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09.12.2009

Karin Müller zum Gesetz über den öffentlichen Personennahverkehr in Hessen

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Falls Sie Herrn Müller soeben nicht so ganz richtig verstanden haben: Wir GRÜNE werden uns dieses Mal, bei der zweiten Lesung, enthalten. Wir haben uns das letzte Mal ziemlich kritisch geäußert. Diese Kritik hat sich auch noch nicht erledigt. Wir sehen aber ein, dass in der Anhörung viele gesagt haben, dass das Gesetz jetzt erst einmal verlängert werden muss, um Rechtssicherheit zu schaffen. Ob diese nun mit dem Gesetzentwurf geschaffen worden ist, ist noch nicht ganz eindeutig geklärt. Herr Saebisch hat es noch einmal überprüfen lassen, und die Praxis wird zeigen, ob die Rechtssicherheit wirklich gegeben ist. Wir haben deswegen auch keine Änderung zu dem Antrag eingebracht, sondern einen eigenen Antrag, damit wir Ihnen sozusagen Hinweise geben können, wie ein zukunftsfähiges ÖPNV-Gesetz aussehen würde.

(Zuruf von der SPD)

– Nein, ich bin noch nicht fertig. Ich habe jetzt nur einiges übersprungen, da ich verkürzt habe. – Wir erkennen auch an – Herr Saebisch hat es bei einer VDV-Tagung gesagt –, dass die Landesregierung mit den Betroffenen in den Dialog treten und innerhalb von zwei Jahren eine inhaltliche Novellierung des Gesetzes vorlegen will. Wir haben Ihnen heute deswegen unsere Änderungen vorgeschlagen. Wir schlagen Ihnen vor, dass Sie das ÖPNV-Gesetz auch als Steuerungsinstrument nutzen, um den öffentlichen Personennahverkehr ökologisch, ökonomisch und sozial ausgewogen voranzubringen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dabei können Sie nebenbei noch Arbeitsplätze schaffen – viel mehr als beim Straßenbau. Diese Gelegenheit sollten Sie nutzen und jetzt mit der Evaluierung des Gesetzes beginnen.

(Beifall der Abg. Ursula Hammann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Es wurde schon viel über diese drei Tage in Kopenhagen geredet; und vonseiten der Landesregierung wird viel über nachhaltige Mobilität geredet, aber über das Reden hinaus ist bisher noch nicht viel passiert. Dass wir jetzt handeln müssen, wenn wir die Klimaschutzziele erreichen wollen, dürfte jedem klar sein. Der Bundesumweltminister der CDU, Norbert Röttgen, hat auf die Frage, was uns der Klimaschutz kosten wird, gesagt, es stelle sich nicht die Frage, was es uns kosten würde, sondern was es uns kostet, wenn wir jetzt nichts tun.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dieser Satz sollte unserer Meinung nach auch das Handeln der Hessischen Landesregierung leiten, wenn es um die Weiterentwicklung des ÖPNV-Gesetzes und die Frage geht, wie der Kohlendioxidausstoß des Verkehrssektors bis zum Jahr 2020 gegenüber 1990 um 30 % gesenkt werden könnte. Diese Senkung ist nach unserer Sicht notwendig, damit der notwendige Beitrag zum Klimaschutz auch wirklich geleistet werden kann. Wir wollen Ihnen gern helfen, dafür Antworten zu finden und haben deshalb einige Dinge in unserem Antrag formuliert, die eigentlich selbstverständlich sind, aber noch nicht umgesetzt werden:

Erstes Ziel muss es sein, den Anteil des öffentlichen Personennahverkehrs an der Gesamtverkehrsleistung deutlich zu steigern. Das erreichen wir nicht mit Straßenbau und „Staufreiem Hessen“ oder mit Investitionen in Regionalflughäfen, die keiner braucht und von denen keiner weiß, was sie letztendlich kosten.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir schaffen das auch nicht mit den bisher im Haushalt für den ÖPNV eingesetzten Mitteln, von welchen nämlich kein Euro aus originären Landesmitteln kommt. Zwar sollen die Bundesmittel schrittweise zu 100 % weitergegeben werden – wir erkennen an, dass jetzt auch Geld aus dem Kommunalen Finanzausgleich für den ÖPNV umgeleitet wurde –, aber der Investitionsstau der letzten Jahre, weil bisher eben nicht alle Mittel weitergeleitet worden sind, und die Vernachlässigung des ÖPNV beim Konjunkturprogramm machen in den nächsten Jahren erhebliche finanzielle Anstrengungen erforderlich. Nur wenn wir uns anstrengen, können wir im Verkehr zu einer Umkehr kommen und auch hier eine Verringerung des CO2-Ausstoßes erreichen. Ich erinnere an dieser Stelle noch einmal an den Satz von Herrn Röttgen.

Der öffentliche Personennahverkehr muss mit den übrigen Bestandteilen des Umweltverbundes – also den Fußgängern, Radfahrern, aber auch dem Carsharing – als vollwertige Alternative zum motorisierten Individualverkehr gesehen werden. Da ist es aus unserer Sicht von elementarer Bedeutung, bei den Kleinsten anzufangen. Sei es durch die kostenlose Nutzung des ÖPNV für alle Kinder unter sechs Jahren oder durch die Einführung eines hessenweiten Schülertickets, ähnlich des Semestertickets. Wenn Kinder und Jugendliche früh daran gewöhnt werden, den ÖPNV bequem und sicher zu nutzen oder kurze Wege zu Fuß oder mit dem Fahrrad zu bewältigen, ist dies für ihr späteres Mobilitätsverhalten entscheidend. Hier verhält es sich wie im gesamten Bildungssystem: Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmer mehr. Und um Hans dauerhaft für den ÖPNV zu gewinnen, bedarf es einiger Anstrengungen, um ihm möglichst Kundenfreundlichkeit, Verlässlichkeit und damit eine hohe Mobilität zu gewährleisten.

Dazu gehört für uns auch die Einführung eines landesweiten integralen Taktfahrplanes, auch in den Tages-, Rand- und Nachtzeiten sowie am Wochenende.

Staatssekretär Saebisch hat bei der ersten Lesung des ÖPNV-Gesetzes gesagt: „Mit der Änderung werden keine tiefgehenden verkehrspolitischen Weichenstellungen vorgenommen.“ Wir GRÜNE hoffen, dass Sie sich schnell daranmachen und die zwei Jahre der Verlängerung gut nutzen, um eine Umsteuerung zu erreichen. Denn wir brauchen eine neue Weichenstellung in der Mobilitätspolitik. Unser Antrag zeigt Ihnen, wie diese aussehen könnte. Wir bitten um Unterstützung für unseren Antrag.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Timon Gremmels (SPD) und Janine Wissler (DIE LINKE))

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