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02.02.2011

Kordula Schulz-Asche: Hessisches Gleichberechtigungsgesetz

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Mir ist gerade aufgefallen, dass die CDU-Fraktion bei diesem Tagesordnungspunkt voll quotiert ist: fifty-fifty, zwei Frauen, zwei Männer.

(Lachen bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich glaube, das unterstreicht schon die Bedeutung, die dieses Thema bei Ihnen im Hause hat.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN)

Herr Minister Grüttner, genauso erstaunlich ist es, dass Sie nicht einmal hier nach vorne kommen und versuchen, wenigstens die für Sie bedeutenden Punkte dieses hessischen Gleichstellungsberichts darzustellen. Dann hätten Sie nämlich hier offensiv 7,5 Minuten schweigend stehen müssen, denn es steht nichts weiter drin, als dass wir in Hessen stagnieren, und zwar seit einem Jahrzehnt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN)

Meine Damen und Herren, wenn wir uns diesen Bericht anschauen, dann sehen wir, dass die Teilhabe von Frauen an den Beschäftigten im öffentlichen Dienst in Hessen leicht gestiegen ist. Aber wir sehen auch, dass in den Führungsebenen Frauen nach wie vor voll blockiert sind. In hessischen Dienststellen haben wir im Moment ungefähr 52 Prozent Frauen, aber nur ein Achtel in der B-Besoldung. Das kann man nun wirklich nicht als einen Erfolg der hessischen Frauenförderung bezeichnen.

Auf einen Punkt möchte ich etwas ausführlicher eingehen, weil sie das als Erfolg verkaufen wollen. 80 Prozent der Teilzeitverträge sind in den hessischen Dienststellen von Frauen besetzt. In dem Bericht kommt sogar vor – und zwar nicht zum ersten Mal; das war auch schon im dritten Bericht ein Problem –, dass genau diese Teilzeit, die Sie als wesentliches Moment der Vereinbarkeit von Familie und Beruf sehen, dazu führt, dass Frauen keine Karrierechancen im öffentlichen Dienst haben.

(Zuruf des Ministers Stefan Grüttner)

– Sie sagen: Stimmt. Aber Sie haben doch die Möglichkeit, hier zu fragen: Was ist der Grund? Was müssen wir tun? – Aber nichts davon steht in diesem hessischen Gleichstellungsbericht.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Wir haben auch im Hochschulbereich die gleiche Situation. Es ist immerhin positiv, dass die Zahl der Professorinnen von 13,5 % auf 19,28 % gestiegen ist. Aber auch hier ist es so, dass bei den hohen Besoldungsgruppen nach wie vor nur rund 10 % Frauen repräsentiert sind. Meine Damen und Herren, das ist tatsächlich ein Armutszeugnis. Dazu aber wird hier kein einziger Vorschlag entwickelt, es gibt keine Ursachenforschung. Dieser hessische Gleichstellungsbericht bilanziert die Katastrophe der hessischen Frauenförderung.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, wir GRÜNE setzen uns gerade für Frauen auf der Führungsebene ein, denn von oben herab wird die Arbeitskultur verändert und die Karriereförderung organisiert. Wir setzen uns tatsächlich für eine Quotierung von mindestens 40 Prozent Frauen in allen Führungsebenen ein. Inzwischen gibt es genügend Untersuchungen, um zu wissen, dass gerade gemischte Teams in der Führung ein Garant für die Qualität von Entscheidungen sind. Alle Unternehmen, die sich dahin aufgemacht haben, können in den Entscheidungen ihrer Führungsebenen zeigen, dass sie auf einem modernen Weg des Unternehmens sind. Das ist in Hessen leider nicht der Fall.

Auf der Bundesebene haben wir ja eben eine nette Debatte zwischen zwei Ministerinnen und der FDP. Dazu flatterte mir gestern die zugehörige Presseerklärung von Frau Ravensburg auf den Tisch.

Da heißt es: „Frauen wollen für ihre Leistung anerkannt werden und nicht nur wegen ihres Geschlechts“.

(Beifall der Abg. Claudia Ravensburg (CDU))

– An Ihrer Stelle würde ich mir den Satz einmal richtig runtergehen lassen. – Ich glaube, es gibt keine einzige Frau hier im Hause, weder die, die über Quoten hineingekommen sind, noch die, die es wie Sie ohne Quote geschafft haben, oder in anderen Führungsebenen, die dort nur wegen ihres Geschlechts ist. – Ich jedenfalls nicht. Ich habe Leistung, ich habe Qualifikationen, ich habe Kompetenzen. Ich weiß nicht, wie es bei Ihnen ist. Ich gehe davon aus, dass es bei Ihnen auch so ist.

