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04.03.2009

Kordula Schulz-Asche zum Antrag der GRÜNEN betreffend Hessen braucht weiterhin ein Sozialministerium

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Meine Fraktion beantragt, den Namen des Ministeriums für Arbeit, Familie und Gesundheit mit dem Zusatz „und Soziales“ zu versehen, und zwar aus mehreren Gründen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Sozialpolitik ist für uns mehr als Arbeit, Familie und Gesundheit. Das dafür zuständige Ministerium muss der Spaltung der Gesellschaft entgegenwirken, hilft in Not geratenen Menschen und unterstützt die Teilhabe behinderter und alter Menschen am gesellschaftlichen Leben. Wo sind in Ihrer Begriffsaufzählung die behinderten und die alten Menschen?

(Zuruf der Abg. Petra Fuhrmann (SPD))

Die gesellschaftliche Teilhabe erschöpft sich doch nicht in der Familienförderung oder in der Altenpflege, sondern bezieht sich auch auf das Recht auf Wohnen, auf Mobilität, auf Teilhabe, und zwar bis ins höchste Alter. Aber das spielt bei Ihnen offensichtlich keine Rolle.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Der Name „Arbeit, Familie und Gesundheit“ deckt auch einen weiteren wichtigen Bereich dieses Ministeriums nicht ab, nämlich Kinder und Jugendliche. Meine Damen und Herren, Kinder und Jugendliche haben ein umfassendes Recht auf Förderung, auf frühkindliche Bildung, auf Teilhabe und auf Chancengerechtigkeit. All das erschöpft sich nicht in Familienförderung. Kinder und Jugendliche haben ein eigenständiges Recht auf Förderung. Deswegen muss der Name des Ministeriums den Begriff „soziales“ enthalten.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, Menschen geraten genauso wie Banken und Unternehmen in Not. Sie haben Anspruch auf Hilfe. Sie werden arbeitslos, sie erkranken, sie werden geschieden, sie haben plötzlich mit Problemen zu tun, mit denen sie nie gerechnet hatten und auf die sie nicht vorbereitet sind. Diesen Menschen zu helfen, macht eine moderne Sozialpolitik aus.

Wenn Sie diesen Begriff nicht aufnehmen wollen, nenne ich Ihnen ein Beispiel. Die Schuldnerberatung – da werden Sie mir recht geben – gehört weder zu Arbeit noch zu Familie, noch zu Gesundheit. Die Schuldnerberatung hat seit der „Operation düstere Zukunft“ Wartezeiten von über einem halben Jahr. Wir sehen, wie im Moment mit Banken und Unternehmen umgegangen wird. Familien, die in Not geraten, die in die Schuldenspirale hineingeraten, müssen ganz schnell Hilfe erhalten. Diese erhalten sie im Moment in Hessen nicht.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Marjana Schott (DIE LINKE))

Seit Wochen gibt es in den Zeitungen eine Diskussion. Was heißt Diskussion? Die Mitglieder der Landesregierung, vor allem Herr Banzer und Frau Müller-Klepper, äußern sich in verschiedensten Zeitungen, um zu versuchen, zu begründen, warum das Ministerium den seltsamen Namen hat, den übrigens kein Ministerium in einem anderen Bundesland hat. Da ist Hessen ganz, ganz hinten.

(Zuruf des Abg. Dr. Rolf Müller (Gelnhausen) (CDU))

So sagt Frau Müller-Klepper, die Staatssekretärin, z. B. im „Wiesbadener Kurier“, der Name würde nur die drei Schwerpunktbereiche Arbeit, Familie und Gesundheit deutlich herausheben. Frau Müller-Klepper, der Name eines Ministeriums ist kein politisches Programm, sondern die Bürgerinnen und Bürger haben ein Recht darauf, zu wissen, welches Ministerium für welche Themen zuständig ist. Diese Information enthalten Sie den Bürgerinnen und Bürgern vor.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Leif Blum (FDP))

– Das ist ein guter Zwischenruf. – Eine andere Sprecherin der Landesregierung, ich weiß nicht welche, hat gesagt, man habe das Wort „Soziales“ wegen der besseren Verständlichkeit des neuen Namens für ein breites Publikum weggelassen. Meine Damen und Herren, nach zehn Jahren Regierung Koch, nach der bereits erwähnten „Operation düstere Zukunft“ mit ihrem Sozialabbau, mit der größten Demonstration, die wir in Hessen hatten: Sie glauben doch nicht, dass das hessische Publikum so blöd ist, dass sie den Begriff „Soziales“ nicht verstehen könnten. Was Sozialabbau ist, haben sie verstanden, und sie wissen, wofür ein modernes Sozialministerium zuständig ist.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, Arbeit, Familie und Gesundheit sind sicher wichtige Zukunftsfragen. Das will keiner bestreiten. Aber das gilt ebenso für sozialen Frieden, für soziale Hilfen und für den politischen Willen zur sozialen Gerechtigkeit. – Ich danke Ihnen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsident Heinrich Heidel:

Frau Kollegin Schulz-Asche, schönen Dank.

(…)

Marcus Bocklet:

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Dr. Bartelt, Herr Kollege aus Frankfurt, ich wollte Ihnen eine Frage stellen. Das, was Sie gesagt haben, ist durchaus interessant. Aber würden Sie uns zustimmen, dass der Titel „Arbeit, Familie und Gesundheit“ nicht alle Tätigkeiten des Ministeriums von Herrn Banzer abdeckt? Ich hätte gerne eine Reaktion von Ihnen. Sie haben ebenfalls die Möglichkeit einer Kurzintervention.

Diese Frage ist eindeutig mit Nein zu beantworten. In diesem Ministerium passiert mehr als nur die Themen Arbeit, Familie und Gesundheit. Das ist genau das Signal, das Sie aussenden. Im Übrigen machen es 15 Bundesländer anders. Darüber sollten Sie nachdenken. Sie senden ein falsches Signal an die Menschen in diesem Lande, und das sollten Sie ändern. Dieses Ministerium macht mehr, muss auch mehr tun, damit es bei den Menschen im Land ankommt. – Danke.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsident Heinrich Heidel:

Schönen Dank, Herr Bocklet.

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