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17.11.2010

Kordula Schulz-Asche: Einzelplan 08 – Hessisches Sozialministerium

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! In Hessen ist der Sozialhaushalt seit elf Jahren eine Wanderbaustelle in einem Dauersteinbruch. Daher werden Sie von mir einige kritische Bemerkungen zu dem zu hören bekommen, was uns hier vorgelegt wurde.

Eine Dauerwanderbaustelle nicht zuletzt aufgrund der vielen Wechsel der Minister in diesem Bereich, und ein Dauersteinbruch, weil wir seit der „Operation düstere Zukunft“ in der gesamten sozialen Szene die Verunsicherung haben, wie weit FDP und CDU in diesem Bereich eigentlich noch einsparen wollen.

Wenn man sich diesen Haushalt anschaut und überlegt, wie in Hessen die Schuldenbremse umgesetzt werden kann, dann müssen wir die Bürgerinnen und Bürger sehr ernst nehmen, die da Angst haben, dass Sie in Bereichen sparen wollen, die im Moment für den sozialen Frieden in diesem Land noch so wichtig sind.

Sie haben es wieder versäumt, vorzulegen, in welchen Bereichen sie tatsächlich die Haushaltskonsolidierung ansetzen wollen. Herr Kollege Mick, Sie sind der Einzige von Schwarz-Gelb, der das heute hier ernsthaft angesprochen hat. Auch zur Effizienz haben Sie Vorschläge gemacht. Aber weder im Haushaltsentwurf noch von all Ihren Vorrednern ist dazu bisher leider nur wenig gesagt worden.

Wir müssen diese Ängste der Menschen ernst nehmen. Wir brauchen eine Sozialpolitik, die abgesichert ist und dafür sorgt, dass es tatsächlich möglich wird, den Menschen Zukunftschancen zu eröffnen.

Meine Damen und Herren, deswegen legen wir Ihnen ein neues, ein GRÜNES Sozialbudget vor, eingebetet in ein Konsolidierungskonzept für den Gesamthaushalt bis 2010. Denn für uns steht Sozialpolitik im Moment vor drei Herausforderungen.

Das ist zunächst die Frage: Was ist die Aufgabe des Staates und seiner Bürger bei der Umsetzung von Sozialpolitik, bei der Beseitigung von Diskriminierung, in der Erleichterung von Teilhabe an der Gesellschaft, beim Aufzeigen und Ermöglichen von Wegen aus der Armut.

Der zweite Punkt. Wir brauchen eine Diskussion darüber, wie diese Maßnahmen am besten zu erbringen sind, welche Ebene die beste ist, um diese Dienstleistungen anzubieten. Ist es der Bund? Ist es das Land? Oder sind es die Kommunen? Diese Debatte brauchen wir, um diese Maßnahmen effizient umsetzen zu können. Auch diese Diskussion wurde hier leider von den Regierungsparteien wieder versäumt. Das stärkt die Angst der Bürgerinnen und Bürger, dass Sie am Ende nur die sozialen Leistungen abbauen wollen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Schließlich – und das ist sozusagen die Kernidee des GRÜNEN Sozialbudgets – brauchen wir in der Sozialpolitik mehr Planungssicherheit, und zwar nicht nur für die betroffenen Bürgerinnen und Bürger, sondern auch für die Träger, seien es kommunale oder frei gemeinnützige Träger. Wir brauchen mehr Planungssicherheit, um tatsächlich Maßnahmen im sozialen Bereich, die ja nicht von heute auf morgen wirken, konstruktiv und nachhaltig sicherstellen zu können.