(Zuruf der Abg. Claudia Ravensburg (CDU))

Aber diese Argumentation, dass Frauen nur wegen ihres Geschlechts für irgendetwas benannt würden, wenn man Quoten hätte, und keine Leistung brächten, ist eine Argumentation, die ich nicht von Frauen erwartet hätte, sondern eher von Männern, die versuchen, ihre Positionen zu verteidigen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Ich gehe davon aus, dass es auch in der FDP Frauen gibt, die Leistung zeigen, die qualifiziert sind. Da stellt sich doch die Frage, und da zeigt sich, wie naiv Ihr Satz ist: Was glauben Sie, was bei der nächsten Listenaufstellung bei der FDP passiert? Glauben Sie, die Hälfte der heutigen Fraktionsmitglieder wird dorthin gehen und sagen: „Ich bin nicht so qualifiziert wie die Frau da, wir machen das alles ohne Quote“? Nein, meine Damen und Herren, wir brauchen Quoten, damit die qualifizierten Frauen endlich nach oben kommen, damit sie durchgelassen werden.

Das ist der entscheidende Grund, warum Quoten so wichtig sind. Ohne eine Verpflichtung werden Sie es nicht schaffen, die Männer und ihre Seilschaften aufzulösen.

Ich habe hier übrigens eine schöne Untersuchung von der Universität Chicago. Die haben BWL-Studentinnen und -studenten nach ihrer Kompetenz untersucht, nach oben aufzusteigen. Die Quintessenz dieser Untersuchung war: Die männliche Selbstüberschätzung ist nach unseren Beobachtungen der Hauptgrund dafür, dass Frauen trotz objektiv besserer Eignung vielfach eine Führungsposition verwehrt bleibt.

Meine geehrten Damen und Herren, das können Sie sich gerne zu Herzen nehmen. Bei den GRÜNEN ist es glücklicherweise seit Jahren anders.

(Zuruf des Abg. Horst Klee (CDU))

Ich habe in den letzten zwei Tagen viel Zeitung lesen können, darunter auch die „Bild“-Zeitung. Es gibt endlich eine Frau, die erste Frau im Vorstand eines Bundesligavereins. Das ist Katja Kraus beim HSV. Sie ist für die Quote. Sie sagt: Männliche Seilschaften führen dazu, dass bei frei werdenden Positionen der nahe liegende männliche Kollege der gleichermaßen geeigneten Frau vorgezogen wird.

(Zuruf der Abg. Petra Fuhrmann (SPD))

Ich glaube, wenn man es in der Bundesliga in einen Vorstand schafft, dann weiß man genau, wovon man redet, wofür Quoten gut sind.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der LINKEN und bei Abgeordneten der SPD)

Aber zurück zum hessischen Gleichberechtigungsbericht. Wir haben die katastrophale Bilanz der Landesregierung in diesem Bereich gesehen. Wenn man genau hinschaut, dann sieht man, dass das, was jetzt von Frau Schröder in Berlin gefordert wird, die Flexiquote, genau das ist, was wir mit dem Hessischen Gleichberechtigungsgesetz seit Jahren haben. Daraus ziehen wir die Konsequenz: Wenn Selbstverpflichtung, selbst gesetzliche Selbstverpflichtung nicht einmal im öffentlichen Dienst funktioniert, dann wird sie natürlich auch nicht in der Wirtschaft funktionieren. Deshalb fordern wir verbindliche Quoten, damit die Führungsebenen endlich in Vielfalt gestaltet werden können; denn Vielfalt ist ein Qualitätsmerkmal.

Wir brauchen verbindliche Quoten in der Führung, wir brauchen eine Frauenförderung, die die Frauen unterstützt, in diese Ämter aufzusteigen. Wir brauchen natürlich auch familienfreundliche Arbeitsbedingungen, und wir brauchen endlich den Abbau von Karrierehemmnissen bei der Teilzeit.

Das sage ich abschließend ganz deutlich: Es geht um die Teilzeit von Männern und Frauen. Solange Sie es ausschließlich als Förderinstrument für Frauen ansehen, wird es tatsächlich so bleiben, wie es ist. Wir müssen zu einer anderen Arbeitskultur kommen, die es sowohl Männern als auch Frauen ermöglicht, den Beruf und die Familie miteinander zu vereinbaren und dies auch so zu tun, dass sie in der Familie ein vernünftiges Familienleben haben. Das ist nicht alleine Aufgabe von Frauen, genauso wie Führung und Führungspositionen nicht alleine Aufgabe von Männern sind. – Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN)

Vizepräsidentin Sarah Sorge:

Vielen Dank, Frau Kollegin Schulz-Asche.