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25.11.2014

Karin Müller: Erste Lesung des Gesetzentwurfs der Landesregierung für ein Hessisches Jugendarrestvollzugsgesetz

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf der Landesregierung für ein Hessisches Jugendarrestvollzugsgesetz wird die Grundlage für einen modernen Vollzug des Jugendarrests geschaffen.

Herr Rentsch hat es erwähnt: Die SPD-Fraktion hat in der letzten Legislaturperiode und auch in dieser vor einigen Monaten bereits einen Gesetzentwurf eingebracht. Wir haben aber gesagt, dass Gründlichkeit vor Schnelligkeit gehen würde, auch das haben Sie erwähnt. Es gab eine Arbeitsgruppe, bestehend aus sieben Ländern, geführt von Hessen und Rheinland-Pfalz, die einen Musterentwurf erarbeitet haben, der die Grundlage für diesen Gesetzentwurf bildet. Ihr Gesetzentwurf dagegen enthält Teile aus dem Gesetzentwurf von Niedersachsen, das nicht an dieser Arbeitsgruppe beteiligt war. Unser Verfahren, den Musterentwurf abzuwarten, ihn dann als Grundlage für ein Symposium zu nehmen, die Änderungen und Anregungen aus dem Symposium einzuarbeiten und nun einen wirklich guten Entwurf vorzulegen, kann ich nur begrüßen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Der Gesetzentwurf regelt die Gestaltung des Vollzugs. Bisher gab es kein eigenes Gesetz, das ist richtig. Lediglich das Jugendgerichtsgesetz und das Strafvollzugsgesetz haben Regelungen enthalten. Die nähere Ausgestaltung erfolgte über eine aus dem Jahr 1976 stammende Rechtsverordnung des Bundes.

In dieser Zeit hat sich viel verändert: Der erzieherische Gedanke ist in den Vordergrund gerückt, aber es ist nicht so, dass ohne das Gesetz die Arbeit allein auf die Gesetzeslage von 1976 rekurrieren würde. Vielmehr ist es so, dass beispielsweise die Jugendarrestanstalt Gelnhausen schon seit 2013 nach den modernen Grundlagen arbeitet und vor Ort gute Arbeit leistet. Und jetzt wird dieser guten Arbeit vor Ort die entsprechende gesetzliche Grundlage gegeben.

Wir haben uns vor einer ganzen Weile die Jugendarrestanstalt angesehen und konnten uns ein Bild davon machen, wie vor Ort mit den Jugendlichen umgegangen wird und wie sie motiviert werden – etwa mit Sport oder im kreativen Bereich, indem Perspektiven entwickelt werden, sodass sie auch nach dem Jugendarrest Perspektiven für ihr weiteres Leben entwickeln. Ganz beeindruckend war auch, dass die Jugendlichen erzählt haben, dass sie zum ersten Mal mit dem Thema Freiheitsentzug konfrontiert worden sind. Das war für sie ein einschneidendes Erlebnis, das sie dazu gebracht hat, etwas an ihrem Leben ändern zu wollen.

Die bereits angesprochenen Rückfallquoten, die für einige Kritiker einen Grund darstellen, Jugendarrest grundsätzlich infrage zu stellen, kann man so nicht isoliert betrachten. Wenn man sieht, dass – zwar insgesamt noch viele, aber eigentlich „nur“ – 10,7 Prozent der Jugendlichen, die im Jugendarrest waren, später eine richtige Jugendstrafe vollziehen müssen, merkt man, dass es das eigentlich wert ist und nicht allein die 60 Prozent Rückfallquote betrachten werden dürfen, sondern auch diejenigen berücksichtigt werden müssen, die nicht noch weiter straffällig werden und in eine Jugendstrafanstalt müssen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Die Eckpunkte hat Frau Kühne-Hörmann bereits angesprochen: Diese orientieren sich an der praktischen Arbeit vor Ort. Es wird ein Hilfebedarf ermittelt und ein Erziehungsplan auf Grundlage des Hilfebedarfs erstellt. Dieser betrachtet zum einen die Defizite der Jugendlichen, weil in der Regel nur 10 bis 11 Tage Zeit bleiben, da die Jugendlichen nur für diese Zeit dort sind. Neben den Defiziten wird auch das Positive herausgearbeitet, indem auf die Stärken der Jugendlichen abgezielt wird. Man kann also sagen, die Jugendlichen erhalten mit dem Jugendarrest noch einmal eine Chance, einen Wendepunkt in ihrem Leben zu markieren und nicht völlig auf die schiefe Bahn zu geraten.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU – Zuruf des Abg. Abg. Florian Rentsch (FDP))

Um das zu gewährleisten, ist in dem Gesetzentwurf auch erwähnt, dass eine Zusammenarbeit mit Dritten stattfindet: Es gibt pädagogische Betreuung, es gibt Anti-Gewalt-Training, die Jugendlichen werden an einen geregelten Tagesablauf herangeführt. Vor allem gibt es auch Sport als Schwerpunkt, um zu lernen, angemessen mit Erfolg und Misserfolg umzugehen und eine rationale Bewältigung von Konflikten zu erreichen, aber auch, um Einsicht in die Notwendigkeit von Regeln zu erhalten. Diese Konzeption wird unter Einbeziehung wissenschaftlicher Erkenntnisse ständig weiterentwickelt, und auch dies findet in der praktischen Arbeit stets Berücksichtigung.

Auch die Vermittlung von lebenspraktischen Fähigkeiten findet in der Einrichtung statt. Es war ziemlich bemerkenswert, als wir erzählt bekommen haben, dass Jugendliche dorthin kommen würden und mit Hygiene überhaupt nichts am Hut hätten: Die kommen für drei Wochen dorthin, haben eine Unterhose dabei und denken, das würde reichen. Hier muss man erst einmal Dinge des praktischen Lebens vermitteln.

Ich finde, das ist eine gute Arbeit, die die Jugendlichen auf einen guten Weg bringen kann. Ich finde auch, jeder Jugendliche, der nach einem Aufenthalt in der Jugendarrestanstalt seinen Weg findet, ist es wert, die Anstrengung zu unternehmen, mit ihm gemeinsam eine Perspektive für das gemeinsame Leben zu entwickeln.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Das Gesetz bietet den Rahmen dafür. Für die gute Ausgestaltung sorgt die Einrichtung. Wir sorgen nach der Anhörung und den Diskussionen im Ausschuss hoffentlich für eine breite Mehrheit. Ich bin gespannt auf die Diskussionen im Ausschuss und die Anhörung.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Vizepräsident Wolfgang Greilich:

Vielen Dank, Frau Kollegin Müller.