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14.12.2011

Kordula Schulz-Asche: Politik für Seniorinnen und Senioren in Hessen

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die kleinen Antworten auf die Große Anfrage zur Seniorenpolitik zeigen, dass diese Landesregierung bei dem zentralen Thema demografischer Wandel nichts erreicht hat und auch nichts mehr vorhat.

Die Enquetekommission hatte das schöne Motto: Wir werden älter, wir werden bunter, und wir werden weniger. – Aber diese Landesregierung hat keine Konzepte, weder für den ländlichen Raum noch zur Integration noch, wie wir mit der Beantwortung der Großen Anfrage sehen, für eine Politik für ältere Menschen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Deutschland ist mit einem Bevölkerungsanteil der über 65-Jährigen von über 21 % schon heute Spitzenreiter in Europa. Ein Drittel der Menschen über 65 Jahre lebt allein. Alle diese Zahlen – das wissen wir seit der Enquetekommission – werden in den nächsten Jahren erheblich steigen. Die bisherigen Programme und auch die „Seniorenpolitische Initiative“, mit der sich die Landesregierung jetzt zu brüsten versucht, geben keine Antworten auf die damit verbundenen gesellschaftlichen Herausforderungen. Lassen Sie mich das an ein paar Beispielen festmachen.

Beispiel eins: das ehrenamtliche Engagement älterer Menschen. Wenn man sich die Antwort anschaut, fällt auf, dass es seit 1999 ein Schwerpunkt der hessischen CDU ist, ältere Menschen in ein Ehrenamt zu bringen. Wenn man sich aber die Zahlen anschaut, dann sieht man, dass zwischen 2004 und 2009 der Anteil der über 65-Jährigen, die ehrenamtlich tätig sind, von 34 auf 27 % gesunken ist. Das wird uns hier als Erfolg verkauft. Ihre „Seniorenpolitische Initiative“ setzt im Prinzip die bisherigen Programme fort. Was wir aber brauchen, ist ein einfacher Zugang älterer Menschen zum Ehrenamt sowie eine gute, professionelle Betreuung des Ehrenamtes. Hierauf haben Sie bisher keine Antworten gegeben.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Beispiel zwei. Das Land Hessen hat ein Geriatriekonzept, das aus dem Jahr 1992 stammt. Seitdem ist es nicht mehr angepasst worden. Wie soll denn ein so altes Konzept auf die neuen Herausforderungen antworten können? Wenn man sich betrachtet, welche Fortschritte im Bereich der Forschung, im Bereich der Technik, im Bereich der Kommunikation gemacht wurden, dann wird einem klar, wie dringlich eine Überarbeitung des Geriatriekonzepts ist.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Beispiel drei: die Altersarmut. In der Altergruppe zwischen 60 und 64 Jahren, also kurz vor Eintritt in die Rente, sind die Hälfte der Männer und zwei Drittel der Frauen in Hessen ohne Beschäftigung. Wir wissen doch, dass gerade Langzeitarbeitslosigkeit und unterbrochene Erwerbsbiografien zu den Hauptgründen dafür gehören, dass Menschen im Alter arm sind. Hier haben Sie nicht nur die vorhandenen Programme eingestellt, sondern Sie schlagen auch keine neuen vor. Meine Damen und Herren, wir müssen verhindern, dass ein wachsender Anteil von Menschen von Grundsicherung lebt und nicht mehr in der Lage ist, sich mit seiner Rente ein eigenständiges Leben zu finanzieren.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Beispiel vier: die Pflege. Meine Damen und Herren, wir haben bereits heute einen Mangel an 4.000 Pflegefachkräften in Hessen, rund die Hälfte davon Altenpflegekräfte. Aufgrund der steigenden Zahl an Pflegebedürftigen – wir wissen schon heute, dass sie steigen wird – sagt der hessische Pflegemonitor, dass wir bis zum Jahr 2020 zusätzlich 3.000 Vollzeitstellen brauchen – auch davon wieder die Hälfte in der Altenpflege. Meine Damen und Herren, das ist eine riesige Herausforderung, wenn wir den heutigen Stand erhalten wollen. Wir müssen endlich agieren. Sie dürfen hier nicht das Gleiche tun, was Sie bei den Erzieherinnen gemacht haben. Sie haben den voraussehbaren wachsenden Bedarf an Erzieherinnen ignoriert. Genauso macht es diese Landesregierung im Moment im Bereich der Alten- und Krankenpflege.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Meine Damen und Herren, dieser Landesregierung fehlt ein umfassendes Konzept, wie der demografische Wandel in Hessen sozial und gerecht gestaltet werden kann.

Dazu gehört das Thema Gesundheit: gesund länger arbeiten, aber auch gesund länger leben. Dazu gehört die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben, unterstützt z. B. durch die Stadtplanung, durch den Wohnungsbau und durch die Gestaltung eines barrierefreien öffentlichen Raums. Wir brauchen eine konsequente Politik der Vermeidung von Altersarmut, und wir brauchen innovative Lösungen für die Pflege und den Umgang mit der Demenz.

Diese Landesregierung hat nichts erreicht, und sie hat nichts mehr vor.

(Zuruf des Abg. Horst Klee (CDU))

Die heutigen Programme und die seniorenpolitische Initiative sind schon für die heutige Generation 65 plus, die Hauptwählergruppe der CDU, unzureichend. Den Jüngeren, also den künftigen Generationen älterer Menschen, bleibt die Landesregierung bisher jede Antwort schuldig. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD – Zuruf des Abg. Horst Klee (CDU))

Vizepräsidentin Sarah Sorge:

Vielen Dank, Frau Schulz-Asche.

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