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02.02.2011
Portraitfoto von Marcus Bocklet vor grauem Hintergrund.

Marcus Bocklet: „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ in der Leiharbeit

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! In dem Film „Und ewig grüßt das Murmeltier“ wacht ein Schauspieler jeden Morgen auf und dieselbe Erscheinung. In der aktuellen Debatte kommt es einem in der Tat auch manchmal so vor Wir müssen zum dritten, vierten oder fünften Mal – was immer die aktuellen Zahlen sind – darüber diskutieren.

Aber es ist auch eine Schande, dass wir zum fünften Mal darüber diskutieren müssen. Es bewegt sich nämlich überhaupt nichts in dieser Frage, und das ist das Problem bei dieser Diskussion.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

In diesem Plenum behandeln wir das Thema zweimal. Die SPD hat es zuerst aufgerufen. Liebe Kollegin Wissler, es müssen bei Ihnen doch die Alarmglocken schrillen, weil die SPD bei dem Thema Mindestlohn schneller ist.

(Zuruf des Abg. Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD))

Wenn das einreißt, wird es mit dem Wiedereinzug in den Landtag aber knapp. Insofern beglückwünsche ich die SPD.

(Zuruf des Abg. Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD) – Weitere Zurufe von der SPD und der LINKEN)

– Ja, eindeutig. Sie kümmern sich morgen nur um die Leiharbeit. Insofern müssen Sie sich ein bisschen ranhalten. Wir finden es gut, dass die SPD es heute aufruft. Wir bleiben bei dem Thema. Wir haben uns auf das Thema „Mindestlohn und Leiharbeit“ eingestellt.

Rot-Grün hat es verabschiedet. Ja, wir haben es verabschiedet. Aber der Kopf ist rund, damit die Gedanken auch einmal ihre Richtung ändern können. Ich weiß, dass dies für viele, vor allem von der FDP, sehr schwer zu verstehen ist. Dennoch kann ich Ihnen den Rat geben: Was Ihren Steuersenkungswahn und Ihre Deregulierung von Finanzmärkten betrifft, so würde es auch Ihnen nicht schaden, Ihre Position, die Sie in die völlig falsche Richtung geführt hat, grundsätzlich zu überdenken. Das würde Ihnen auch nicht schaden.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Zeitarbeit – oder Leiharbeit – hatte ihren Sinn und wird ihn auch zukünftig in der Situation haben, dass Unternehmen Auftragsspitzen bekommen und nicht wissen, wie sie sie schnell und zügig abdecken sollen. Dort, wo es kurzfristige Personalengpässe gibt, hat die Zeitarbeit auch zukünftig einen Platz.

Jetzt fragen Sie – ich glaube, es war Herr Lenders, der dazwischenrief –, wo all das bestätigt wird, was Frau Wissler, zum Teil auch richtig, wiedergegeben hat? Es gab eine Studie des CDU-Arbeitsministers Laumann – a. d. mittlerweile. Es gibt also eine Studie dazu, und Lesen bildet, auch in diesem Fall. Wenn Sie die lesen und es für Sie erkennbar ist, dass es einen vielfachen Missbrauch gibt, muss Sie das doch dazu bringen, zu sagen: Wir ändern unsere Position oder drehen an den Stellschrauben, die dazu führen, dass es diesen Missbrauch gibt. – So viel Einigkeit muss es doch irgendwann einmal geben. Ich finde es richtig, dass wir weiterhin darüber diskutieren, solange es sie nicht gibt.

Ich geben Ihnen ein Beispiel: Googeln Sie im Internet zu dem Thema „Mentalität von Zeitarbeitsfirmen“. Die Zeitarbeitsfirma P., so nenne ich sie jetzt einmal, weil ich nicht weiß, ob man ihren Namen erwähnen darf, beschreibt auf Ihrer Homepage die Vorteile der Zeitarbeit wie folgt: Sie – also die Unternehmen – befreien sich von vielen Arbeitgeberpflichten und -risiken. Sie vermeiden konsequent Kündigungsprobleme, also Arbeitsgerichtsprozesse, Abfindungszahlungen. Sie erreichen eine Kostendeckung und wandeln Fixkosten in variable Kosten um. Sie verschaffen sich einen optimalen Wettbewerbsvorteil.

