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05.09.2012

Kordula Schulz-Asche: Änderung des Hessischen Altenpflegegesetzes

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die Landesregierung hat uns ein Artikelgesetz mit zwei Tatbeständen vorgelegt, die zu regeln sind. Zum einen wird ein Hessisches Ausführungsgesetz zum Sozialgesetzbuch V geschaffen, bei dem es um das Versorgungsstrukturgesetz geht. Damit sind wir bei einem Thema, das wir heute Vormittag schon ausführlich diskutiert haben.

Zum Zweiten geht es um das Altenpflegegesetz, in dem die Altenpflegehilfeausbildung geregelt und angepasst wird.

Beide Debatten sind aktuell. Die beiden Teile des Gesetzentwurfs geben aber nur unzureichende Antworten.

Wir haben heute Vormittag schon über die Notwendigkeit einer echten Strukturreform diskutiert. Um eine bedarfsgerechte medizinische Versorgung in den Regionen sicherstellen zu können, muss man für die Versorgungsplanung, für die ambulante ärztliche Versorgung tatsächlich Änderungen einführen.

Wir haben bisher eine Planung, die weder patientenorientiert ist, die für die Steuerung der Gesundheitsversorgung im ambulanten Bereich nicht mehr geeignet ist. Wir haben benachteiligte Stadtteile mit unzureichender Versorgung auch das ist heute Morgen schon von allen Rednern angesprochen worden. Wir haben im ländlichen Raum zunehmend das Risiko, dass freiwerdende Kassenarztpraxen keine Nachfolge mehr finden.

Die jetzige Planung berücksichtigt weder die Krankheitshäufigkeit noch die Sozialstruktur der Bevölkerung. Das kann eigentlich nicht sein, wenn wir sagen, wir wollen langfristig eine gute medizinische Versorgung auch im ambulanten Bereich sicherstellen.

Diese strukturellen Defizite werden noch verschärft durch die Tatsache, dass wir mit dem demografischen Wandel ohnehin Umbrüche haben, sowohl was die Altersstruktur angeht als auch was den ländlichen Raum angeht.

Auch darüber haben wir heute schon diskutiert.

Die schwarz-gelbe Bundesregierung hat nun den Entwurf eines Versorgungsstrukturgesetzes vorgelegt, dabei jedoch die Chance auf eine möglichst weit gehende Strukturreform verpasst. Wir sehen an diesem Gesetzentwurf positiv, dass die Bedarfsplanung angepasst und um demografische Komponenten ergänzt wird, dass eine kleinräumige Planung möglich wird, dass die Länder, stärker in die Planung einbezogen werden. Das war ja ein gemeinsames Projekt, bei dem Sie, Herr Minister, von allen Fraktionen in diesem Hause stark unterstützt wurden. Die Länder erhalten Mitberatungsrechte und haben die Möglichkeit, auf Landesebene ein zusätzliches Gremium einzurichten, um die sektorübergreifende Planung zu begleiten. Allerdings haben die Äußerungen dieses Gremiums nur empfehlenden Charakter und müssen nicht umgesetzt werden. Von daher werden wir sehr genau beobachten, ob und wie sich diese Einbeziehung in eine vernünftigere Planung tatsächlich umsetzen lässt.

Unser Fazit war, dass ein solches Versorgungsstrukturgesetz im Prinzip, in der Summe, nicht falsch ist. Wesentlich bleibt aber, dass kein Gesamtkonzept zu erkennen ist. Es gibt keine vernünftigen Versorgungsanalysen, die als Grundlage für eine vernünftige Planung dienen könnten. Wir sind weit davon entfernt, die verschiedenen Sektoren – ambulanter, stationärer und Rehabilitationsbereich – miteinander zu verknüpfen, auch mit anderen Angeboten der gesundheitlichen Versorgung. Es fehlt die Einbeziehung der Regionen in die Planung und damit die Möglichkeit, die Bürgerinnen und Bürger und andere Akteure vor Ort in die Versorgung einzubeziehen.

Wir GRÜNEN haben 2010, wie mich der Herr Minister heute Morgen zu recht erinnerte, das Konzeptpapier „Gesundheit im ländlichen Raum“ vorgelegt. Es zeigt, dass auch auf Landesebene einiges getan werden könnte, sodass ich glaube, dass die Defizite des Gesetzentwurfs des Bundes durchaus noch behoben werden könnten.

