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16.12.2010
Portraitfoto von Marcus Bocklet vor grauem Hintergrund.

Marcus Bocklet: Ausbau der Jugendfreiwilligendienste und Einführung eines Bundesfreiwilligendienstes

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Zu später Stunde ein dennoch wichtiges Thema, wie wir finden.

(Zuruf des Abg. Leif Blum (FDP))

– Es ist nur dunkel, Schneesturm über Wiesbaden.

Es geht um die geplante Aussetzung der Wehrpflicht, die aller Voraussicht nach im Sommer nächsten Jahres in Kraft treten wird. CDU und FDP in Berlin haben beschlossen, die Wehrpflicht auszusetzen. Damit einher geht faktisch auch das Ende des Zivildienstes.

In Hessen haben wir die Situation, dass wir mehr als 5.900 Stellen im Zivildienst haben. Darüber hinaus haben wir noch weitere 3.400 junge Frauen und Männer, die ein freiwilliges soziales Jahr absolvieren.

Die Träger des freiwilligen sozialen Jahres gehen davon aus, dass sie weit mehr als doppelt so viele Interessenten für das freiwillige Jahr haben, das freiwillige soziale oder das freiwillige ökologische Jahr. Das heißt, es gibt einerseits einen hohen Bedarf und nur eine geringe Zahl von Plätzen für das freiwillige soziale Jahr. Andererseits werden knapp 6.000 Plätze des Zivildienstes wegfallen.

Was passiert nun?

Wir haben nun eine Situation in Berlin, in der man die Chance hätte nutzen können, dieses System der Freiwilligendienste völlig neu zu konzipieren.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir haben ein Bundesamt für den Zivildienst mit vielen Hundert von Stellen, mit einem äußerst großen Etat, und in vielen Bundesländern haben wir freiwillige soziale Dienste: Wir haben das freiwillige ökologische Jahr, wir haben „weltwärts“, wir haben „Kulturwärts“, wir haben Plätze in der Denkmalpflege und im europäischen Freiwilligenjahr – „kulturweit“ heißt das. Wir haben den „Freiwilligendienst aller Generationen“.

Wir haben einen großen Strauß unterschiedlicher Freiwilligendienste, auf Bundesebene wie auf Länderebene. Außerdem haben wir einen Etat von mehr als 180 Millionen € im Etat des Bundesamtes für den Zivildienst zur Verfügung. Angesichts dieser Situation hätten wir die historische Chance gehabt, eine Neukonzeptionierung in der Bundesrepublik herbeizuführen und Freiwilligendienste unter einem Dach neu zu konzipieren und dabei zugleich eine Vielfalt verschiedener Freiwilligendienste zu erhalten.

Unser Vorschlag dazu war recht einfach. Wir haben gesagt, die Bundesfamilienministerin könnte sich mit den Länderfamilienministerinnen oder den zuständigen Ministern gemeinsam an einen Tisch setzen und sagen: Wir schaffen ein bundesweites Dach, und darunter werden wir eine Struktur einführen, bei der der Bund die Rahmengesetzgebung macht, die Richtlinien setzt, die Länder ausführend sind, die Plätze anerkennen und auch die Gelder auszahlen. Das wäre eine einfache Sache gewesen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Genau deshalb haben wir das auch in einem Entschließungsantrag formuliert. Denn die Pläne der Bundesfamilienministerin sind unbefriedigend.

Sie sind deshalb unbefriedigend, weil sie faktisch einen Bundesfreiwilligendienst schafft. – Im Gespräch war ein freiwilliger Zivildienst. Dieses Etikett hat man jetzt begraben. Jetzt aber kommt heraus: Es wird einen bundesweiten Freiwilligendienst geben – aber als zweite Säule neben der Vielzahl der Länderfreiwilligendienste, die es schon gibt.

Das ist eine absurde, teure Doppelstruktur. Sie ist intransparent und viel zu teuer. Das lehnen wir GRÜNE ab.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Angesichts dieser bundesweiten Doppelstrukturen – stehen wir GRÜNE mit unserer Kritik daran alleine? Sagen alleine wir GRÜNE, dass das Quatsch ist und man aufhören soll, Doppelstrukturen einzuführen, anstatt jetzt zu sagen: eine einzige Adresse, eine gute gleiche Finanzierung für alle Freiwilligenjahre?

Nein, wir stehen nicht allein. Wir haben an unserer Seite die FDP.

Die FDP wehrt oder wehrte sich gegen die Zukunftspläne der Familienministerin Kristina Schröder. „Die FDP wird keiner Regelung zustimmen, die künftig ein Zweiklassensystem bei Freiwilligendiensten schafft“, sagt der Experte Florian Bernschneider; für seine Partei habe der Ausbau bestehender Angebote eindeutig Priorität. Er fügte hinzu: Dass die unterschiedlichen Förderungen, die noch kommen werden – nämlich dass ein Land wie Hessen sein freiwilliges soziales Jahr nur mit 200 € fördert, der Bundesfreiwilligendienst für einen Platz aber eine Förderung von 500 € erhält –, ein solcher Unterschied sei völlig untragbar, sagt Herr Bernschneider von der FDP; und wir GRÜNE sagen: Recht hat er.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsident Heinrich Heidel:

Herr Kollege, Sie müssen zum Schluss kommen.

Marcus Bocklet:

Ich komme zum Schluss.

Ich freue mich, dass auch Herr Grüttner das so gesagt hat – dass es nämlich Doppelstrukturen gibt, die er ablehnt.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, unser Entschließungsantrag zielt darauf ab, noch einen Versuch zu unternehmen, diese historische Chance zu nutzen, um Doppelstrukturen vermeiden und eine einheitliche Struktur für Bundesfreiwilligendienste unter einem Dach zu schaffen – gleiche Förderung und gleiche Bedingungen für alle. Das macht es attraktiver und interessanter für viele Freiwillige, die wir jetzt dringend benötigen. – Herzlichen Dank.

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