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29.04.2010
Portraitfoto von Marcus Bocklet vor grauem Hintergrund.

Marcus Bocklet: Chancengleichheit und gesellschaftliche Beteiligung von Kindern sichern

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Antrag der SPD beschäftigt sich in der Tat mit einem Problem, nämlich dem, wie wir gering verdienenden Familien, und da im Besonderen natürlich auch Kindern, den Zugang zu Sportvereinen noch einmal weiter erleichtern. Wir sind der Meinung, dass sich das ganze Problem durchgängig durchzieht. Wir hatten beim letzten Mal die Diskussion, armen Kindern die Möglichkeit zu eröffnen, Museen zu besuchen. Ich glaube, das war ein Antrag der LINKEN, und da ging es darum, möglichst geringe Tarife oder dies sogar kostenlos anzubieten.

(Zuruf des Abg. Hermann Schaus (DIE LINKE))

– Herr Schaus, ich glaube, es war die LINKE. – Er nickt. Wir werden dieses Problem auch bei Musikschulen und anderem haben. Dieses zieht sich durch. Wir haben das Problem, dass Familien, die entweder ALG-II empfangen oder noch weniger Geld haben oder ganz geringfügig mehr verdienen, ein Problem haben, an bestimmten öffentlichen Einrichtungen, an Sportvereinen, Musikschulen und vielem anderen teilzuhaben. Das bleibt ein latentes Problem. Ich glaube aber nicht, dass wir es per se hinbekommen – ohne das einmal konzeptionell zu diskutieren –, jedes Mal ein Landesprogramm aufzulegen, das das sozusagen im Einzelfall löst.

Herr Dr. Spies, Sie schauen mich so kritisch an. Im letzten Abschnitt steht, dass Sie deshalb ein Landesprogramm auflegen wollen, das den Vereinen hilft, das dann zu kompensieren. Ich muss Ihnen sagen: Die Sportförderung ist im Wesentlichen erst einmal eine kommunale Aufgabe. Es ist so, dass ich aus Frankfurt viele Möglichkeiten kenne, wie man Sportvereinen helfen kann, damit sie eben Familien helfen können, die die Monatsbeiträge nicht bezahlen können. Die Stadt Frankfurt hat zum einen eine jugendbezogene Förderung, zum anderen kann man aber auch Sportplatzmieten erlassen oder sonst irgendwelche indirekte Förderungen machen, damit die Sportvereine eben nicht darauf achten, wenn einer seinen Mitgliedsbeitrag nicht bezahlen kann, sodass sie die Kinder eben trotzdem mitspielen lassen können.

Da ist Kreativität gefragt; das ist, wie Frau Ravensburg sagt, nicht immer nur eine Frage der Transferleistungen, sondern oftmals auch eine der kommunalpolitischen Kreativität. Deswegen finden wir die Frage eines eigenen Landesprogramms sehr nachrangig, um es einmal vorsichtig zu formulieren. Wir würden es gern noch einmal im Gesamtkontext von Förderungen für arme Kinder diskutieren.

Wir haben ein Kinderarmutsproblem, wir haben in dieser Gesellschaft ein generelles Armutsproblem, wir haben Menschen, die aufgrund ihres geringen Einkommens abgehängt sind. Dieses Problem spitzt sich für Kinder zu, die an Schulessen, musischen oder Sportangeboten nicht teilnehmen können, aufgrund ihres geringen Einkommens. Das ist ein grundsätzliches Problem.

Suchen wir uns einmal einen Punkt aus: Bei der LINKEN waren es die Museen, und bei den Sozialdemokraten sind es die Sportvereine. An diesem Punkt kommen wir so nicht weiter, und wir können diese Lücken, die entstanden sind, nicht über eigene Landesprogramme auffangen.

Zur CDU, um das noch einmal politisch zu diskutieren. Frau Ravensburg, Sie haben einen Satz gesagt, der richtig ist.

(Zuruf der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))

Sie haben gesagt, dass Sie nämlich nicht glauben, dass wir immer dann über Transferleistungen reden sollten, wenn wir ein Problem haben – gerade bei der Kinderarmut. Interessanterweise führen Sie in Ihrem Antrag aber genau das an. Sie sagen, dass der Landtag die Erhöhung des Kindergeldes für alle Familien begrüßen soll. Das war eine Transferleistung, wenn ich das einmal übersetzen darf. Und wenn ich noch ergänzen darf: Es war eine der unnötigsten Transferleistungen überhaupt, weil sie uns bundesweit Mittel dafür blockiert, dass wir diese Gelder in Infrastrukturen für Kinder und Familien, in Kindertagesstätten und anderes einfügen könnten.

Deswegen hat die grüne Bundestagsfraktion zu Recht gesagt: Eine Kindergelderhöhung für alle in Deutschland – auch für die, die wir hier hocken, die nicht gerade wenig Geld verdienen – ist nicht sinnvoll. Wir kriegen die Kindergelderhöhung, Hartz-IV-Empfänger bekommen sie übrigens nicht, nebenbei bemerkt.

Das war eine unnötige Transferleistung. Wir hätten dieses Geld besser in Kinderbetreuungsinstitutionen gesteckt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Ihre These war richtig, Sie machen das aber selbst. Im Übrigen, wenn Sie es machen, machen Sie es auch noch falsch. Wenn wir also darüber reden, wie wir Kinderarmut bekämpfen, dann ist es der richtige Weg, dass wir in öffentliche Institutionen investieren, dass wir die Angebote dort gratis oder sehr stark verbilligt zur Verfügung stellen.

Schulessen gibt es übrigens. Wir haben einen Fonds, der noch nicht einmal ganz ausgeschöpft ist. Wir haben das schon einmal zum Thema gehabt, Herr Minister, dass wir 5 Millionen Euro im Etat haben und uns darüber wundern, dass nur 3,5 Millionen Euro ausgeschöpft werden. Vielleicht sollten wir diesen Weg konsequent zu Ende gehen.

Ich bin dringend dafür, dass die Musikschulen, die wir in öffentlicher Hand haben, kostenlose Angebote für alle Kinder machen. Ich bin auch dringend dafür, dass die Museen solche Angebote konzeptioneller Art machen, wie Frau Sorge das erwähnt hat, damit mehr bildungsferne Schichten in die Museen kommen.

Wir brauchen ein ganzheitliches Konzept, um die Kinderarmut zu bekämpfen, und wir sind sehr skeptisch bei der Frage, ob man das im Fall des Antrags der SPD explizit auf einen Einzelfall, auf Sportvereine, fokussieren soll. Ich finde, die Überschrift Ihres Antrags korrespondiert nicht unbedingt mit dem Antragstext. Sie schreiben darin: „soziale Ausgrenzung von Kindern … verhindern“, aber unten geht es nur um Sportvereine. Insofern ist das ein Einzelaspekt, den wir so nicht für zustimmungsfähig halten. Im Moment würden wir uns bei der Frage ähnlich wie bei dem freien Eintritt in Museen eher enthalten. – Vielen Dank.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsident Frank Lortz:

Vielen Dank, Herr Kollege Bocklet.

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