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29.03.2012
Portraitfoto von Marcus Bocklet vor grauem Hintergrund.

Marcus Bocklet: Betreuungsgeld einführen – in frühkindliche Bildung investieren

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir befassen uns heute mit einem Plan auf Bundesebene, den wir für sehr kontraproduktiv halten. Die Bundesregierung plant die Einführung eines Betreuungsgeldes, das besser bekannt wurde unter dem Begriff der Herdprämie.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, meine Fraktion hält die Einführung dieser Herdprämie für finanzpolitisch falsch, für bildungspolitische falsch und geschlechterpolitisch für absoluten Unfug. Wir lehnen die Einführung ab.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Lassen Sie mich kurz die Gründe anführen. Es ist allein schon aus einem einzigen Grund völliger Irrsinn. Die Einführung dieser Herdprämie würde bundespolitisch rund 2 Milliarden Euro kosten. Ich möchte in Erinnerung rufen: Das sind genau die Kosten, die über fünf Jahre den Bundesländern zur Verfügung gestellt wurden für die Investitionskosten zur Schaffung von Betreuungsplätzen für Kinder unter drei Jahren. Es gab noch weitere 2 Milliarden Euro für die Betriebskosten, aber 2 Milliarden Euro wurden über fünf Jahre an die Länder gegeben, um U-3-Plätze zu schaffen.

Sie kennen alle die momentane Problematik. Jeder, der einen Wahlkreis hat und sich dort umhört, weiß, wie dramatisch die finanzpolitische Situation der Gemeinden ist, wie dringend jeder Euro fehlt, um entweder U-3-Plätze zu schaffen, Ganztagsplätze für Kindergärten oder Hortplätze. Was fällt in dieser Situation vor allem der CSU, aber auch Teilen der CDU ein? Es fällt ihnen nichts Besseres ein, als Geld dafür auszugeben, dass Frauen zu Hause bleiben. Das ist totaler Unfug.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der LINKEN)

Nein, wir wollen, dass dieses Geld eingesetzt wird für den dringend notwendigen Ausbau und für die Qualität frühkindlicher Bildung. Das ist jetzt notwendig.

Für uns gibt es eine klare rote oder grüne Linie. Wir müssen zunächst jeden Euro, der zur Verfügung steht, in die Wahlfreiheit von Männern und Frauen bei der Frage der Vereinbarkeit von Beruf und Familie stecken. Da brauchen wir jeden Euro bei der Investition in die Infrastruktur. In so einer Situation die finanzpolitische Priorität so zu setzen, dass wir sie zunächst einmal auffordern, zu Hause zu bleiben, ist und bleibt falsch. Das wird auch von vielen so geteilt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Lassen Sie mich in der Kürze der Zeit noch zwei weitere Argumente einführen. Gerade das Betreuungsgeld – Frau Wiesmann, dass wissen Sie – bietet für bildungsferne und zugleich einkommensschwache Eltern einen starken Anreiz, die Förderangebote für ihre Kinder nicht zu nutzen. Stattdessen werden sie sich die Geldleistung auszahlen lassen. Im Übrigen ist das zum Leben zu wenig und zum Sterben zu viel mit 100 oder 150 Euro, wie das geplant ist. Das hat auch nichts mit einer Grundeinkommensdebatte zu tun. Es ist eine Gießkanne, die ohne Sinn und Verstand ausgeschüttet wird.

Es wird ein Fehlanreiz gegeben, der das bildungspolitische Ziel konterkariert, mehr Kinder in die Frühförderung zu bekommen. Dabei belegen Studien, dass Kinder, die schon früh gefördert wurden, bessere Abschlüsse machen. Mit der Prämie würde das alles konterkariert, und deswegen ist die Herdprämie auch bildungspolitisch fatal.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Drittens. Wir haben interessante Zahlen aus Finnland. Dort wurde ein ähnliches Betreuungsgeld eingeführt. Wie es nicht anders zu erwarten war, sind vor allem Mütter bei solchen Anreizen länger zu Hause geblieben. Die Beschäftigungsquote bei Frauen ist durch Frauen, die das in Anspruch genommen haben, von 67 Prozent auf 48 Prozent zurückgegangen. Aber Frauen, die länger zu Hause bleiben, fällt der Wiedereinstieg in den Beruf deutlich schwerer. Das wird sie stärker unter Druck setzen, länger zu Hause zu bleiben. Deshalb ist es auch geschlechterpolitisch ein falscher Schritt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der LINKEN)

Ich glaube, wir GRÜNEN sind nicht die Einzigen. Lassen Sie mich in der Kürze der Zeit nur sagen: Die EU-Kommission sagt interessanterweise zu diesem Thema: „Wir wundern uns“, sagt die Sprecherin für den Arbeitsmarkt.

Einen solchen Anreiz einzuführen, der Eltern das Gefühl vermittelt, sie sollten zu Hause bleiben und einen Zuschuss erhalten, das ist kontraproduktiv für die Förderung der Beschäftigung.

Phillip Rösler sollte man erwähnen, solange er noch Bundesvorsitzender ist. Auch Phillip Rösler sagt: Wir müssen das Betreuungsgeld dringend überprüfen.

Selbst die Frauenunion auf Bundesebene, Frau Böhmer von der Frauen-Union

(Zuruf der Staatssekretärin Petra Müller-Klepper)

– ich kann es Ihnen zitieren, Frau Staatssekretärin –, sagt: Das Betreuungsgeld ist das falsche Instrument zur falschen Zeit. Es ist das falsche Signal. Es ist das falsche Ausgeben der Gelder, statt sie in gute Qualität, in Infrastruktur zu stecken und so eine tatsächliche Wahlfreiheit für alle Eltern zu ermöglichen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Liebe Landesregierung, verhindern Sie das. Im Moment wird auf Bundesebene noch gekämpft. Noch ist nicht entschieden. Noch wird über Modelle gestritten. Wir GRÜNE schlagen Ihnen ein Modell vor: Streichen Sie das Betreuungsgeld, uns stecken Sie es in die Infrastruktur. Wir erwarten von der Landesregierung, dass sie sich dafür einsetzt. – Danke schön.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der LINKEN)

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