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29.03.2012

Karin Müller: Faire und transparente Treibstoffpreise gewährleisten

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Müller hat mir eine Steilvorlage gegeben. Wahrscheinlich denkt die FDP auch, mit Benzinpreisen kann man Wählergunst verlieren, aber vielleicht auch gewinnen. Deswegen haben Sie das Thema heute aufgegriffen.

Ich erkläre Ihnen noch einmal, wie das damals mit den fünf DM war. Auch die SZ schreibt: „Was Ottokraftstoff angeht, sind die GRÜNEN schon eine seltsame Partei.“ – 1998 hätten wir damit einen Wahlerfolg riskiert. Von dem 5-DM-Ziel sind jetzt nur noch 1,74 Euro übrig. Und jetzt wird auf die Mineralölkonzerne eingedroschen. Der ADAC hätte es nicht besser sagen können. So die SZ vor ein paar Tagen.

Wie war das denn damals mit den 5 DM? – Es war nicht so, dass die 5 DM innerhalb von zehn Jahren – also bis 2008 – gezahlt und die Bürgerinnen und Bürger nicht entlastet werden sollten, ganz im Gegenteil. Die Sozialversicherungsbeiträge sollten um 6 Cent gesenkt, die Kfz-Steuer sollte abgeschafft und der ÖPNV sollte massiv ausgebaut werden. Das war das Konzept. Und wer sich darüber informiert hatte, fand das gut.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN^)

Es war keinesfalls der Rückfall in die Fundamentalopposition. Die GRÜNEN kümmern sich aber auch um die Verbraucherinnen und Verbraucher.

Deswegen hat die grüne Bundestagsfraktion eine Studie in Auftrag gegeben, die wir ausgewertet haben. In dieser Studie kommt man eindeutig zu dem Ergebnis, dass 42 Prozent der Gewinnmitnahmen seit November 2011 auf Kosten der Konzerne gehen. 42 Prozent sind im Monat 100 Millionen Euro an Kaufkraft, die den Verbraucherinnen und Verbraucher verloren gehen. Dagegen wollen wir genauso wie Sie etwas tun. Deswegen unterstützen auch wir das australische Modell.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir sagen durchaus, man soll das erst einmal begrenzt ausprobieren und dann evaluieren. Es gibt nämlich spieltheoretische Untersuchungen, die besagen, bei diesem Modell könnte es sein, dass die Mineralölkonzerne extra vorher etwas drauflegen, um in den Preismargen zu bleiben, die sie dann erhalten wollen. Aber wir sehen uns das vorurteilsfrei an und hoffen, dass es den Verbraucherinnen und Verbrauchern zugute kommt und diese 42 Prozent nicht immer wieder draufgeschlagen werden.

Die Argumentation mit dem erhöhten Ölpreis oder dem Iranembargo zählen laut Untersuchung nicht. Die Mineralölsteuer haben Sie von 1992 bis 1999 mehrfach erhöht. Seit 2003 sind die Mineralölsteuer und die Ökosteuer um 0 % erhöht worden.

Gegen einen nicht funktionierenden Wettbewerb muss man angehen. Dagegen sollten wir auch gemeinsam vorgehen, damit die Kaufkraft bei den Bürgerinnen und Bürgern bleibt. Aber das ist nur die eine Seite der Medaille. Die Ölpreise werden weiter steigen. Es ist ein knapper werdendes Gut. Ich muss hier nicht über Peak Oil referieren. Ob es schon überschritten ist oder nicht, bleibt egal, denn das Öl wird knapper werden.

Die Schwellenländer verbrauchen immer mehr. In China – das ist ein gutes Beispiel – gab es 2002 16 Millionen Pkw, und für 2020 rechnet man mit 160 Millionen Pkw. Das sind 100 Pkw pro 1000 Einwohner. Zum Vergleich: Bei uns sind es im Durchschnitt 516 Pkw pro 1.000 Einwohner.

Man kann sich ausrechnen, wie viel Bedarf an Öl vorhanden ist. Das heißt, wir müssen weg vom Öl. Wir müssen Verkehre verlagern und vermeiden. Wir müssen mit unsinnigen Investitionen in neue Infrastrukturprojekte aufhören. Kassel-Calden kann man vielleicht noch als Golfplatz verwenden, aber als Flughafen wird er einfach nicht gebraucht.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Dr. Frank Blechschmidt (FDP) – Zuruf des Abg. Jürgen Lenders (FDP))

Auch jedem Abgeordneten seine Umgehungsstraße wird nicht mehr funktionieren. Straßenerhalt und
-sanierung, Ausbau der Schieneninfrastruktur, aber auch nicht für unsinnige Großprojekte,

(Zuruf des Abg. Dr. Frank Blechschmidt (FDP))

das ist die Devise, aber nicht so, wie Sie Betonpolitik machen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich tue Ihnen noch einen Gefallen. Ich erwähne auch das Thema Tempolimit. NRW hat gestern 120 km/h vorgeschlagen. Wir sagen, wenn wir als Höchstgeschwindigkeit 130 km/h durchsetzen würden, hätten wir viel erreicht, und im Vergleich zur Durchschnittsgeschwindigkeit von 150 km/h, die jetzt auf Autobahnen gefahren werden, würden wir auf 100 km 2 Liter Benzin sparen. Sie können sich ausrechnen, das wären enorme Summen. Da müssen wir ansetzen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Auch die Automobilhersteller sind gefragt – zum einen, sich weiter als Mobilitätsdienstleister auszubauen, und zum anderen, effizientere Autos zu bauen. Die Elektroautos werden erst in 2050 serienmäßig produziert werden können und dann Effekte bringen. Es muss also jetzt passieren. Die Verbraucherinnen und Verbraucher sind gefordert, nicht mehr die Riesenautos zu kaufen, die auch noch mehr Parktraum benötigen, sondern sich auf kleinere und effizientere Autos zu beschränken.

Alles in allem sind wir gar nicht so weit voneinander entfernt. Das heißt, Sie können unserem Antrag ruhig zustimmen. Dass wir eine Verkehrswende brauchen, können auch Sie nicht leugnen. Sonst ist der Liter Benzin nicht bei 5 DM, sondern bei 5 Euro. Stimmen Sie unserem Antrag zu, um ein Zeichen gegen die Benzinpreisabzocke der Mineralölkonzerne

(Lachen des Abg. Peter Stephan (CDU))

und für eine sofortige Verkehrswende zu setzen, die uns unabhängiger vom Öl macht.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsident Lothar Quanz:

Vielen Dank, Frau Müller.

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