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24.06.2015

Karin Müller: Fahrradland Hessen – Radverkehr als zentraler Mobilitätsbestandteil

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Radfahren boomt, und mittlerweile erkennen das alle – bis auf die FDP vielleicht –, dass mehr getan werden muss als bisher.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Bereits seit 1998 findet jedes Jahr am 3. Juni der Europäische Tag des Fahrrades statt. Er wurde anlässlich der zunehmenden problemhaften Verkehrsdichte durch modernisierte Fortbewegungsmittel eingeführt und soll darauf hinweisen, dass das Fahrrad das umweltfreundlichste, gesündeste und sozial verträglichste Fortbewegungsmittel darstellt.

Schon Adam Opel hat festgestellt, dass bei keiner anderen Erfindung das Nützliche mit dem Angenehmen so innig verbunden ist wie beim Fahrrad.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Also höchste Zeit, dass Hessen auch beim Radverkehr vorn ist. Für die FDP kommt dieses Ansinnen laut ihrer Presseverkündigungen aus einer anderen Welt. – Oder vielleicht kommt die FDP aus einer anderen Welt. Ich weiß es nicht.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Die FDP ist verblüfft darüber, dass CDU und GRÜNE Hessen zum Fahrradland entwickeln wollen. Das lenke – so Herr Rentsch – davon ab, dass die Wirtschaftskraft des Landes von Straßen- und Bahnverbindungen sowie vom Frankfurter Flughafen abhängig sei. – Ja, auch, aber wir wundern uns bei solch einer Aussage nicht, dass Hessen im Bereich Fahrradmobilität bislang nicht so weit vorn ist, wie es sein könnte. Denn der ehemalige Wirtschafts- und Verkehrsminister heißt – wir wissen es alle – Rentsch.

Dabei ist das Fahrrad durchaus auch ein Wirtschaftsfaktor in Hessen. Einzelhändler haben im Bereich Fahrräder, Teile und Zubehör im Jahr 2012 rund 160 Millionen Euro umgesetzt. 1.500 Personen sind in Hessen im Fahrradeinzelhandel beschäftigt. Aber das ist für die FDP alles nichts.

8.000 Fahrräder aus Hessen gingen in den Export, Wert 4 Millionen Euro.

Legt man dann den Warenwert von Fahrrädern, Teilen und Zubehör zugrunde, die noch nicht montiert wurden, so beläuft sich der Importwert auf 65,4 Millionen Euro und der Exportwert auf 43,5 Millionen Euro.

Aber auch beim Thema Tourismus hat das Fahrrad in Hessen einen erheblichen Anteil. Dem Radtourismus in Hessen werden mehr als 1 Million Übernachtungen zugeordnet. Übernachtungsgäste mit Fahrrad geben durchschnittlich 64 Euro pro Tag und Kopf aus. Fahrradausflügler rund 16 Euro pro Tag und Kopf.

Schätzungsweise gibt es 10 Millionen Ausflügler in Hessen. Im Tourismus liegt der Umsatz der Radbranche bei ungefähr 220 Millionen Euro. – Ich finde, das ist weit mehr als nichts, lieber Herr Rentsch.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der CDU)

Aber Rad fahren ist nicht nur Freizeitverkehr, sondern auch integraler Bestandteil des Alltagsverkehrs. Die letzten Zahlen sind aus „Mobilität in Deutschland“. 2008 lagen sie noch bei 6,1 Prozent. Wir sind gespannt auf die nächsten Zahlen, die 2016 erhoben werden, und auf die Auswertung. Ich denke, der Anteil wird sich gesteigert haben, und das auch dank unseres Verkehrsministers.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Es hat sich einiges getan. Es gibt Pedelecs und E-Bikes; die boomen. Ganz ohne staatliche Förderung gibt es bereits über 1 Million Pedelecs und E-Bikes in Deutschland.

In vielen Städten Hessens findet einmal im Monat eine Critical Mass statt, bei der man sich spontan trifft und bei der alle zeigen, dass das Fahrrad gleichberechtigter Teilnehmer im Straßenverkehr ist.

Man sieht auch immer mehr trendige Fahrräder, hochwertig hergestellt, restaurierte Fahrräder. Fahrrad fahren gehört zum Lebensstil, und auch in einer Stadt mit viel Autoverkehr

(Unruhe – Glockenzeichen der Präsidentin)

trägt das Fahrrad dazu bei, dass die Staus nicht größer werden. Ich nenne einmal das Beispiel Frankfurt, das seinen Fahrradanteil erheblich erhöht hat, weil man sonst dort die Masse an Autoverkehr gar nicht mehr bewältigen könnte.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Auch das Land Hessen wird diese Trends unterstützen. Das ist ein ressortübergreifendes Thema. Ich denke, dass das Verkehrsministerium, aber auch das Sozialministerium, das Umweltministerium, die Hessen-Agentur, das Innenministerium, Hessen-Mobil, alle zusammen, an diesem Thema arbeiten, weil es eben alle Bereiche betrifft.

Gerade der Gesundheitsaspekt ist beim Radfahren ein ganz wesentlicher und nicht zu unterschätzen, wobei wir wieder beim Thema Wirtschaft wären: Rad fahrende Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sind durchschnittlich vier Tage weniger krank als andere

(Zuruf des Abg. Norbert Schmitt (SPD))

und sind auch länger fit und erhöhen dadurch natürlich auch nicht die Gesundheitskosten.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Aber auch das Thema Klimaschutz und Luftreinhaltung ist natürlich keinesfalls zu vernachlässigen. Lebenswerte Städte haben eine große Bedeutung, und wenn es um die Frage geht, dies zu unterstützen, haben Bund, Länder und Kommunen eine gemeinsame Aufgabe, den Radverkehr zu unterstützen.

