Inhalt

21.11.2012

Kordula Schulz-Asche: Hessisches Sozialministerium

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Für den Haushaltsplanentwurf des Sozialministeriums für die nächsten beiden Haushaltsjahre ist festzustellen: Diese Landesregierung ist nach 13 Jahren an der Macht verbraucht und erschöpft.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Lachen bei der CDU)

Wenn ich an die „Operation düstere Zukunft“ denke, muss man darüber fast froh sein, denn da waren Sie sogar bösartig.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Angesichts der Herausforderungen an die Sozialpolitik durch den gesellschaftlichen Wandel, in dem wir uns voll befinden, ist der Einzelplan des Sozialministeriums, wenn man es positiv sehen will, nicht mehr als ein Weiter so, ohne den erkennbaren Willen der Gestaltung.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dass Bürgerinnen und Bürger und die Träger der sozialen Angebote verunsichert sind, verwundert deshalb nicht.

Unser reiches Bundesland kann nicht mit einer guten Bilanz bei sozialer Gerechtigkeit aufwarten. Seit 1999 ist die Sozialpolitik ein Steinbruch und eine eher gutsherrliche Restmittelvergabe; das soziale Netz in Hessen ist unter Schwarz-Gelb immer löchriger geworden.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Brigitte Hofmeyer (SPD))

Sehen wir uns doch einmal genau an, was hier bei uns passiert: Sie haben die Mittel für die Schuldnerberatung gestrichen. Wir haben gerade in diesen Bereich Wartezeiten, wo Prävention so wichtig wäre. Wir schlagen Ihnen vor, zusammen mit den Verbraucherzentralen neue Strukturen aufzubauen und mit den noch vorhandenen Strukturen zu kooperieren, um diesen Menschen, die davon bedroht sind, in Armut abzurutschen, endlich rechtzeitig zu helfen. Das ist ein soziales Netz, das Sie völlig zerstört haben.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Ein zweiter Bereich. Wenn wir uns anschauen, was sich heutzutage in den Stadtteilen, die man soziale Brennpunkte nennt, abspielt, dann müssen wir konstatieren: Seit dem Jahre 2004 ist die Unterstützung für diese kleinen Initiativen, für die vielen Frauen, die sich vor Ort darum kümmern, dass das Gemeinwesen funktioniert, auch das sind für uns übrigens öffentliche Institutionen, mit einem Schlag völlig weggefallen. Das ist wirklich ein Skandal.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Marjana Schott (DIE LINKE))

121_051

Da wird Schwarz-Gelb in Hessen von den Beschlüssen der Bundesregierung sekundiert, genau diese Gemeinwesenarbeit im Programm Soziale Stadt zu streichen. Die Hausbesitzer und die Banken sind die Nutznießer, aber die Menschen in diesen sozialen Brennpunkten haben Sie allein gelassen und damit einen Teil des sozialen Netzes zerstört.

Zum Bereich Gesundheit. Wir alle wissen, dass hier die Unterversorgung in bestimmten Bereichen droht. Wir haben in verschiedenen Versorgungsbereichen, beispielsweise bei der Geburtshilfe, immer wieder darüber diskutiert, wie die Versorgung im ländlichen Raum, aber auch in sozialen Brennpunkten erreicht und sichergestellt werden kann. Sie wissen, dass ich Ihren Pakt nicht für einen Brüller halte, aber immerhin sind darin einige positive Schritte zu erkennen. Aber das ist nur ein Tropfen auf den heißen Stein, meine Damen und Herren. Wir brauchen Versorgungskonzepte für alle medizinischen und pflegerischen Bereiche, um die Versorgung im ländlichen Raum dauerhaft sicherstellen zu können, wie wir es Ihnen auch schon in einem Konzept vorgestellt haben.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es ist durchaus sinnvoll, hundert spanische Pflegekräfte zu engagieren und nach Hessen zu holen. Aber wir haben in Hessen einen Pflegenotstand, der seit Jahren absehbar ist. Wir wissen, dass wir nicht genug Pflegekräfte für das haben werden, was – auch vorausgesagt durch den Hessischen Pflegemonitor – ab 2020 an Bedarf besteht. Hier brauchen wir eine Aufwertung, wir brauchen eine Ausbildungsreform, wir brauchen eine vernünftige Finanzierung der Ausbildung durch eine Umlage usw. Bei Ihnen ist nichts dazu zu erkennen, dass Sie auf diese Herausforderungen vorbereitet wären.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, die Jugend ist bei Ihnen wirklich die alleingelassene Generation.

