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23.05.2013
Portraitfoto von Marcus Bocklet vor grauem Hintergrund.

Marcus Bocklet: Änderung des Hessischen Kinder- und Jugendhilfegesetzbuches

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich glaube, Herr Kollege Merz, so,weit liegen wir in unseren Auffassungen nicht auseinander, als dass Sie sich nicht noch wenige Minuten gedulden könnten.

140.000 Unterschriften, liebe Kolleginnen und Kollegen,

(Zuruf von der CDU)

von Erzieherinnen und Erziehern, von Eltern, von Familien, die gegen diesen Gesetzentwurf protestiert haben – das ist der seit Jahrzehnten massivste Protest gegen eine Gesetzesvorlage. Wir haben bis zum Schluss gehofft, dass bei der Landesregierung oder bei den sie tragenden Fraktionen Einsicht einkehrt. Die Uneinsichtigkeit hat sich aber durchgesetzt. Wir GRÜNEN betonen: Das Kinderförderungsgesetz in der vorliegenden Fassung war falsch, ist falsch und bleibt falsch.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Bis heute trudeln Protestschreiben ein. Ich habe gerade wieder ein Bündel Schreiben aus meinem Fach genommen. Städte, Kommunen und sonstige Träger protestieren. Es nimmt kein Ende.

(Zuruf des Abg. Manfred Pentz (CDU))

– Die haben wir uns gegenseitig geschickt? – Liebe Kolleginnen und Kollegen der FDP und der CDU, das ist eine Form von Realitätsverlust. Besser kann man das eigentlich nicht beschreiben.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Wenn Sie wirklich glauben, dass wir uns das selbst schreiben, haben Sie die Zeichen der Zeit wirklich nicht verstanden. Die geistige Armut, die Sie hier an den Tag legen, ist kaum mehr zu unterbieten.

(Zurufe von der CDU)

Wir können gerne noch einmal über die Frage diskutieren: Welche Herausforderungen müsste ein zukunftsgewandtes Kinderförderungsgesetz erfüllen? Nehmen wir in der Kürze der Zeit nur das Beispiel Grundschulkinderbetreuung – wir könnten über viele Punkte reden, wir haben auch schon über viele gesprochen –, weil wir der Auffassung sind, dass das das größte Kinderbetreuungsproblem im Lande Hessen darstellt. Nur 400 der 1.200 Grundschulen – das ist schon großzügig gerechnet – haben eine Landesförderung bekommen. Zehntausende von Eltern haben noch immer keinen Grundschulbetreuungsplatz gefunden. Sind Sie dieses Thema im KiFöG angegangen? – Nein. Das zeigt, dass Sie eine der größten Herausforderungen nicht verstanden haben.

Frau Wiesmann, wenn Sie darauf hinweisen, dass das eine kultusministerielle Angelegenheit sei, dann will ich Ihnen sagen: Die Ausbaugeschwindigkeit liegt bei 60 Grundschulen pro Jahr. Bei diesem Ausbautempo brauchen wir noch weitere zwölf Jahre, bis wir eine flächendeckende Grundschulkinderbetreuung haben. Das wollen wir nicht – aber vielleicht Sie.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Ich will gar nicht auf die Details eingehen, z. B. Betreuung von Dienstag bis Donnerstag nur bis 14:30 Uhr. Das ist ja schon Kleingedrucktes und würde die Regierungsfraktionen wahrscheinlich überfordern. Sie brauchen doch nur darüber nachzudenken, wie der Minister auf die Anmerkung geantwortet hat, dass es einen errechneten Bedarf an Kinderbetreuungsplätzen für Kinder unter drei Jahren gibt, nämlich 58.000 Plätze. Dazu hat der Sozialminister am Dienstag in der Mündlichen Fragestunde gesagt: „Was interessieren mich denn die Wünsche der Eltern? Wir werden doch erst am 1. August wissen, wie hoch die Nachfrage ist.“ – Das ist doch gelebte Ignoranz. Man nimmt gar nicht zur Kenntnis, wie der Bedarf in diesem Lande ist.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Sie nehmen die Sorgen der Eltern, wen es um eine qualitativ gute Kinderbetreuung geht, nicht ernst. Schauen Sie sich doch den Fachkräftebedarf und den Fachkräftemangel an. Seit fünf Jahren wissen Sie, dass wir auf einen Fachkräftemangel zusteuern. Im Jahr 2007 und zuletzt im Jahr 2009 haben die GRÜNEN ein Sofortprogramm gefordert, um den Erzieherinnen- und Erziehermangel zu bekämpfen. Hätten Sie damals auf uns gehört, hätten wir heute genug ausgebildete Erzieherinnen und Erzieher. Das haben Sie verschlafen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zum Thema Qualität. Zur Finanzierung mussten Sie doch gezwungen werden. Sie haben sich nämlich geweigert, bei der Mindestverordnung eine auskömmliche Finanzierung der Kommunen sicherzustellen. Die Kommunen haben mehrere Jahre verloren, ein eigenes Potenzial aufzubauen, eigenständig noch mehr Kinderbetreuung anzubieten. Erst durch ein Urteil wurden Sie gezwungen, bei der Mindestverordnung eine auskömmliche Finanzierung vorzunehmen.

Nach diesen verlorenen Jahren, nach der Tatsache, dass Sie gezwungen werden mussten, kommt jetzt hinzu, dass Qualitätsabsenkungen doch möglich sind. Vor allem dann, wenn der Kämmerer in der Tür steht und auf das KiFöG deutet, bedeutet das die Gefahr und das Risiko, dass es in diesem Land zu Qualitätsabsenkungen in der Kinderbetreuung kommt. Wir GRÜNEN wollen keine Qualitätsabsenkungen in Kinderbetreuungseinrichtungen. Das KiFöG ist Murks, und es bleibt auch Murks.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD – Zurufe von der CDU)

Präsident Norbert Kartmann:

Herr Kollege, Ihre Redezeit ist zu Ende.

Marcus Bocklet:

Diese Landesregierung und die Fraktionen der CDU und der FDP haben sage und schreibe fünf Jahre gebraucht, um diesen Gesetzentwurf vorzulegen, der annähernd den Herausforderungen einer aktuellen, zukunftsgewandten Kinderbetreuung auch nicht gerecht wird. Das ist zutiefst blamabel. Der Wechsel ist nötiger denn je.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

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