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15.09.2009

Kordula Schulz-Asche zum: Gesetz über den Schutz vor genetischen Diskriminierungen in öffentlichen Dienstverhältnissen

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Was hier sehr trocken als Gesetzentwurf daherkommt, behandelt eine sehr zentrale Diskussion, die mit einem Bereich verbunden ist, in dem in den letzten Jahrzehnten ganz hervorragende wissenschaftliche Erkenntnisse erzielt wurden. Ich spreche über die Humangenomforschung. Mit dieser Forschung sind sehr viele Hoffungen im Bereich der Diagnose und der Behandlung von Krankheiten verbunden und es stellen sich wirklich Fortschritte in der Medizin dar. Gleichzeitig wissen wir aber, dass solche hochsensiblen individualisierten Daten immer auch Gefahren in sich bergen, Gefahren des Missbrauchs, Gefahren der Diskriminierung, Gefahren der Selektion. Gerade vor dem Hintergrund der deutschen Geschichte sollten wir uns dieser Gefahren voll bewusst sein.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Aus diesem Grunde ist BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN seit langem der Meinung, dass wir gesetzliche Regelungen für verschiedene Lebensbereiche brauchen. Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Bundestag hat hierzu einen sehr ausführlichen Gesetzentwurf eingebracht, der sich in dieser umfassenden Form leider nicht durchsetzen konnte.

Wir haben seit dem Frühsommer dieses Jahres ein auf Bundesebene beschlossenes Gendiagnostikgesetz, das leider sehr viele Lücken und Ausnahmen enthält. Wir wollten, dass die gesetzlichen Regelungen weiter gehen. Dazu hätte ein ausdrückliches Diskriminierungsverbot gehört, und dazu hätte natürlich auch gehört – das will ich hier ausdrücklich betonen –, dass jeder Mensch ein Recht auf das Nichtwissen seiner genetischen Informationen hat. Dieses Recht auf Nichtwissen konnten wir leider nicht durchsetzen.

Letztendlich ist der Schutz vor Diskriminierung und Selektion ein Bürgerrecht. Wir haben – mit der FDP und der Linkspartei – im Bundestag das Gendiagnostikgesetz abgelehnt, weil die Bürgerrechte durch dieses Gesetz nicht ausreichend geschützt werden.

Auf der anderen Seite ist es allerdings so, dass das Bundesgesetz zum ersten Mal überhaupt verbindliche Regelungen vorgibt. Allein das ist schon ein Erfolg. Die gesetzlichen Bestimmungen umfassen bestimmte Bereiche, z. B. die medizinische Versorgung, Fragen der Abstammung, aber auch Bereiche des Arbeitslebens und vor allem des Arbeitsschutzes. Die arbeitsschutzrechtlichen Bestimmungen in diesem Gesetz gelten allerdings ausschließlich für Bundesbeamte.

Was sagen diese Bestimmungen? Genetische Untersuchungen auf Verlangen des Arbeitgebers werden verboten. In anderem Zusammenhang erstellte Erkenntnisse über den genetischen Zustand eines Menschen dürfen nicht erfragt, entgegengenommen oder verwendet werden. Bestimmte arbeitsmedizinische Voruntersuchungen sind untersagt bzw. nur sehr eingeschränkt möglich. Es ist doch absurd, dass diese Regelungen lediglich für Bundesbeamte, nicht aber für Beamtinnen und Beamte des Landes Hessen, die Kommunalbeamtinnen und Kommunalbeamte und Richterinnen und Richter des Landes Hessen gelten. Deswegen legen wir Ihnen heute diesen Gesetzentwurf vor.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Lassen Sie mich zum Schluss komme. Ich denke, es ist notwendig, die geltenden Regelungen, die für Beamtinnen und Beamte des Bundes gelten, möglichst schnell auf Hessen zu übertragen, damit sich Beamtinnen und Beamte auf kommunaler Ebene, Richterinnen und Richter sowie Beamtinnen und Beamte in der ministeriellen Verwaltung und im übrigen Landesdienst auf diese arbeitsrechtlichen Schutzbestimmungen berufen können.

Ich möchte aber auch hier in Hessen eine öffentliche Debatte über die Frage führen, wie mit Gendiagnosen umgegangen wird. Wir müssen über dieses Thema diskutieren, um eine hohe Sensibilität sowohl bei den Arbeitgebern – nicht nur den öffentlichen, sondern auch den privaten – als auch bei den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern zu wecken. Das ist der zweite Wunsch, den ich mit der Vorlage dieses Gesetzentwurfs verbinde. Lassen Sie uns möglichst breit über die Vorteile, die Chancen und die Gefahren der Genomforschung diskutieren. Ich denke, das ist eine der Herausforderungen an die gesellschaftlichen Debatten in der Zukunft. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Vizepräsident Lothar Quanz:

Danke sehr, Frau Schulz-Asche.