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19.05.2010

Kordula Schulz-Asche zum Feiertagsgesetz

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Liebe Frau Kollegin Schott, in vielen Punkten, die Sie hier als Missstände aufgezählt haben, gebe ich Ihnen völlig recht. Aber Sie sind zum zweiten Mal die eigentliche Erklärung schuldig geblieben, was ein Feiertag dazu beiträgt, diese Missstände abzustellen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der CDU und der FDP)

Wenn ich mir diesen Gesetzentwurf zum zweiten Mal anschaue und auch dieAnhörungsunterlagen, dann glaube ich, wir tun der Frauenpolitik im 21. Jahrhundert keinen Gefallen, wenn wir mit Wünsch-dir-was-Anträgen in diese Debatte gehen. Ihr Antrag ist ja noch mehr als Wünsch-dir-was. Ich glaube, er ist tatsächlich kontraproduktiv.

Wenn wir heute die gleiche Stellung der Geschlechter fordern, dann muss man Prioritäten setzen, gerade auch in finanzieller Hinsicht. Sie haben gerade gesagt, dass man Unternehmen dadurch, dass sie höhere Ausgaben für einen Feiertag haben, dazu zwingt, bessere Löhne zu zahlen, das ist eine Argumentation, die an Absurdität kaum noch zu übertreffen ist.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU – Zuruf des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Meine Damen und Herren, natürlich ist ein zusätzlicher Feiertag mit zusätzlichen Kosten verbunden. Deswegen teile ich völlig das, was die hessischen Frauenbeauftragten in der Anhörung in ihrer Stellungnahme gesagt haben. Sie haben gesagt, sie können die Intention ihres Vorschlags durchaus nachvollziehen, aber sie fordern andere Prioritäten – weil wir zur Gleichstellung der Geschlechter wollen und nicht zu einer reinen Wünsch-dir-was-Politik, wie Sie das machen.

Meine Damen und Herren, zu diesen Prioritäten gehört – ich zitiere aus der Anhörung, aus der Stellungnahme der Frauenbeauftragten des Landes Hessen:

Die Verabschiedung eines Gesetzes zur Gleichstellung für die Privatwirtschaft, die existenzsicherenden Einkommen für Frauen – und natürlich für Männer –, um drohender Altersarmut entgegenzuwirken. Dazu gehören alle Maßnahmen, die zur paritätischen Besetzung von Aufsichtsräten und natürlich von Gremien führen. Dazu gehört eine bedarfsdeckende Kinderbetreuung bester Qualität. Dazu gehören andere Maßnahmen der Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Dazu gehört eine ausreichende finanzielle Absicherung von Frauenhäusern, Beratungsstellen und Interventionsstellen gegen Gewalt und die Verabschiedung des Hessischen Aktionsplans gegen häusliche Gewalt.

Meine Damen und Herren, dazu gehören auch Bleiberechtsregelungen für Frauen, die Opfer von Gewalt werden und in unserem Land kein ausreichendes Bleiberecht haben. Dazu rechne ich z. B., um das auch zu erwähnen, die Frauen, die Opfer von Menschenhandel werden und hier zur Prostitution gezwungen werden.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das sind die Prioritäten, die auf der Tagesordnung stehen, und hierzu trägt kein Feiertag bei.

Meine Damen und Herren, das zeigt auch, dass Sie sich nicht ernsthaft mit der Frage auseinandersetzen, welche Gesellschaft wir wollen, welchen Staat wir wollen. Für mich bedeutet dieser Staat, dass wir die Vielfalt von Frauenleben, auch die Vielfalt von Männerleben endlich in ihrer Vielfalt wahrnehmen. Dazu gehören keine Massenveranstaltungen. Was soll es bringen, wenn wir alle Frauen, die an Frauengleichstellung interessiert sind, zu einer Veranstaltung bringen, wo irgendwelche Funktionäre oder Funktionärinnen uns mit langweiligen Reden löchern?

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Das ändert doch nicht die Welt, sondern die Frauen und die Männer, die vor Ort konkret an der Geschlechtergerechtigkeit arbeiten, sind die diejenigen, die die Welt verbessern, die die Welt verändern. Diese Möglichkeiten möchte ich erhalten und ausbauen. Deswegen halte ich die Konzentration auf einen einzelnen Feiertag für völlig kontraproduktiv in dieser Frage.

(Zuruf von der CDU)

Wir haben ungefähr zwei bis drei Wochen im Umfeld des 8. März, in denen an vielen Orten in den Betrieben, in den Kommunen Veranstaltungen stattfinden. Diese Veranstaltungen haben drei Ziele:

erstens – die bessere Vernetzung, um tatsächlich Geschlechtergerechtigkeit zu erreichen,

zweitens – die Stärkung der Initiativen vor Ort, die sich um ganz konkrete Probleme kümmern. Sie zu stärken, das verändert tatsächlich das Leben und das Zusammenleben von Menschen.

Drittens brauchen wir im 21. Jahrhundert Strategien, die dazu führen, Geschlechtergerechtigkeit in allen gesellschaftlichen Bereichen zu entwickeln. Dazu brauchen wir nicht nur die Frauen, sondern dazu brauchen wir selbstverständlich auch die Männer.

Das geht am besten vor Ort mit ganz konkreten Maßnahmen, täglich und in konkreten Einzelaktionen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der CDU und der FDP – Zuruf des Abg. Dr. Rolf Müller (Gelnhausen) (CDU))

Meine Damen und Herren, der Internationale Frauentag am 8. März ist ein wichtiger Tag in unserer Gesellschaft. Er ist im 21. Jahrhundert der Ausdruck nicht nur der Vielzahl, sondern auch der Vielfalt von Veranstaltungen und von Lebensformen. Seine Stärkung ist ein wichtiger Beitrag zur Vision einer geschlechtergerechten Gesellschaft. Deswegen werden wir den Gesetzentwurf der Linkspartei hier ablehnen. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der CDU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)

Vizepräsidentin Sarah Sorge:

Vielen Dank, Frau Kollegin Schulz-Asche.

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