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28.04.2015
Portraitfoto von Marcus Bocklet vor grauem Hintergrund.

Marcus Bocklet: Änderung des Maßregelvollzugsgesetzes

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Gestatten Sie mir eine Vorbemerkung. Frau Kollegin Schott, ich habe selten eine Rede erlebt, die so wenig deckungsgleich mit den Realitäten in der Forensik war. Das muss ich einfach einmal so sagen.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Ich muss das wirklich sagen. Ich bin darüber ein bisschen erschrocken. Wir reden nicht über eine vollständige Blackbox. Frau Dorn und ich waren vor wenigen Wochen in der Forensik in Gießen. Sie sollten die Abläufe mitbekommen. Das reicht von der Verurteilung eines Straftäters, der teilweise oder ganz schuldunfähig ist über die Einweisung bis zum Empfang, der Begleitung und Betreuung durch das Personal in diesen Einrichtungen mit Ärzten, Psychiatern, Psychologen und Therapeuten. Das geht hin bis zu der jahrelangen Behandlung mit dem Ziel, diese Menschen zu resozialisieren und wieder auszugliedern.

Wenn Sie das alles sehen, dann frage ich mich wirklich: Worüber haben Sie hier geredet?

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Von dieser Stelle aus herzlichen Dank an alle, die dort arbeiten. Ich muss das hier wirklich einmal sagen, nachdem wir die Einrichtung dort besucht haben: Herzlichen Dank an alle die Menschen, die dort jeden Tag mit diesen Zielgruppen arbeiten, mit diesen Menschen – –

Vizepräsident Wolfgang Greilich:

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Abg. Schott?

Marcus Bocklet:

Gleich, Frau Schott. – Ich muss erst einmal meine Erschütterung zum Besten geben,

(Zuruf der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))

dass das nicht so ist, wie Sie das sehen. Das ist von hinten aufgezäumt. Wenn Sie behaupten, das seien völlig entrechtete Menschen: Wir haben doch in einem Vortrag gehört, wie viele Möglichkeiten diese Personen haben, ihre Beschwerderechte zu nutzen, bis hin zum Gericht, zum Petitionsausschuss, bei den jeweiligen Ämtern und vieles mehr. Uns wurde gezeigt und dokumentiert, wie häufig bestimmte Insassen davon Gebrauch machen. Ich verstehe Ihre Rede nicht – wie Sie ein solches Bild zeichnen können. Und jetzt kommen wir mit diesem Gesetzentwurf und erweitern diese Rechte um ein neues, ein zehntes, nämlich die Besuchskommission. Die kann dort unangemeldet Besuch abstatten und das kontrollieren. Ich kann nur sagen: ein guter Fortschritt für Hessen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Wir reden nicht über eine Psychiatrie, sondern wir reden über Forensik. Wir reden über Straftäter, die mehrfach straffällig geworden sind. Wir reden da nicht über Kindergeburtstage. Das sind mehrfach straffällig Gewordene. die mit schwersten kriminellen Taten belegt sind, die rechtskräftig verurteilt worden sind und denen man attestiert hat, dass sie schuldunfähig oder teilweise schuldunfähig sind – weil sie unter anderem auch psychiatrische Erkrankungen haben.

