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20.04.2016

Karin Müller – Situation des Handwerks in Hessen – Bedeutung des Meisterbriefs für die Qualität und die Ausbildungsleistung

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Auch ich grüße das Handwerk und freue mich, dass Sie heute zu unserer Plenardebatte gekommen sind. Vielen Dank, dass Sie da sind.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei Abgeordneten der CDU und des Abg. Florian Rentsch (FDP))
Ich dachte, wir reden am Mittwochmorgen über ein positives Thema. Jetzt höre ich, dass es durchaus auch Kritik gibt, an vielen Stellen auch berechtigte. Aber insgesamt können wir doch sagen, das Handwerk ist auf einem guten Weg, das Handwerk hat goldenen Boden, und – wie wir sagen – das Handwerk hat auch einen grünen Boden; es deckt nämlich viele Zukunftsbereiche ab, die auch für uns wichtig sind. Ich nenne nur die Themen erneuerbare Energien, Frauenförderung, Integration von jungen Menschen in den Arbeitsmarkt – alles grüne Themen, die auch Zukunft haben. Mit grünen Ideen kann man schwarze Zahlen schreiben.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)
Das Handwerk ist als ältester Wirtschaftsbereich mit eigener kultureller Entwicklung das Kernstück der mittelständischen Wirtschaft in Hessen. Ich denke, das ist uns allen – auch der Hessischen Landesregierung – sehr bewusst. Das Handwerk ist im fünften Jahr in Folge in ungetrübter Stimmung. Ich habe gerade heute in der „HNA“ vernommen, dass die Betriebe das auch so sehen: 82,5 Prozent der Betriebe in Hessen sind zuversichtlich. Das liegt im Moment auch an der Stimmung. Es gibt geringe Zinsen, es wird in das sogenannte Betongold investiert und der Sanierungsstau wird aufzuarbeiten versucht.
Im Handwerk haben wir 25.000 Auszubildende. Es ist schon genannt worden: Das Handwerk macht einen Umsatz von 33 Milliarden Euro im Jahr – das sind Zahlen von 2015 –, also eine Menge Geld. Das liegt zum einen an der Konsumfreude, an dem Betongold –ich habe es eben schon gesagt – aber zum anderen auch an neuen Trends. Es gibt immer mehr eine Rückbesinnung auf das gute Handwerk und auf die gute Handwerksarbeit. Es gibt immer mehr Handwerksmärkte, die den Bürgerinnen und Bürgern auch eine hohe Qualität anbieten. Es gibt viele Projekte zum Thema Handwerk und Tourismus – gerade in Nordhessen gibt es dazu ein Projekt, bei dem man an bestimmten Tagen Handwerksbetriebe besichtigen kann. Es gibt Aktionswochen zum Thema Handwerk und Tourismus. In dem Bereich tut sich also ganz viel. Dafür ist natürlich in erster Linie das Handwerk verantwortlich.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)
Aber Politik muss und kann dafür auch die Rahmenbedingungen setzen. Ich denke, das tut diese Landesregierung. Ich habe es schon gesagt, das Handwerk ist immer ein verlässlicher Partner für uns, wenn es um die Energiewende geht, oder darum, die Menschen in Ausbildung zu bringen, oder um die Integration von Flüchtlingen. Dafür aber an dieser Stelle noch einmal herzlichen Dank an das Handwerk.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)
Das Handwerk ist eigentlich die tragende Säule in der Energiewende. Der Anteil der Betriebe im Energiesektor, die ausbilden, ist sehr hoch einzustufen. Dafür sind insbesondere die Handwerksbetriebe dieses Sektors verantwortlich. Aber dabei gibt es natürlich – Frau Barth hat es schon gesagt – auch Probleme, diese Stellen zu besetzen. Deswegen engagiert sich die Landesregierung auch besonders dabei, den Jugendlichen die Fähigkeiten zu vermitteln, die sie vielleicht noch nicht vollständig haben, damit sie den Anforderungen entsprechen. Dafür werden besondere Unterstützungs- und Beratungsstrukturen aufgebaut.
Die Energiewende ist also eine Win-win-Situation, sowohl für das Handwerk, als auch für die jungen Menschen, die eine Chance bekommen, eine Ausbildung zu absolvieren; für das Handwerk besteht die Chance, diese jungen Menschen zu mit interessanten Ausbildungsberufen gewinnen. Das ausgeschöpfte Potenzial in diesem Bereich ist aber auch sehr groß, wenn wir sehen, dass weniger als 20 % der Heizungsanlagen in Hessen auf einem aktuellen Stand der Technik sind. Da gibt es also noch enormen Nachholbedarf.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)
Auch bei 75 Prozent der 1,3 Millionen Wohngebäude besteht noch energetischer Modernisierungsbedarf. Auch beim Thema Energieeinsparung im Gebäudebestand und bei der Begrenzung der klimarelevanten Emissionen gibt es noch viel zu tun. Das Investitionsvolumen, das bis 2020 berechnet wurde, liegt bei 2,2 Milliarden Euro – ein großer Markt. Die Hessische Landesregierung fördert dies auf Grundlage des Hessischen Energiegesetzes mit Maßnahmen zur Steigerung der Energieeffizienz und dem Einsatz erneuerbarer Energien und Kraft-Wärme-Kopplungen.
Aber auch das Handwerk ist ständig dabei, zu lernen und die Qualität zu verbessern. Ich weiß, am Anfang gab es Gespräche darüber, ob unsere Handwerker gut genug ausgebildet sind, um die Solaranlagen aufs Dach zu bringen, und ob man dem vertrauen kann. Das hat sich verändert. Mittlerweile gibt es sogar einen Gebäude-Energie-Berater, der bezüglich Effizienzmaßnahmen an Gebäuden berät.