(Zurufe von der CDU und der FDP: Na, na, na!)

Wir fordern, dass es endlich eine vernünftige Gestaltung des Übergangs von der Schule zum Beruf gibt; denn alle Jugendlichen müssen in Hessen die Möglichkeit haben, eine Ausbildung abzuschließen, um den Rest ihres Lebens auch tatsächlich vernünftig in den Arbeitsmarkt integriert werden zu können.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Was haben Sie nicht geredet vom „Familienland Nummer eins“ – weit entfernt. Wir mussten den Dilettantismus dieser Landesregierung bei der Mindestverordnung erleben. Wir wissen seit Jahren, dass es einen Mangel an Erzieherinnen und Erziehern geben wird. Wir haben dazu seit Jahren Aktionsprogramme, Sonderprogramme, Sofortprogramme usw. gefordert, und Sie haben nicht reagiert. Wir haben nach wie vor einen Mangel an Plätzen im U-3-Bereich. Wir haben nach wie vor einen Mangel an Plätzen bei den Kindergärten und wir haben einen eklatanten Mangel an Plätzen bei den Grundschulen. In Ihren Konzepten ist nicht zu erkennen, was Sie unternehmen wollen, um tatsächlich Vereinbarkeit von Familie und Beruf möglich zu machen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dann bin ich bei den Frauen. Wenn man sich einmal ansieht, was in diesen 13 Jahren mit Blick auf die Gleichstellung der Frauen passiert ist, kann man sagen: eigentlich kaum etwas. Stattdessen erleben wir, wie bei Operation Abendsonne Posten verteilt und nach Parteibuch vergeben werden. In Norwegen war genau das der Grund, die Frauenquote einzuführen, um dieses Geschachere mit Posten endlich zu beseitigen. Deswegen sehen wir auch hier Handlungsbedarf.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Was jetzt getan werden muss: Wir GRÜNEN haben unser Sozialbudget für 2013/2014 vorgelegt, und zwar als klare Alternative zu dem, was wir hier von Schwarz-Gelb erleben. Wir stärken durch den gezielten und verantwortungsvollen Einsatz von Landesmitteln die soziale Infrastruktur, öffentliche Institutionen und machen sie zukunftsfest. Im Hinblick auf das Jahr 2020 und die dann umzusetzende Schuldenbremse brauchen wir auch in Zukunft den notwendigen Schutzschirm für eine ermöglichende Sozialpolitik.

Insgesamt werden die Landesmittel um 14,9 Millionen € und 12,3 % für 2014 erhöht. Wir setzen ein deutliches Zeichen – auch das habe ich gerade schon erwähnt – hinsichtlich des Ausbaus und der Qualitätsverbesserung in der frühkindlichen Bildung; denn der frühe Zugang zu Bildung ist notwendig für Teilhabe von klein an und die Grundlagen für Chancengerechtigkeit für das ganze Leben.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Notwendig ist eine Sozialpolitik, die sich um die Schwächsten kümmert und die dafür sorgt, dass den Menschen Zukunftschancen eröffnet werden. Wir brauchen eine Sozialpolitik, die sich ihrer Verantwortung stellt – gegen Armut, Gewalt, Ausgrenzung. Eine Politik für Inklusion, die den Bürgern vermittelt, dass soziale Gerechtigkeit gewollt und machbar ist; trotz Finanzkrise und Schuldenbremse. Eine Politik, die jedem und jeder ermöglicht, ein selbstbestimmtes Leben führen zu können, dass es die gleichen Lebenschancen für alle in einer inklusiven Gesellschaft gibt, in der jeder Mensch gleich viel wert ist und das Zusammenleben in Vielfalt eine Bereicherung. – Ich danke Ihnen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD))

Vizepräsident Heinrich Heidel:

Schönen Dank, Frau Schulz-Asche.