in der Tat doch ein sehr ernstes Thema. Ich will das einmal an einer Zahl deutlich machen.

Herr Innenminister, wie Sie sehen können, habe auch ich jetzt schon die Boris-Rhein-Lesebrille. – Die hessische Beißstatistik zeigt, dass wir im Jahr 2010 in Hessen 278 verletzte Menschen hatten. Sieben davon waren schwer verletzt. Lassen Sie mich das betonen: Jeder einzelne Vorfall ist einer zu viel.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU und der FDP)

Darüber darf es in diesem Haus keine zwei Meinungen geben. Ich will noch hinzufügen: Laut dem Berufsverband der Kinderärzte wurden im Jahr 2010 rund 40.000 Menschen in Krankenhäusern aufgrund von Bissen behandelt. Das waren 40.000 Menschen in Deutschland. 60 Prozent davon sind Kinder.

Ich finde, das kann nur eine Diskussion darüber auslösen, wie dem Schutzauftrag des Staates auf körperliche Unversehrtheit und dem Leben aller Menschen in diesem Land noch besser Rechnung getragen werden kann. Da darf es keine zwei Meinungen geben. Dem Schutz unserer Menschen in diesem Land muss der Vorrang gelten. Ich glaube, darin muss sich dieses Haus einig sein.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU und der FDP)

Lassen Sie mich noch einen Satz hinzufügen. Ich glaube, dass wir uns da sehr einig sein werden. Für viele Menschen ist das Halten eines Hundes eine Bereicherung ihres Lebens.

Mit Rücksicht und Toleranz ließen sich in unseren Städten und Gemeinden die meisten Konflikte vermeiden. Ich glaube, auch das ist sicherlich eine Binsenweisheit. Aber das kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass wir diese oftmals vorkommenden Vorfälle haben. Wir müssen alles daran setzen, dass deren Zahl reduziert wird.

Ich möchte mit meinen Ausführungen hinsichtlich der Frage fortfahren, wie einig wir uns bei bestimmten Vorschlägen sind. Meine Fraktion hat bereits im Juni 2011 einen Antrag zu diesem Thema eingebracht. In diesem Zusammenhang haben wir die in dem Gesetzentwurf angesprochenen Punkte mit bearbeitet.

Einigkeit herrscht hinsichtlich der Frage, dass wir das Wiedererkennen eines entlaufenen Hundes durch das sogenannte Chippen sicherstellen wollen. Ich glaube, das ist die richtige nachsorgende Maßnahme. Wenn der Hund entlaufen ist, kann man den Hundehalter feststellen.

Weitgehende Einigkeit mit diesem Flügel des Hauses besteht auch darin, dass wir eine Haftpflichtversicherung für alle Hundebesitzer brauchen. Ich denke, das wird zukünftig eine Selbstverständlichkeit sein.

Ich glaube auch, dass Einigkeit hinsichtlich der Frage besteht, dass alle Hundebesitzer zukünftig einen Sachkundenachweis erbringen müssen. Die Frage ist nur noch, wie man das regelt. Da warte ich auf die Ergebnisse der Anhörung und die Diskussion im Ausschuss. Das könnte man z. B. mit dem goldenen Zügel tun, indem man sagt: Ihr müsst Hundesteuer bezahlen, wenn ihr aber den Sachkundenachweis erbringt, wird die Hundesteuer geringer sein. Man könnte das auch mit einer landesweiten Verpflichtung machen. Über den Weg können wir streiten. Aber das Ziel ist doch, dass wir am Ende erreicht haben wollen, dass alle Hundebesitzer dieses Landes nachweisen, dass sie Sachkunde besitzen. Darüber darf es doch keine zwei Meinungen geben.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Dr. Judith Pauly-Bender (SPD))

Jetzt komme ich zu dem Thema, das nachhaltig umstritten ist. Da möchte ich noch einmal ausdrücklich Frau Pauly-Bender und Frau Ursula Hammann danken, dass sie mit ihrer Beharrlichkeit dieses Thema seit über einem Jahr immer wieder auf die Tagesordnung dieses Hauses gebracht haben. Wie ich finde, weisen beide Abgeordnete zu Recht darauf hin, dass mit der Hunderasseliste nur ein Teil des Problems gelöst werden kann und dass wir uns darüber Gedanken machen müssen, ob das Aufstellen dieser Rasseliste richtig ist und, falls das nicht der Fall ist, was wir damit tun.

Frau Pauly-Bender und die Mitglieder der SPD-Fraktion kommen zu der Auffassung, die Rasseliste sollte abgeschafft werden, weil der Sachkundenachweis ein hinreichender Ersatz wäre. Meine Fraktion teilt diese Position nicht.

