Inhalt

24.06.2015

Karin Müller: Gesetz zur Änderung hessischer Vollzugsgesetze

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Wir beraten in der ersten Lesung die Änderung der hessischen Vollzugsgesetze. Da die Länder noch nicht so lange eigene Vollzugsgesetze haben, begrüßen wir es außerordentlich, dass die bestehenden Gesetze umfassend evaluiert worden sind, dass im Vorfeld die Vollzugsanstalten, die Gerichte, die Staatsanwaltschaften, der Europäische Ausschuss zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung und die NSU-Expertenkommission beteiligt worden sind.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Ich habe mir schon gedacht, dass die FDP – von der SPD habe ich es auch erwartet – uns sagt, was wir damals kritisiert haben. Deswegen habe ich das nachgeschaut. Bei der Einbringung des Strafvollzugsgesetzes und des Untersuchungshaftvollzugsgesetzes im Jahr 2009 hat mein Kollege Dr. Andreas Jürgens kritisiert, dass das Vollzugsziel der Eingliederung und Resozialisierung durch einen eigenständigen Sicherungsauftrag relativiert würde und damit ein Gegensatz konstruiert würde zwischen Resozialisierung und Sicherheit, den es in Wirklichkeit gar nicht gibt. Das hat er so gesagt.

Das Vollzugsziel Resozialisierung folgt unmittelbar aus der Verfassung – das hat Herr Rentsch schon zitiert – und dient zugleich dem Anliegen der Allgemeinheit, vor weiteren Straftaten geschützt zu werden. Das Bundesverfassungsgericht hat das in seiner Rechtsprechung so festgestellt. Der verurteilte Straftäter hat Anspruch auf Resozialisierung aufgrund von Art. 2 Abs. 1 des Grundgesetzes – den kennen Sie alle –: „Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit“ in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 des Grundgesetzes: „Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.“ Das gilt selbstverständlich auch für die Gefangenen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Damals wurde bei den Strafvollzugsgesetzen, wie eingangs erwähnt, eine Trennung vorgenommen und damit aus dem, was zusammengehört, etwas Getrenntes. Jetzt werden der Gedanke der Resozialisierung wieder auf eine Ebene mit der Eingliederung und der Sicherheit gestellt. Damit kommt das Strafvollzugsgesetz dem Verfassungsgedanken nach. Es wurde vonseiten der Landesregierung, wie erwähnt, im Koalitionsvertrag festgelegt und wird damit jetzt umgesetzt.

Im muss auch sagen: Das Vollzugsziel der Resozialisierung wird wieder ausdrücklich aufgenommen. Das heißt aber nicht, dass die Resozialisierung – bei manchen auch die Sozialisierung – vorher nicht Leitgedanke in hessischen Vollzugsanstalten war. Es fehlte jedoch die ausdrückliche Benennung und Gleichgewichtung mit dem Sicherheitsauftrag. Die SPD hat eine Große Anfrage zu dem Thema Resozialisierung gestellt. Dazu ist uns einiges aufgezeigt worden, was in den hessischen Justizvollzugsanstalten jetzt schon geleistet wird.

(Zuruf der Abg. Heike Hofmann (SPD))

Auch wurden in den Gesetzentwurf die Hinweise des Europäischen Ausschusses zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung aufgenommen, und das Höchstmaß des disziplinarischen Arrests wurde abgesenkt. Außerdem wurde ein umfassendes Einsichtsrecht in alle vollzuglichen Akten bei Besuchen des Ausschusses vorgesehen. Ich denke, auch dieser Punkt ist positiv hervorzuheben.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Beim Jugendstrafvollzugsgesetz steht natürlich der Erziehungsgedanke im Vordergrund, um jungen Menschen ein Leben in Freiheit und Verantwortung zu ermöglichen.

Auch das Thema Extremismus im Vollzug findet sich in den Gesetzentwürfen wieder. Die NSU-Expertenkommission hat entsprechende Vorschläge gemacht. Das ist ein Thema, dem wir – –

(Zuruf des Abg. Günter Rudolph (SPD))

– Das ist in der Vorlage drin.

(Zuruf des Abg. Günter Rudolph (SPD))

– Ja.

(Zuruf des Abg. Günter Rudolph (SPD))

– Die haben Stellung genommen zu den Vollzugsgesetzen.

(Zuruf des Abg. Günter Rudolph (SPD))

– Also, sie sind – –

(Zuruf von der CDU – Zuruf des Abg. Günter Rudolph (SPD))

– Sie haben zu dem Gesetzentwurf Stellung genommen, und das ist in dem Entwurf dokumentiert. Der ist doch jetzt öffentlich, oder nicht? – Aber der Gesetzentwurf ist öffentlich. Darin steht es.

Also, diesem Thema schenken wir eine erhöhte Aufmerksamkeit. Da tut die Ministerin was, und zwar sowohl auf Landesebene als auch auf Bundesebene.

(Zuruf des Abg. Günter Rudolph (SPD))

Wir haben das Thema muslimische Seelsorger hier schon öfter diskutiert. Es gibt auf der einen Seite die muslimische Seelsorge in den Gefängnissen, es gibt auf der anderen Seite aber auch das Violence Prevention Network, das in den Gefängnissen zur Deradikalisierung beiträgt, und es gibt die religiösen Angebote. Das muss man aber auch immer wieder auseinanderhalten.

Natürlich wurde das Gesetz auch der aktuellen Gesetzgebung angepasst,

(Zuruf des Abg. Günter Rudolph (SPD))

und ich bin gespannt auf das Beratungsverfahren. Dann werden wir die anderen Punkte noch im Einzelnen erörtern können. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Vizepräsidentin Ursula Hammann:

Vielen Dank, Frau Kollegin Müller.