Meine Damen und Herren, unser Sozialbudget 2011 hat diese langfristige Sicherung der Mittel zum Ziel. Wir wollen keine Sozialpolitik nach Kassenlage, sondern wir wollen eine Politik – und auch darüber wollen wir mit Ihnen gern eine konzeptionelle Debatte führen – mit klaren Zielvorgaben der Landespolitik, mit klaren Indikatoren, wie diese Ziele erreicht werden können. Damit wollen wir auch im Hinblick auf die Schuldenbremse ab dem Jahr 2020 sicherstellen, dass das friedliche Zusammenleben der Menschen vor Ort gesichert ist, und zwar unabhängig von Generation, Geschlecht, Behinderung oder kulturellem Hintergrund. Meine Damen und Herren, das sind die Herausforderungen, vor denen wir gerade auch im Hinblick auf die Haushaltskonsolidierung bis zum Jahr 2020 stehen. Darauf wollen wir mit unserem GRÜNEN Sozialbudget eine Antwort geben.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, wir brauchen auch deshalb eine Neukonzeption der Sozialpolitik, weil verschiedene Bereiche nach wie vor unterfinanziert sind. Wie Sie wissen, haben wir einen enormen Mangel bei den Erzieherinnen und Erziehern und wir müssen das Angebot und die Qualität der Kinderbetreuung verbessern. Sie haben gerade gezeigt, dass Sie die Probleme der Träger, der Menschen und auch der Kommunen nicht ernst nehmen, weil Sie mit der Umsetzung der Mindestverordnung nach wie vor die Leute an der Nase herumführen, anstatt endlich und konsequent in die Kinderbetreuung, sowohl in den Ausbau wie auch in die Qualität, zu investieren. Dieser Landeshaushalt, den Sie vorgelegt haben, bleibt erneut eine Antwort schuldig, und zwar nicht nur für diesen Haushalt, sondern auch für die nächsten, bis hin zur notwendigen Konsolidierung des Haushalts im Jahr 2020.

Meine Damen und Herren, deswegen fordern wir auch in unserem Sozialbudget, die Qualität der Kinderbetreuung in allen Kommunen vernünftig zu unterstützen und weiter für einen schnelleren Ausbau der Betreuung der unter 3-Jährigen zu sorgen. Wir wissen, das ist ein ganz zentraler Bereich, um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu verbessern, und zwar nicht nur – wie Sie es nach wie vor sehen und wie man es auch am Gleichstellungsbericht sehen kann – für die Frauen, sondern um endlich für eine Gleichberechtigung in den Betrieben zu sorgen, auch im öffentlichen Dienst, und auch endlich die Vereinbarkeit auch für die Väter in den Vordergrund zu stellen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, eine ganze Reihe von Themen kommt bei Ihnen leider überhaupt nicht vor, die in unserem Sozialbudget aber eine relativ große Rolle spielen. Die Geschlechtergerechtigkeit habe ich schon angesprochen. Ich möchte noch einen weiteren Punkt nennen, das ist die Integration in den Arbeitsmarkt.

Herr Mick, ich glaube, da haben Sie gerade einen richtigen Punkt angesprochen. Natürlich brauchen wir effektivere Programme. Das steht ganz ohne Zweifel auf der Tagesordnung. Wir wissen, dass die Kommunen in diesem Bereich zum Teil schon ganz hervorragend vor Ort die Integration in den Arbeitsmarkt umsetzen – gerade dort, wo die GRÜNEN mit in der Verantwortung sind.

Aber wir brauchen natürlich auch einen sozialen Arbeitsmarkt, weil wir wissen, dass wir es mit einer relativ großen Gruppe zu tun haben, von der dauerhaft klar ist, dass sie mit den jetzt existierenden Programmen der Arbeitsagentur aus den verschiedensten Gründen nicht in den Arbeitsmarkt integriert werden kann. Auch diese Menschen dürfen wir nicht zurücklassen, sondern wir müssen sie mitnehmen im Sinne eines sozial friedlich gestalteten Zusammenlebens in den Kommunen vor Ort.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Es wurde viel angesprochen. Herr Dr. Bartelt, Sie haben die Krankenhausförderung genannt. Mein Gott, da ist Hessen nicht schlecht, aber auch nicht gerade besonders gut. Wenn Sie darüber reden, sollten Sie lieber über die Bereiche reden, wo wir schon mit Unterversorgung und Fehlversorgung zu tun haben. Ich rede vom ländlichen Raum, wo absehbar ist, dass hier eine Mangelsituation entstehen wird. Ich rede von sozialen Brennpunkten. Ich rede von der Versorgung von Kindern und Jugendlichen mit psychischen Problemen. All das sind Baustellen, die Sie nicht beachtet haben und wo wir der Meinung sind, dass sie über das Sozialbudget endlich vernünftig behandelt werden sollen.

Meine Damen und Herren, das grüne Sozialbudget möchte Überflüssiges einsparen, Wichtiges effizienter gestalten und Überfälliges endlich in Angriff nehmen und umsetzen. Dafür brauchen wir unter Umständen auch Mehreinnahmen. Das ist unser Konzept für eine zukunftsfähige und generationengerechte Sozialpolitik. Die Landesregierung ist hier leider wieder jede Antwort schuldig geblieben. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der LINKEN)

Vizepräsidentin Sarah Sorge:

Vielen Dank, Frau Kollegin Schulz-Asche.

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