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18.12.2014
Portraitfoto von Marcus Bocklet vor grauem Hintergrund.

Marcus Bocklet: Amazon – Tarifautonomie achten, Verhandlungen führen

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Landtag diskutiert zum wiederholten Male das Geschäftsgebaren der Firma Amazon und den Umgang mit seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Ich möchte das vorweg sagen, was man in einem solchen Fall sagen muss wie diesem aktuell, wenn es um Tarifauseinandersetzungen geht: Selbstverständlich halten wir als Regierungskoalition – und ich denke, das tun alle Abgeordneten hier – nach wie vor an dem guten Konsens fest, dass die Tarifautonomie ein hohes Gut ist und aus guten Gründen unabhängig von politischer Einflussnahme sein muss. Das gilt auch in dieser Stunde.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Es muss aber auch klar sein, dass wir alle als Parteien nicht frei davon sind, da wir der Meinungsbildung anheim liegen, eine Haltung einzunehmen. Über diese Haltung können wir gern reden. Wenn ich auch nicht immer die Wortwahl und den Duktus der Linkspartei teile, den sie auch heute wieder geäußert hat, so kann es doch rückblickend, zumindest während der letzten zwei, drei Jahre doch keinen Zweifel daran geben, dass das Geschäftsgebaren von Amazon wahrlich kein Ruhmesblatt ist.

Noch 2013 ging es um die Fragen, wie ausländische Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nach Hessen geholt und dort betreut worden sind. Wir haben es hier diskutiert und verurteilt. Noch im Jahr 2013 haben wir uns darüber unterhalten, dass im Lager Koblenz von 3.300 Beschäftigten gerade einmal 200 unbefristet angestellt waren, während 3.100 befristet angestellt waren. Das muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen, und dazu muss man auch eine Position beziehen.

Als Verbraucher, der jeden Tag auch online einkauft, möchte ich natürlich bequem und günstig einkaufen. Aber wir alle – das unterstelle ich uns allen – wollen das nicht auf dem Rücken von dort beschäftigten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, wir wollen es nicht zu Dumpinglöhnen und schlechten Arbeitsbedingungen. Das wollen wir nicht, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU sowie des Abg. Torsten Warnecke (SPD))

Nun geht es um einen Arbeitskampf. Es geht um die Frage, welcher Bereich zuständig sein wird, Frau Wissler. Deswegen lassen Sie mich noch einmal sagen: Unsere Haltung bzw. unsere politische Auffassung ist relativ eindeutig, wenn man sich Quelle, Neckermann oder Otto ansieht – wenn das Versandhandel ist, warum, sollte Amazon kein Einzel- oder Versandhandel sein? Das ist in der Tat eine Haltung, und deswegen können wir nur Unverständnis darüber äußern. Deshalb steht es auch noch einmal in unserem Antrag.

Natürlich – und das ist gar nicht so witzig, Herr Lenders, Sie haben es gerade angesprochen – ist es auch ärgerlich für die Verbraucherinnen und Verbraucher, wenn sie Opfer eines Arbeitskampfes werden, und deswegen kann man es durchaus einmal sagen. Wir haben Verständnis dafür, dass die Verbraucher den Kopf darüber schütteln und sagen, sie würden Opfer eines Streiks, ob er nun berechtigt ist oder nicht. Dafür kann man erst einmal Verständnis haben.