Das Land Hessen hat bisher auch schon einiges getan, aber die Anstrengungen müssen weitergehen. Die finanzielle Ausstattung ist – das ist eine Seite – ganz wichtig, und da gibt das Land Hessen über die Entflechtungsmittel an die Kommunen jedes Jahr 7 Millionen Euro. Weitere 8 Millionen Euro stehen jährlich aus Bundesmitteln zur Verfügung, und – der Minister hat es vor zwei Wochen vorgestellt – in dem neuen Landesstraßenbauprogramm sind 4 Millionen Euro für 60 neue Radwege mit insgesamt 90 km reserviert. Wir werden genau darauf achten, dass diese Mittel auch ausgegeben werden.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Bisher waren es nur 2,4 Millionen Euro im Jahr, die für den Bereich Radwege an Landesstraßen ausgegeben worden sind.

Aber nicht nur das Thema Infrastruktur ist wichtig, sondern wichtig sind auch Information und Kommunikation. Insbesondere beim Thema Verkehrssicherheit besteht Aufklärungsbedarf. Viele fühlen sich, wenn sie auf dem Gehweg fahren, sicherer. Aber das ist nur ein subjektives Empfinden.

Sie alle kennen die Situation: Wenn auf dem Gehweg gefahren wird und Straßen kreuzen, kommt es oft zu gefährlichen Situationen, oder es entsteht die Situation, wie es erst kürzlich passiert ist, dass Lkw-Fahrer im toten Winkel Radfahrerinnen und Radfahrer übersehen. Hier besteht Aufklärungsbedarf und Sensibilisierung, um diese Unfälle zu vermeiden.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Aber – wie gesagt – der Radverkehr findet hauptsächlich in den Kommunen statt. Hier gibt es viele kurze Wege, die viel schneller, gesünder und kostengünstiger mit dem Fahrrad als mit einem anderen Verkehrsmittel bewältigt werden können.

Um den Kommunen eine Plattform für Kommunikation, Erfahrungsaustausch und Vernetzung anzubieten, läuft auf Landesebene gerade die Vorbereitung der AG Nahmobilität. In anderen Ländern heißt das Arbeitsgemeinschaft fahrradfreundliche Städte, aber diese Länder kümmern sich mittlerweile auch um den Fußverkehr. Deswegen sagen wir „Hessen vorn“ und nennen das Ganze gleich AG Nahmobilität.

Das Ministerium wird die Koordination übernehmen, und das Rad braucht dann nicht immer neu erfunden zu werden. Das ist eigentlich eine ganz einfache Sache: Die Kommunen können dann gegenseitig voneinander lernen, wenn es um positive Beispiele geht, wie man Stellplätze schafft, wie man Abstellanlagen für Fahrräder auf den neuesten Stand bringt – technisch und wettersicher – oder wie man Aktionen wie „Einkaufen mit dem Fahrrad“ voranbringt oder eben das Thema Verkehrssicherheit.

Es können prominente Radler für Kampagnen einbezogen werden usw. Es gibt ganz viele positive Beispiele, die auch immer weitergegeben werden können.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Aber auch bei der Vernetzung von Bussen und Bahnen mit dem Fahrrad gibt es in Hessen noch Nachholbedarf. Während deutschlandweit 5 Prozent diese Kombination nutzen, sind es in Hessen nur 3,2 Prozent. Deswegen ist es nötig, vor allen Dingen an Bahnhöfen sichere Abstellplätze zu schaffen. Dazu haben wir in unserem Antrag formuliert, dass die Landesregierung gebeten wird, mit der Bahn und den Kommunen Rahmenvereinbarungen zu schließen, um das ein Stück weit voranzubringen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Auch bei der Mitnahme in den S-Bahnen und den Zügen ist es mit Fahrrädern kein Problem. Deswegen soll bei den Ausschreibungen genau darauf geachtet werden, dass genügend Stellplätze für Fahrräder in den Zügen vorhanden sind.

Da ich nicht mehr viel Zeit habe, wenigstens noch ein Satz zu dem SPD-Antrag – mehr ist dazu nicht erforderlich. Die SPD hat nochmals schnell einige ihrer Standardsätze aufgeschrieben: Geld und Konzepte werden benötigt. – Aber so einfach kann man es sich nicht machen.

(Zuruf des Abg. Timon Gremmels (SPD))

Ein bisschen mehr Kreativität hätte ich da von Ihnen schon erwartet.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU – Zuruf des Abg. Timon Gremmels (SPD))

Wenn Sie kein Konzept erkennen, dann ist das ein Problem Ihrer subjektiven Wahrnehmung und nicht dem geschuldet, was tatsächlich passiert.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Enden möchte ich gerne mit einem Zitat vom ADFC. Norbert Sanden, der Geschäftsführer, sagt:

Der ADFC Hessen begrüßt diese historischen und richtungsweisenden Antrag der Fraktionen der CDU und von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sehr. Er liegt am Puls der Zeit und bietet eine gute Grundlage für einen Sprung in die Zukunft. Wir würden uns daher sehr freuen, wenn alle Landtagsfraktionen diesem nicht-ideologischen und sachgerechten Antrag zustimmen würden.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU – Zurufe von der SPD)

Vizepräsidentin Ursula Hammann:

Vielen Dank, Frau Kollegin Müller.

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