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13.12.2012
Portraitfoto von Marcus Bocklet vor grauem Hintergrund.

Marcus Bocklet: Auch Hessen braucht den Mindestlohn

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kollegen der SPD, es tut mir leid, dass ich aus dem Modewettbewerb, wer die schönere Krawatte trägt, ausscheiden muss. Ich werde einen Kurs besuchen, der zeigt, wie man eine Krawatte bindet.
Herr Kollege Decker, der sozialpolitische Sprecher, Sie haben meine Hochachtung. Sie führen diesen Wettbewerb mit großem Abstand an. Das wollte ich als Vorbemerkung sagen.
Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, sehr verehrte Damen und Herren, 1,3 Millionen Menschen sind in diesem Land trotz Erwerbstätigkeit auf das Arbeitslosengeld II angewiesen. Ein Viertel von ihnen arbeitet sogar in Vollzeit und braucht trotzdem diese Aufstockung. Armut trotz Arbeit in einem der reichsten Länder der Welt, das ist schlicht und einfach beschämend. Dennoch tun CDU und FDP nichts. Wir halten das für skandalös.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Ein allgemeiner Mindestlohn ist die elementare Grundlage sozialer Gerechtigkeit. Schwarz-Gelb ist dazu nicht in der Lage. Ihr jahrelang vorgetragenes Mantra, Leistung müsse sich wieder lohnen, gilt offensichtlich immer nur für die Spitzenverdiener. Der Mensch mit geringem Einkommen hat da offensichtlich nie interessiert.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Das ist ein bemerkenswertes Zitat:
Das in Deutschland über 1 Million Menschen für weniger als 5 Euro Stundenlohn arbeiten, muss ein Ende haben. Das ist eine Frage der Gerechtigkeit.
Dieses Zitat stammt von Hermann Gröhe, dem CDU-Generalsekretär. Er hat das im Frühjahr 2012 gesagt. Er hat recht. Aber die CDU zieht nicht die richtigen Konsequenzen.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Liebe Kolleginnen und Kollegen der CDU, sehr verehrter Herr Ministerpräsident, viele von Ihnen haben die Analyse vollzogen. Sie haben erkannt, dass es dort ein Problem gibt. Sie haben sich auf Ihrem Bundesparteitag auch damit beschäftigt. Es mag sein, dass Ihr Lohnuntergrenzenmodell, das auf Ihrem Parteitag beschlossen wurde, Ihnen als großer Schritt erscheint. Aber er ist für die Beschäftigten in diesem Lohnbereich zu klein. Das ist zu wenig.
Das ist ein windelweicher Kompromiss. Er lässt Millionen Niedriglohnbeschäftigte im Regen stehen. Ihre Mindestlohngrenze light ist nämlich keine wirksame Lohnuntergrenze. Das soll nämlich nur in Branchen ohne Tarifvertrag gelten. Wir könnten da wieder über die bereits viel zitierte Friseurin aus Sachsen reden, die zum tarifvertraglich vereinbarten Stundenlohn von 3,06 € arbeiten muss.
Wir könnten uns genauso gut den vielen Beschäftigten im Hotel- und Gaststättengewerbe, dem Gartenbau oder der Landwirtschaft widmen. Es ist immer so: Sobald es einen Tarifvertrag gibt, wollen Sie mit Ihrer Regelung die Betriebe von der allgemeinen Lohnuntergrenze ausnehmen. Das wissen Sie genauso gut: Damit öffnen Sie Dumpingtarifverträgen mit Scheingewerkschaften Tür und Tor. Das hat mit Gerechtigkeit überhaupt nichts zu tun.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)
Sie wissen: Wir GRÜNEN wollen einen generellen Mindestlohn in Höhe von 8,50 Euro pro Stunde. Wir wollen, dass der Mindestlohn jährlich angepasst wird. Das soll wie in Großbritannien mit einer Kommission geschehen, in der die Vertreterinnen und Vertreter der Sozialpartner und der Wissenschaft sitzen.
Wer es mit sozialer Marktwirtschaft ernst meint, der sagt auch Ja zu einem Ordnungsrahmen, der für faire Arbeitsbedingungen sorgt und der sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze erhält. Wer es mit der sozialen Marktwirtschaft ernst meint, sagt auch Ja zu einem echten Mindestlohn und beendet endlich die Blockadepolitik in dieser Frage.
Wir wollen, dass sich in diesem Land endlich etwas bewegt. Ich glaube, dass sich in den nächsten Monaten bis zum Ende der Wahlperiode im Bund daran nichts mehr ändern wird. Es ist schon bemerkenswert, dass Herr Bouffier gesagt hat:
Die FDP ist meiner Ansicht nach nicht auf dem richtigen Weg, …
Herr Bouffier, ich glaube, Sie haben in der Tat in der Analyse recht. Sie haben festgestellt, dass Sie ein Problem haben. Viele Menschen in diesem Land nehmen das als ein riesengroßes Problem sozialer Gerechtigkeit wahr. Sie haben einen, wie wir finden, untauglichen Versuch unternommen, das Problem anzugehen. Aber wie heißt es so schön im Volksmund:
Unter den Blinden ist der Einäugige König.
Wenn Sie Herrn Hahn in dem Sinne beraten würden, er möge sich öffnen, dann hätten wir wenigstens zwei Einäugige. Aber dieses Land braucht Zweiäugige. Wir müssen das Problem richtig angehen. Wir brauchen einen Mindestlohn, der diesem Land tatsächlich weiterhilft. Das gibt es weder bei der CDU noch bei der FDP. Insofern bitte ich Sie, sich im Interesse aller Menschen dieses Landes zu bewegen. – Danke schön.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD sowie des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))
Vizepräsident Frank Lortz:
Herr Kollege Bocklet, vielen Dank.

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