Die Frau Kollegin Klaff-Isselmann hat Recht: Da geht es auch um Fragen der Sicherheit. Ich bin damit zufrieden, dass wir die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts jetzt umsetzen, dass dort Rechtssicherheit geschaffen wird und das Personal in diesen Einrichtungen weiß, was es darf und was nicht. Meine sehr verehrten Damen und Herren, das ist heute ein richtiges Signal an diese Einrichtungen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Wie gesagt: Ich bin der festen Überzeugung, dass dort wirklich mit größtem Augenmaß gearbeitet wird. Aber trotz alledem haben wir nach der ersten Lesung, nach der Anhörung noch weitere Verbesserungen in diesen Gesetzentwurf hineingeschrieben. Lassen Sie mich neben der Besuchskommission noch die wiederholte Forderung nach Sitzwachen anführen, wenn es zu einer Zwangsbehandlung kommt. Zukünftig wird es verpflichtend Sitzwachen geben. Es gab die Forderung einer Dokumentationspflicht nach Zwangsbehandlungen. Denn wir wissen, allein durch Dokumentationspflichten werden schon die medikamentösen Behandlungen, die Zwangsbehandlungen reduziert. Auch bei der Fachaufsicht haben wir Einschränkungen vorgenommen: Sie darf zwar regeln, aber sie darf nicht in die Therapiefreiheit der Ärzte eingreifen. Und wir haben neu geregelt, dass die Therapiepläne nicht über die Köpfe der Betroffenen hinweg, sondern mit den Betroffenen erarbeitet werden. Wir haben also fünf Punkte aus der Anhörung herausgearbeitet.

Die Stellungnahmen waren überwiegend positiv: Von 30 Anzuhörenden haben 28 diesen Gesetzentwurf begrüßt. Die beiden, die ihn kritisch gesehen haben, haben das an der Besuchskommission festgemacht, an der Fachaufsicht, an der Dokumentation und an den Sitzwachen. Das alles haben wir jetzt verbessert. Es gibt keinen nennenswerten Widerstand gegen dieses Gesetz, und ich finde das auch gut so.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Wir schaffen tatsächlich eine gute, ausgewogene rechtliche Grundlage, um diesen Menschen zu helfen. Für alle, die wir hier sind – ich weiß es auch für die Kolleginnen und Kollegen von der CDU, und für uns GRÜNE kann ich es definitiv sagen: Zwangsbehandlungen sind immer ein letztes Mittel, aber sie müssen möglich sein. Wenn sie möglich sind, muss klar sein, wie sie durchgeführt werden, damit sie rechtssicher sind. Erst dann kann diesen Menschen überhaupt wieder geholfen werden. Alle, die eine solche Einrichtung besucht haben, werden das bestätigen. Unter Umständen ist es lebensnotwendig, dass so etwas passiert. Die Einrichtungen sind uns dankbar, dass es jetzt zügig und schnell kommt. Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich sage: Gut, dass wir so schnell gehandelt haben.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Mit diesem Maßregelvollzugsgesetz werden wir ein Gesetz schaffen, das mit Augenmaß vorgeht, das Sicherheitsaspekte mit den Rechten der Patienten, der Insassen, der Straffälligen mit Schuldeinschränkungen abwägt. Diese Abwägung ist gut gelungen. Wir haben erhobenen Hauptes und auf Augenhöhe mit den Betroffenen geredet, bei den vielen Klagen, die es dort gab: Beachtet ihr auch wirklich die Bürgerrechtslage? Wir haben das wirklich klug ausgewogen, klug ausdiskutiert, und wir haben das in der Anhörung zur Geltung kommen lassen. Wir haben das an den fünf Punkten verankert – der Besuchskommission und dem vielen anderen.

Ich muss auch den sachlichen Redebeitrag der Kollegin Frau Dr. Sommer im Sozialausschuss anführen. Ich bin froh, dass die SPD wahrgenommen hat, dass es nach der Ersteinbringung des Gesetzentwurfs – da ist Herr Dr. Spies sehr vehement aufgetreten – – Ich bin froh, dass die Anhörung bei Ihnen dazu geführt hat, dass Sie den Gesetzentwurf nicht ablehnen, sondern sich enthalten werden. So haben Sie es jedenfalls angekündigt. Dafür möchte ich mich bedanken. Das ist eine sachliche Diskussion, die wirklich eine große Mehrheit in diesem Hause finden wird – für einen Gesetzentwurf mit Augenmaß und Weitsicht. Ich möchte mich dafür ganz herzlich bedanken, wenn wir das heute verabschieden.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Vizepräsident Wolfgang Greilich:

Vielen Dank, Herr Kollege Bocklet.

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