Inhalt

28.06.2012
Portraitfoto von Marcus Bocklet vor grauem Hintergrund.

Marcus Bocklet: Hessischer Sozialbericht

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich teile die pessimistische Einschätzung von Frau Kollegin Schott in diesem Punkt nicht, dass sich dieser Bericht zum Heizen eignet. Ich möchte nochmals auf die Gemeinsamkeiten hier in diesem Hause eingehen.

(Zuruf der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE) – Zuruf des Abg. Hermann Schaus (DIE LINKE))

– Sie haben das als Ihre eigene Meinung wiedergegeben, Sie schließen sich dieser Meinung doch an.

Ich glaube, dass dieser Bericht, so, wie er hier vorgelegt worden ist, in einem Teil der Gemeinsamkeit der Fraktionen in diesem Hause entspricht, die am 8. Juli 2009 in einen Antrag mündete, der die Landesregierung aufforderte, einen Sozialbericht vorzulegen, umfassend: mit Daten, Zahlen und Fakten.

Dieser eine Teil des Antrags ist umgesetzt. Er bietet  eine Grundlage zur Debatte über die Frage: Wie gehts zukünftig mit der Sozialpolitik in Hessen weiter?

So weit müssten wir in diesem Hause eigentlich einig sein. – Wer die Plenarreden von damals liest, der stellt eine gewisse Euphorie fest. Frau Schulz-Asche hat für uns gesagt:

(Zuruf der Abg. Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Das ist ein wichtiger Schritt. Nach mehreren Jahren des Widerstands haben CDU und FDP den Widerstand aufgegeben und gesagt, ja, wir brauchen einen solchen Sozialbericht.

Dann gab es eine sehr intensive Debatte und am Ende einen Beschluss. Dieser Beschluss lautete wie folgt:

Die Berichterstattung enthält auf Grundlage der Analyse zugleich die zielgerichteten Handlungsempfehlungen. Die Berichte werden in enger Kooperation mit einem Beraterkreis aus Kommunen, Kirchen, Wissenschaft, dem Landesamt für Statistik und den Verbänden erstellt.

Inhalt von Punkt 4 war, das ist wichtig – Herr Rock, ich zitiere auch Sie –:

Inhalt dieser Handlungsempfehlungen sollen Vorschläge für Zielvereinbarungen sein …

Frau Schott, wer jetzt, wenige Tage, wenige Wochen, nach dem dieses 500-Seiten-Werk vorliegt, bereits anfängt, schon Fazite über dessen Inhalt zu ziehen, so ist es ein bisschen früh.

(Zuruf des Abg. René Rock (FDP))

Wir sollten es einmal profund und gründlich tun. Herr Kollege Rock, was wir aber heute feststellen müssen ist, dass dieser Beschluss nicht umgesetzt wurde. Sie haben eine Sammlung von Daten und Zahlen, und in keinem einzigen Wort haben Sie Handlungsempfehlungen oder Vorschläge für Zielvereinbarungen vorgelegt. – Deshalb ist dieser Beschluss nicht umgesetzt worden.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Ich finde es ziemlich empörend: Wenn man als CDU und FDP den eigenen Beschluss nicht ernst nimmt, dann verstehe ich hier die Welt nicht mehr. Wir haben da lange um einige Positionen gerungen. Wir haben gesagt, eine Landessozialberichterstattung kann nicht nur ein Abrufen von Statistiken und Daten und eine Zusammenfassung sein, sondern es muss immer auch eine tatsächliche Grundlage, auch von unabhängiger Seite, geben, die der Politik Handlungsempfehlungen mit auf den Weg gibt.

Herr Rock, das haben auch Sie geteilt. Ich kann Sie aus der damaligen Debatte zitieren. Sie haben damals gesagt: Ohne diese Handlungsempfehlung ist der Landessozialbericht nur eine Aneinanderfügung von Daten und Dateien; das wollen wir so nicht; und deswegen bestehen wir auch auf Handlungsempfehlungen.

Herr Rock, wenn dem so ist und wenn ich Sie heute in dieser Stunde erst nehme, dann freue ich mich auf Ihre Zustimmung zu unserem Antrag, denn der sagt genau: Wir fordern die Landesregierung auf, neben diesem ersten Teil auch den Beschluss umzusetzen und von unabhängiger Seite, von dem Beirat, einen Bericht vorzulegen, der sagt, welche Handlungsempfehlungen an die Politik sich daraus ergeben.

Wir werden dann nicht davon entbunden sein, Prioritäten zu setzen. Wir werden selbst herausarbeiten müssen, was wir als Landespolitik dann tatsächlich tun wollen. Aber es kann doch nicht sein, dass sich eine Landesregierung hinstellt und eine Hälfte des Antrags einfach nicht umsetzt.

Allen Ernstes frage ich mich: Nehmen Sie sich als Koalitionsfraktion dann noch ernst? Wir diskutieren hier monatelang, wie ein solcher Bericht aussehen muss – dass es eben nicht so sein soll, wie bei vielen anderen Berichten, dass er nur aus vielen Daten und Zahlen besteht, sondern dass daraus etwas folgen soll, dass er der Politik einen Spiegel vorhält und ihr sagt: Aufgrund dieser Daten und Fakten muss Folgendes passieren. Dann können wir uns als Politik mit diesen Empfehlungen auseinandersetzen und sagen: Deshalb werden wir folgenden Maßnahmen umsetzten.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das ist normalerweise Sinn und Zweck einer guten Sozialberichterstattung.

Sie aber haben diesen Bericht komplett entpolitisiert. Sie haben den Beschluss nicht umgesetzt.

Da will ich mich noch gar nicht damit auseinandersetzten – wahrscheinlich finden wir da sehr schnell Gemeinsamkeiten –, dass wir noch immer viel zu viele Menschen haben, die sich in Sozialhilfe befinden; die in Obdachlosigkeit leben; zu viel Alleinerziehende, die von Armut betroffen sind; zu viele Menschen, die sich keinen bezahlbaren Wohnraum leisten können.

Der spannende Teil, der diese Landesregierung und die Landespolitik unter Druck gesetzt hätte, wären unabhängige Handlungsempfehlungen dafür gewesen, um welche Zielgruppe und um welches Handlungsfeld sich die Landespolitik kümmern solle.

Vizepräsident Frank Lortz:

Kollege Bocklet, Sie müssen zum Schluss kommen.

Marcus Bocklet:

Dieser Teil des Landessozialberichts findet überhaupt nicht statt. Diese Landesregierung hatte Angst vor den Empfehlungen. Ich kann nur darüber spekulieren, mit welcher Mutlosigkeit dieser Bericht erstellt worden ist. So, wie er vorliegt, ist er keine Grundlage für eine weitere Diskussion. Die Hessische Landesregierung hatte Angst davor, einen Spiegel über Defizite und mögliche Ziele vorgehalten zu bekommen. Das ist tatsächlich nicht befriedigend. – Danke.

Kontakt

Zum Thema