(Beifall der Abg. Angela Dorn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Wichtiger aber ist, dass Amazon sein Geschäftsgebaren dringend überprüft, dass es endlich dazu kommen muss, dass es dort faire, soziale Arbeitsbedingungen gibt, und dass es endlich an den Verhandlungstisch zurückkehrt bzw. sich überhaupt erst einmal an den Verhandlungstisch setzt, damit darüber verhandelt werden kann. Das halten wir für selbstverständlich. Deswegen geht von uns auch diese Haltung aus, dass das, was im Moment seitens der Firma Amazon in Bad Hersfeld und anderswo passiert, nicht zu tolerieren ist. Wir finden, es braucht hier dringend Verhandlungen, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU sowie der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))

Ich sage es noch einmal: wir wollen alle gern günstig und bequem einkaufen, aber wir wollen es nicht auf dem Rücken der Beschäftigten tun. Wenn Sie jetzt diesen Fall vortragen, Frau Wissler: Ihr Antrag zu dem, was das Regierungspräsidium gemacht hat, wird zum Schluss in den Ausschuss gehen. Wir müssen Ihre Aussagen schlicht und ergreifend prüfen, ich wusste davon bis zum heutigen Tage nichts. Sie können es uns gern schriftlich zukommen lassen. Wir werden uns dieser Sache annehmen und uns der Frage stellen.

Nur eines sollten wir nicht tun: Die Frage der Sonntags- und Feiertagsarbeit ist eine Sache, ob es Sondergenehmigungen gibt, das müssen wir auf einer Seite stehen lassen. Wir haben eine klare Haltung dazu. Wir wollen keine Sonntagsarbeit. Es gibt einschlägige Gerichtsurteile, die dazu auffordern, die Sonntagsarbeit auf ein absolutes Minimum zu reduzieren. Dazu stehen wir eindeutig.

(Beifall der Abg. Angela Dorn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Was das aber nun mit dem Streik, dem Streikrecht und dem Streikbruch zu tun hat, ist eine ganz andere Geschichte.

(Zuruf der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))

Ich sage es deshalb, weil es egal ist, wann die Firma arbeitet – morgens, mittags, abends, nachts oder sonntags: Streik gilt dann immer. Selbstverständlich kann das nicht zum Sreikbrechen beitragen. Vielleicht wäre es eine politisch zu diskutierende Frage. Aber ob das eine mit dem anderen zusammenhängt, sehe ich im Moment so, als würde etwas in einen Topf geworfen, zusammen umgerührt und dann ein Streikbruch daraus interpretiert. Das finde ich etwas wagemutig.

(Zuruf von der LINKEN)

Aber wir sagen zu, dieser Frage nachzugehen; denn wir haben ja einschlägige Urteile zum Thema Sonntagsarbeit. Wir wollen also gern überprüfen, worum es da geht. Wir werden dazu auch politisch Rede und Antwort stehen, das ist überhaupt kein Thema. Aber einen Streikbruch auszurufen über eine Frage, die erst einmal nichts damit zu tun hat, finde ich zunächst etwas bizarr.

(Zuruf der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))

Bevor wir schon „Skandal“ rufen, sollten wir uns deswegen dieser Sache annehmen, welche Rechtsgrundlagen zugrunde lagen, warum es passiert ist und was das eine mit dem anderen zu tun hat. Dem werden wir nachgehen und Rede und Antwort stehen.

Wichtiger finde ich aber, dass wir in dieser Stunde klarmachen, dass wir in diesem Bundesland nur Unternehmen wollen, die tatsächlich auch darauf achten, dass es arbeitsrechtlich gute Bedingungen gibt, dass es sozialpolitisch gute Bedingungen gibt und dass auch die Verbraucherinnen und Verbraucher günstig und bequem einkaufen wollen, aber sie wollen auch gute Arbeitsbedingungen für diejenigen, die die Produkte erarbeiten oder verschicken. Über diese Haltung gibt es wohl keinen Zweifel in diesem Raum, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Ich wiederhole es noch einmal: Wir wollen uns da nicht einmischen, aber wir wollen, dass es zu einer zügigen Einigung kommt. Eine zügige Einigung kann es immer nur geben, wenn sich alle zuständigen Partner an einen Tisch setzen, und dazu fordern wir dringend auf. – Ich danke Ihnen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Vizepräsident Wolfgang Greilich:

Vielen Dank, Herr Kollege Bocklet.

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