Ich denke, dass wir noch lange darüber diskutieren werden, welche Aufgaben sich daraus für die Landesebene ergeben. Wir werden genau prüfen, inwieweit uns die Anhörung hier voranbringt. Wir haben ein Konzept für die gesundheitliche Versorgung im ländlichen Raum, und wir hoffen, dass wir weiterhin darüber diskutieren können.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Art. 2 des Gesetzentwurfs, der uns von der Landesregierung vorgelegt wurde, befasst sich mit der Altenpflegehilfe. Es ist eine der ganz großen Herausforderungen, die gesamte Pflege so aufzustellen, dass sie auf die demografische Entwicklung – auch hier sage ich: gerade auch in den sozialen Brennpunkten und im ländlichen Raum – tatsächlich vorbereitet ist. Sie sehen hier die Einführung einer Modellklausel vor. Wir warten ab, was in der Anhörung dazu gesagt wird.

Das, was für die Ausbildung in Hessen aber wesentlich ist, nämlich eine Novellierung der Altenpflegeverordnung, die zum 31. Dezember dieses Jahres ausläuft, beraten wir heute nicht. Hier lässt die Landesregierung die Altenpflegeschulen weiterhin im Ungewissen, nachdem sie bereits im Sommer letzten Jahres gegen viele Proteste eine kalte Kürzung beim Schulgeld durchgeführt hat. Ich finde, so geht das nicht. Wir können hier nicht über Reformen diskutieren, wenn eigentlich gar nicht klar ist, inwieweit die Finanzierung langfristig und nachhaltig gesichert ist.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es gibt sicher sehr viele Gemeinsamkeiten, zumindest bei der Fragestellung, dass wir eine neue Konzeption der Pflegeausbildung insgesamt brauchen. In einer Gesellschaft, in der sich die Lebens- und die Arbeitswelt schnell verändern und das Alter einen längeren Lebensabschnitt bestimmt, werden insbesondere die Pflegeberufe einen deutlichen Bedeutungszuwachs haben, und sie werden ihn auch brauchen.

In diesem Sinne gilt es, dass wir über die Quantität hinaus natürlich auch qualitative Ansprüche stärker in den Blick nehmen müssen. Im Jahre 2020 – das ist für alle Prognosen ein ganz wesentliches Datum – werden wir rund 20.000 Hessinnen und Hessen mehr haben, die auf eine pflegerische Versorgung angewiesen sind. Der Bedarf an Fachkräften wird deshalb steigen. Wir haben aber bereits jetzt einen eklatanten Mangel in qualifizierten Pflegekräften. Im Jahre 2010 wurden in Hessen fast 15.000 Pflegekräfte gesucht, und das Problem wächst in den nächsten Jahren natürlich weiter auf.

Insoweit ist es wichtig, dass die Ausbildung in der Altenpflegehilfe, die das Land regeln kann, eine gute Ausbildung ist, damit Schülerinnen und Schüler motiviert bleiben, eine Fachkraftausbildung abzuschließen. Ob weitere Neuregelungen, zum Beispiel die Verkürzung aufgrund einschlägiger Berufserfahrung, wirklich Sinn machen? Ich finde das übrigens eine sehr interessante Überlegung, auch um Frauen die Rückkehr in den Beruf zu erleichtern bzw. zu ermöglichen. Wir gesagt, ich finde das, insgesamt gesehen, einen interessanten Ansatz, aber wir müssen hier noch abwarten, was in der Ausschussanhörung dazu gesagt wird. Ich hoffe, dass sich das unter Umständen als ein sehr interessanter Vorschlag entpuppt.

Die medizinische Versorgung und die Pflege bleiben die großen Herausforderungen, die sich aus meiner Sicht in den nächsten Jahren für den Bund, aber auch für das Land und die Kommunen ergeben. Es bleiben große Herausforderungen, die unter Umständen mit sehr vielen neuen Ideen, mit neuen Konzepten verbunden sein müssen. Leider kann ich bisher bei der Landesregierung noch kein umfassendes Konzept erkennen. Ich hoffe aber, dass wir alle zusammen, z. B. bei der Diskussion über den Gesetzentwurf, zu mehr Einigkeit kommen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Vizepräsidentin Ursula Hammann: 

Vielen Dank.

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