Frau Pauly-Bender, Sie haben insofern recht, als dass die Hunderasseliste das Problem allein nicht lösen wird. Wir sind aber der Auffassung, dass auf dieser Rasseliste Tiere zu finden sind, die grundsätzlich ein größeres Gefahrenpotenzial darstellen. Da können Sie als Beispiele Nordrhein-Westfalen, die Fragestellung hinsichtlich der gefährlichen Hunde oder die großen Hunde nehmen. Grundsätzlich stellen manche Hunde einen größeres Gefahrenpotenzial dar. Dabei geht es nicht um die Frage in einer Debatte über Biologie und Philosophie, ob jedes Hündlein, das auf die Welt kommt, per se gefährlich ist.

Natürlich ist es eine Binsenweisheit, zu sagen, ein großes Problem sei auf der anderen Seite der Leine zu finden, denn die Hundehalter würden die Hunde scharfmachen. Ein gewisses Milieu macht nun halt einmal nicht einen Pudel oder einen Dackel scharf, sondern es macht die Kampfhunde scharf. Warum tun sie das? – Sie tun das, weil es dort ein größeres Gefahrenpotenzial gibt. Das muss man anerkennen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Da nützt es auch nichts, zu sagen: Ach du liebe Güte, auch ein Dackel und ein Pudel haben schon einmal gebissen. – Natürlich ist das so. Es ist auch schon einmal jemand in einer Pfütze ertrunken. Das ist überhaupt nicht das Problem.

(Heiterkeit bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Marjana Schott (DIE LINKE))

Natürlich kommt so etwas vor. Aber unsere Lebenserfahrung, ein Blick in die Großstädte und ein Blick in die Milieus zeigt, dass mit der Hunderasseliste ein Steuerungsinstrument implantiert wurde, das nachhaltig erfolgreich ist.

Herr Innenminister, wir haben da in Hessen keine große Berichterstattung. Da könnte man auch noch ein bisschen nachbessern. In Nordrhein-Westfalen ist vom Jahr 2007 bis zum Jahr 2010 die Zahl der Hunde, die sich auf dieser Liste befinden, von 12.000 auf 10.000 zurückgegangen. Bei der Gruppe der betroffenen Hunde, über die wir reden, ist ein deutlicher Rückgang zu erkennen.

(Zuruf des Abg. Alexander Bauer (CDU))

– Natürlich ist das gut so. Herr Bauer, ich danke Ihnen für diesen Zwischenruf. Das ist wichtig, denn diese Hunde stellen mit ihrer Beißkraft, mit ihrem Gewicht und mit ihrer Größe ein größeres Gefahrenpotenzial dar.

Deswegen brauchen wir einen Rückgang dieser großen Gefahrenpotenziale im Interesse der Menschen. Deswegen ist die Rasseliste auch richtig.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Alexander Bauer (CDU))

Aber das Problem, das bleibt – darauf werden Sie in der Diskussion sicherlich noch einmal hinweisen können –, ist, dass die meisten Bisse und die meisten Schädigungen durch Schäferhunde und Schäferhundmischlinge zustande kommen. Wir müssen uns Gedanken darüber machen, wie wir das Problem mit dieser großen Gruppe – Sie haben von mehreren Hunderttausend Hunden gesprochen –, also Schäferhunden und anderen Mischlingsrassen, angehen. Deswegen haben wir gesagt: Nicht die Abschaffung dieser Rasseliste ist die Lösung, sondern die Lösung muss sein, wie wir, Herr Innenminister, mit dieser großen Gruppe von großen Hunden mit einer gewissen Schulterhöhe, mit einem gewissen Gewicht, mit einer gewissen Beißkraft umgehen, und wie wir es schaffen, das Gefahrenpotenzial für alle Menschen in diesem Land zu reduzieren. Deswegen bitten wir Sie, diese Rasseliste zu überprüfen und weiterzuentwickeln, auch unter Einbeziehung von Sachverständigen und Experten.

Ich bin mir sicher: Von vier Punkten werden wir in drei Punkten Gemeinsamkeiten finden. Bei dem Chip, der Haftpflichtversicherung und dem Sachkundenachweis sind wir uns einig. Ich glaube, wenn die Rasseliste noch nicht wesentlich dazu beigetragen hat, dass die Anzahl der Bisse signifikant zurückgeht, dann müssen wir die Hunde, die als gefährlich aufgefallen sind, in dieser Thematik mit bearbeiten. Das bedeutet Weiterentwicklung.

Ich möchte meiner Hoffnung Ausdruck verleihen, dass wir tatsächlich ein gemeinsames Vorgehen finden. Aber ich halte den Schritt der Abschaffung der Rasseliste für ein völlig falsches Signal. Das wird auch dazu führen, dass sich dieses Milieu aufgefordert fühlt, sich genau diese Hunde wieder anzuschaffen. Die waren bisher nämlich abgeschreckt, und das aus gutem Grund. Ich fand, dass das eine richtige Entscheidung war. Deswegen halten wir an der Rasseliste fest, bitten aber um eine Weiterentwicklung der Hundeverordnung. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU und der FDP)

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