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06.09.2012

Kordula Schulz-Asche: Mittelhessische Hochschulmedizin und Patientenversorgung endlich auf solide Basis stellen

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die europaweit einzige Privatisierung eines Universitätsklinikums, nämlich des Universitätsklinikums Gießen und Marburg, war ein schwerer Fehler.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN)

Wissenschaft und Forschung sind originäre Aufgaben eines Landes und dürfen nicht zum Spielball von Konzernen und Aktionären werden. Es hat sich gezeigt, dass es schwere vertragliche Fehler gab, die dazu führten, dass wir in den letzten Monaten zweimal ein Übernahmespektakel durch Fresenius erleben mussten und dass es sich seit heute andeutet, dass wir unter Umständen das Gleiche mit Asklepios durchmachen werden.

Ich glaube, dass das, was im Moment dort abläuft, wirklich unverantwortlich ist. Das ist eine Verunsicherung der Bevölkerung, der Beschäftigten und der Studierenden, die nicht mehr gerechtfertigt ist. Wir sehen die Landesregierung in einem zentralen Bereich der Landespolitik als schweigenden Zuschauer am Pokertisch der Krankenhauskonzerne.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN)

Ich teile völlig die Position des Partei- und Fraktionsvorsitzenden der CDU Marburg, Philipp Stompfe, der gesagt hat: Renditeerwartungen eines börsennotierten Krankenhausunternehmens sind nicht mit den Aufgaben eines Universitätsklinikums kompatibel. – Er hat völlig Recht.

Das sind die Voraussetzungen, unter denen wir im Moment diskutieren. Im Moment haben wir es, seit das beschlossen worden ist, mit dem größtmöglichen Scheitern der CDU-Landesregierung zu tun, was die Privatisierung und den Umgang mit dem Universitätsklinikum Gießen und Marburg betrifft.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf der Abg. Holger Bellino (CDU) und Peter Seyffardt (CDU))

Deswegen stellt sich die Frage: Was steht jetzt eigentlich an? Natürlich steht zunächst an, eine bessere Zusammenarbeit der Rhön-Klinikum AG – die nach wie vor der Haupt-Eigentümer des Klinikums ist – und der Landesregierung zustande zu bringen. Wir müssen sehen, ob es Nachverhandlungen geben kann, um den Vertrag zu verbessern. Wir müssen über eine angemessene Personalausstattung verhandeln.

Das sind die Punkte, die jetzt auf der Tagesordnung stehen. Frau Kühne-Hörmann, wir fordern Sie auf, endlich aktiv zu werden und zu zeigen, dass Sie bereit sind, sich bei diesen Punkten grundsätzlich einzusetzen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN)

Außerdem erwarten wir von Ihnen, Frau Ministerin, dass Sie uns jetzt die Ergebnisse der vom Landtag beschlossenen Prüfung aller Optionen vorlegen, sodass wir beurteilen können: Welche Optionen haben wir? Was sind die Vor- und Nachteile der jeweiligen Optionen? Welche organisatorischen Fragen sind damit verbunden? Welche Perspektiven haben wir?

(Zuruf des Abg. Peter Seyffardt (CDU))

– Nein, das hat sie nicht gemacht. Sie haben doch selbst beschlossen, dass das ernsthaft geprüft werden soll. Wir wissen, dass die FDP es nicht will. Aber Sie haben es gewollt.

(Zuruf des Abg. Peter Seyffardt (CDU))

Deshalb fordere ich die Landesregierung auf, die Ergebnisse dieser Prüfung endlich vorzulegen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN)

Dazu gehören alle Optionen, die noch im Raum stehen: eine erneute Übernahme, eine mögliche Insolvenz usw. Das sind doch Fragen, auf die eine Landesregierung, die für die Hochschulpolitik zuständig ist, vorbereitet sein muss. Deswegen haben wir als Landtag auch das Recht, zu erfahren, welche Ergebnisse die Prüfung hatte.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN)

Wir müssen auch ernsthaft die Option prüfen, ob eine Rücknahme durch das Land möglich ist. Wir müssen das sowohl hinsichtlich der Organisationsstrukturen als auch hinsichtlich der Kosten prüfen. Wir sagen, dass das Land für die Hochschulpolitik zuständig ist. Dann ist es auch die Aufgabe des Landes, die Frage zu beantworten, wie wir in der Region Mittelhessen die medizinische Lehre und Forschung dauerhaft erhalten, stärken und ausbauen können. Das ist die Aufgabe des Landes, und das steht im Moment auf der Tagesordnung.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN)

Ich erwarte, dass die Landesregierung endlich ein Konzept vorlegt, wie die Hochschulmedizin in der ganzen Region Mittelhessen, am Standort Gießen genauso wie am Standort Marburg, mittel- und langfristig gefördert werden kann, wie dort ausgebaut werden kann und wie das vernünftig mit einer guten Patientenversorgung in dieser Region Mittelhessen verknüpft werden kann.

Meine Damen und Herren, wir brauchen keine Ideologie, wir brauchen keine Privatisierungsbefürworter aus dem neoliberalen Lager, wir brauchen endlich Antworten für diese Region. Wir brauchen keine schweigende Landesregierung, wir brauchen eine handelnde, die sich tatsächlich für die Hochschulmedizin einsetzt, die sich für die Region Mittelhessen einsetzt. Handeln Sie endlich. – Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)