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27.03.2012
Portraitfoto von Marcus Bocklet vor grauem Hintergrund.

Marcus Bocklet: Bekämpfung sexueller Gewalt gegen Kinder und Jugendliche verstärken

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! In der Tat sind zwei Jahre ins Land gegangen, seit wir hier das Aufkommen und Bekanntwerden von vielerlei Missbrauchsfällen diskutiert haben – angefangen von dem Kolleg in Berlin bis zur Odenwaldschule, viele katholische Internate waren betroffen. Daraus haben wir geschlussfolgert, dass es sich nicht lohnt, dieses Thema für parteitaktische Spielchen auszuschlachten. Vielmehr wollten wir gemeinsam versuchen, sexuelle Gewalt auf allen uns zur Verfügung stehenden Ebenen zu bekämpfen.

Nach langwierigen Arbeitsprozessen haben wir es geschafft, beieinander zu bleiben und eine gemeinsame Anhörung im Landtag durchgeführt. Es war eine sehr beeindruckende Anhörung mit zum Teil niederschmetternden Aussagen von Betroffenen. Ich muss Herrn Merz recht geben: Wir haben vereinbart, diese Anhörung auszuwerten und dann in die parlamentarischen Initiativen zu gehen. Ich hätte mir gewünscht, dass wir alle schneller damit gewesen wären. Da auch die Landesregierung in dieser Anhörung vielerlei Ankündigungen gemacht hat, hätte ich mir auch gewünscht, dass sie ihrem Aktionsplan bzw. den Handlungsempfehlungen, die seitens des Landespräventionsrats vorgelegt worden sind, schneller gefolgt wäre. Ich bin mir sicher, dass die Landesregierung – vermutlich in Gestalt von Herrn Minister Hahn – zu diesem Tagesordnungspunkt ans Pult treten und noch einmal ankündigen wird, was sie tun will.

Ich möchte aus unserer Sicht sagen, was wir für richtig halten. Ich glaube, dass die Kultur des Hinsehens vorgelebt werden muss. Ich glaube auch, dass man hier noch längst nicht optimal aufgestellt ist. Ich möchte in diesem Zusammenhang ein Beispiel über meine eigene parlamentarische Initiative vom Februar 2011 geben. Ich habe damals eine Anfrage zur sexuellen Gewalt gegenüber behinderten Menschen gestellt. Dazu hat die Landesregierung bekanntgegeben, dass sie keine Zahlen habe. Den Pflegekassen, dem Sozialministerium oder dem Landeswohlfahrtsverband liegen hierzu keine Informationen vor.

Es geht um die Frage von sexueller Gewalt gegen Behinderte in Einrichtungen. Man muss also zur Kenntnis nehmen, dass die Informationsbasis im Februar 2011 mehr als gering war. Zum 14. Februar 2012, etwa vor vier Wochen, kam eine Studie der Uni Bielefeld zutage, die bestätigt, dass etwa 20 % bis 30 % aller Behinderten in Einrichtungen sexuell misshandelt wurden oder werden. Legen Sie das einmal neben die Antwort der Landesregierung, die dokumentiert, dass man eigentlich nichts weiß. Wenn wir das zusammenbringen, müssen wir doch feststellen, dass hier etwas nicht zusammenpasst, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen: Die Kultur des Hinsehens darf am Ende so etwas nicht zutage fördern. Wenn wir wissen, dass wir nichts wissen, dann müssen wir fragen. Wenn dann eine Studie der Uni Bielefeld zutage fördert, dass 20 % bis 30 % behinderter Frauen in Einrichtungen misshandelt werden, können wir nicht so tun, als wenn wir nichts gesehen und gehört haben; denn diesen Auftrag haben wir vor zwei Jahren übernommen: Wir wollen hinsehen. – Das muss ein Gebot der Stunde sein.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN)

Ich will nicht mit Vorwürfen arbeiten. Aber ich muss sagen, dass wir dieses Versprechen noch zu erfüllen haben, stärker hinzuschauen und noch aktiver zu werden. Zwei Jahre sind ins Land gegangen, und ich will noch einmal die entscheidenden Punkte aufnehmen: Wir brauchen eine Bestandsaufnahme von der Opferberatung und der Präventionsarbeit, die in eine Bedarfsplanung überführt werden muss. Es darf nicht in Absichtserklärungen münden, dass wir das irgendwann einmal tun wollen, sondern wir brauchen eine konkrete Bestandsaufnahme, die in eine konkrete Bedarfsplanung überführt werden muss, die uns auch in finanzieller Hinsicht klar sagt, was noch geschehen muss.

Wir brauchen den Auf- und Ausbau von Fachberatungsstellen. Immer wieder sagen uns Beratungsstellen, dass gerade nach Ferien die Beratungszahlen unendlich ansteigen und ihre Kapazitäten weit erschöpft seien. Sie könnten die Opfer nur noch an andere Beratungsstellen verweisen, die vermutlich auch überfüllt seien. – Da muss etwas passieren.

Es muss auch etwas an den Curricula an Hochschulen, an Fachschulen, bei Berufsgruppen, bei Erziehern und Pädagogen, vor allem bei Polizisten und Juristen etwas getan werden; auch da gibt es bisher nur Absichtserklärungen. Das Verbindliche, Zugreifende als Handlung fehlt noch. Vor allem die Landesregierung muss ihre Hausaufgaben dort schneller machen als sie es bisher getan hat.

Noch einmal: Ich möchte keine Schuldzuweisungen aussprechen, wer etwas getan hat oder nicht. Aber der Konsens, dass wir gemeinsam marschieren, muss dazu führen, dass die Landesregierung tatsächlich auch am Tag X liefert und sagt, dass aus den Empfehlungen verbindliche Regelungen und Gesetze werden müssen. – Das müssen wir von der Landesregierung erwarten dürfen, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Vizepräsident Lothar Quanz:

Sie müssen gleich zum Schluss kommen, Herr Bocklet.

Marcus Bocklet:

Ich glaube, dass wir zu diesem Thema dringend Ergebnisse brauchen. Wir müssen den Opfern zeigen, dass wir nicht nur verbal auf ihrer Seite stehen, wir müssen auch dokumentieren, dass wir jede einzelne rechtliche Möglichkeit ausschöpfen, um zukünftige Opfer zu verhindern. Ich hoffe, wir schaffen es, diesen Weg gemeinsam zu gehen. – Danke.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Vizepräsident Lothar Quanz:

Danke, Herr Bocklet.

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