Sehen Sie, das ist der Geist, mit dem man Zeitarbeit verkauft. Aber wer den Unternehmen optimale Flexibilität zubilligt, muss auf der anderen Seite dafür sorgen, dass die Zeitarbeiterinnen und -arbeiter, die in diese Unternehmen gehen, von Anfang an gleiche Rechte und gleichen Lohn bekommen. Dafür setzen wir uns, wie auch die SPD und DIE LINKE, ein. Das muss so gelten.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es ist völlig unerklärlich, warum Unternehmen, wenn Sie diese Palette von Vorteilen haben, nicht in der Lage sind, für gleiche Arbeit gleichen Lohn zu zahlen. Natürlich müssen es die gleiche Arbeit und die gleiche Qualifikation sein, Herr Burghardt und Herr Lenders. Es ist nicht verständlich, warum der Schweißer, um in Ihrem Bild zu bleiben, oder die Sekretärin, um andere Bilder zu benutzen, nicht vom ersten Tag an die gleiche Bezahlung bekommen sollen wie die Stammbelegschaft. Das ist nicht erklärbar, und deshalb muss man es gesetzlich verändern.

Lassen Sie mich noch einen Satz zu den Kosten sagen. Die FDP moniert die explosionsartig ansteigenden Kosten beim ALG-II-Bezug. Sie hat die Diskussion sehr polemisch geführt. Immer wieder taucht das auf, wenn die Kosten im Sozialbereich steigen. Der Antwort der Bundesregierung können Sie aber entnehmen, dass sich die Kosten für Zeitarbeiter, die gleichzeitig im ALG-II-Bezug sind, im Jahr 2009 auf 531 Millionen Euro belaufen haben. Im Jahr 2010, so viel ist absehbar, werden sie noch einmal massiv steigen.

Wir geben über eine halbe Milliarde Euro für Menschen aus, die Arbeitslosengeld II beziehen und in Zeitarbeit beschäftigt sind. Das ist ein unhaltbarer Zustand. Selbstverständlich wirft das die Mindestlohndebatte auf. Für diese Fragestellung muss es endlich eine Antwort geben.

Meine Damen und Herren der FDP, Sie beschreien immer wieder, die Einführung eines Mindestlohnes wäre der Untergang des Abendlandes. Nehmen Sie doch einmal zur Kenntnis, dass es das Land, das damals von Margaret Thatcher regiert wurde – Stichwort: Manchesterkapitalismus –, hinbekommen hat, nationalweit einen Mindestlohn einzuführen. Es geht ihnen in Großbritannien nicht schlecht. Sie haben eine Kommission, in der alle Tarifpartner vereint sind. Sie legen den Mindestlohn fest.

Herr Lenders, nicken Sie doch einmal. Ich danke Ihnen, dass Sie mir recht geben wollen.

Es war richtig, dass Großbritannien, das sozusagen kommunistischste Land Westeuropas, endlich einen Mindestlohn festgelegt hat. Es ist ihnen damit nicht schlecht gegangen. Das Gegenteil ist sogar der Fall. Die Kosten für die Sozialausgaben sind damals massiv gesunken. Das muss es endlich auch in Deutschland geben. Wir werden daran nicht zugrunde gehen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der LINKEN – Zuruf)

– Die Einzigen, denen es nicht gut geht, sind angesichts der Umfrageergebnisse die Mitglieder der FDP. Das ist zu Recht so.

Den Menschen in Großbritannien geht es, ähnlich wie in der Bundesrepublik, vergleichsweise gut.

(Zuruf von der CDU)

Ich will Ihnen noch eines sagen. Sie hören wiederholt davon, wie die Zeitarbeiterinnen und Zeitarbeiter eingesetzt werden. Sie verdienen deutlich weniger als die Stammbelegschaft. Sie haben keine Rechte hinsichtlich der Mitbestimmung. Sie bekommen kein Urlaubsgeld und kein Weihnachtsgeld. Dazu tragen sie noch das Risiko, immer wieder weitervermittelt zu werden. Das zeigt eindeutig. Es ist an der Zeit, das gesetzlich zu regulieren.

Wenn wir bemerken, dass es Fehler gibt, die wir vor fünf Jahren gemacht haben, dann müssen wir alle in diesem Saal ein Interesse daran haben, diese Nachteile zugunsten der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu beseitigen. Wir müssen das endlich richtig regulieren. – Ich danke Ihnen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Marius Weiß (SPD) und Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Vizepräsident Lothar Quanz:

Herr Bocklet, danke.

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