Die Gebäudeberater, die die Effizienz von baulichen Maßnahmen für Fördermittel der Bundesanstalt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle oder der KFW beantragen wollen, brauchen eine Bescheinigung und müssen in der Energieeffizienzexpertenliste der Deutschen Energie-Agentur eingetragen werden. Das ist freiwillig. Aber es ist ein Qualitätskriterium, damit man weiß, diejenigen, die Fördermittel bekommen, haben auch nachgewiesen, dass sie in ihrem Bereich gut sind.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)
Das Handwerk widmet sich aber auch der gesellschaftlichen Aufgabe, mehr Frauen in Männerberufe zu bringen. Wir haben schon gehört, es gibt 10 Berufe. Da ist leider der Metzgermeister nicht dabei. Aber ich weiß, Herr Boddenberg, dass Sie stets bemüht sind, dass auch dieser Beruf auf die Liste der zehn beliebtesten Ausbildungsberufe kommt.
(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der CDU)
Aber es ist immer noch wie schon seit Jahrzehnten, dass Männer KFZ-Mechatroniker werden wollen und Frauen Friseurinnen und Fachverkäuferinnen im Lebensmittelbereich. Diese Konzentration auf wenige Berufe verändert sich nur ganz langsam. Auch dafür wird aber etwas getan.
(Zuruf des Abg. Clemens Reif (CDU))
Ein Fünftel der Ausbildungsverträge sind mit Frauen besetzt. Das ist erheblich zu wenig. Deswegen gibt es zum einen das Thema Vorbilder. So werden Meisterinnen immer mehr in den Blick genommen. Aber auch die Hessische Landesregierung hat eine MINT-Aktionslinie 2011 aufgelegt. In Kooperation mit der Regionaldirektion Hessen gibt es verschiedene Projekte. Das können Sie bei der Frage 7 nachlesen. Ich will Sie damit jetzt nicht langweilen, weil Sie das sowieso vorher gelesen haben. Ich will Ihnen aber ein Beispiel sagen, wie das funktioniert.
Wir haben in Kassel ein Projekt zum Übergang Schule-Beruf, in dem Mittel der Bundesagentur für Arbeit, Mittel des Landes aber auch die kommunalen Mittel stecken und durch das Mädchen gezielt mit Betrieben zusammengeführt werden. Man sieht, dass gerade Mädchen mit Migrationshintergrund es ganz toll finden, in Männerberufen ihre starke Frau zu stehen. Ich denke, das ist ein lohnender Bereich, einmal zum Thema Integration aber auch zur Stärkung der Frauen. Es sind gute Sachen, die mit dem Handwerk vorangebracht werden.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)
Der zentrale Baustein für eine gelungene Integration ist natürlich die berufliche Erstausbildung. Da stellt die Landesregierung zusätzliche Mittel bereit, um die vorhandenen Programme zu ergänzen – das ist auch schon genannt worden –: die landesweite Strategie OloV zur Optimierung der lokalen Vermittlungsarbeit zwischen Schule und Betrieb, die Initiative ProAbschluss und es gibt das neue Förderprogramm „gut ausbilden“. Dort werden insbesondere finanzielle Anreize für Kleinstunternehmen, also für Betriebe mit weniger als 10 Beschäftigten, gesetzt, die dann auch ausbilden können, und die Ausbildungsqualität wird erhöht. Dafür ist dieses neue Förderprogramm.
Aber auch in dem Bereich ist es so: Vorbilder wirken. Da gibt es gute und viele. Bereits 22 Prozent der inhabergeführten Einzelbetriebe für Menschen mit anderer als deutscher Staatsangehörigkeit werden bereits in dieser Hand geführt, und ich denke, das sind gute Vorbilder, die man auch gut herausstellen kann.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)
Zum Meisterbrief ist schon einiges gesagt worden. Wir haben es auch im Koalitionsvertrag festgeschrieben, dass wir eine weitere Novelle der Handwerksordnung nicht für erforderlich halten. Ich will aber auch sagen – das hat Herr Kollege Klose schon gesagt –, dass wir damals, im Jahr 2004, die Reform der Handwerksordnung als richtig empfunden haben. Damals war es das Ziel, die Schwarzarbeit in diesem Bereich einzudämmen. Ich glaube, dort hat es auch gewirkt, und Unternehmensgründungen wurden erleichtert. Das ist dann ein bisschen zu viel geworden; wir alle kennen das Beispiel der Fliesenleger. Aber deswegen sagen wir auch: Derzeit halten wir eine weitere Novelle nicht für erforderlich.
Alles andere ist, denke ich, gesagt worden. Ich habe auch nicht mehr so viel Zeit. Ich denke, wir sind auf einem guten Weg. Wir können stolz auf unser Handwerk sein. Hätte ich gewusst, dass ich heute reden sollte, hätte ich mich natürlich besser vorbereitet und eine Ahle Wurscht aus Nordhessen mitgebracht, um die Qualität des Handwerks auch schmecken zu können.
(Heiterkeit und Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU – Zuruf des Abg. Clemens Reif (CDU))
So kann ich Ihnen nur raten: Kommen Sie nach Nordhessen und probieren Sie nicht nur die Ahle Wurscht, sondern auch die Kasseler Grüne Soße.
(Heiterkeit und Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU –Zuruf der Abg. Peter Stephan (CDU) und Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Vizepräsidentin Heike Habermann:

Vielen Dank.

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