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02.02.2012

Karin Müller: Aktuelle Stunde - Infrastrukturausbau bei A 44

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich frage mich: In welcher Welt lebt die FDP? – „Wir halten Hessen auf Wachstumskurs – Infrastrukturausbau bei A 44 weiter fortsetzen“, schreiben Sie.

(Zuruf des Abg. Dr. Thomas Spies (SPD))

– Es hätte eher heißen müssen: Wir halten Hessen auf Schuldenkurs durch den Weiterbau der A 44. Wir wissen alle, die A 44 ist bis jetzt nicht nur die am langsamsten gebaute Autobahn, sondern auch die teuerste Autobahn der Welt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Florian Rentsch (FDP))

– Warum das so ist, darauf komme ich auch noch. – Anscheinend hören wir jetzt jede Woche eine Aktuelle Stunde zu den unsinnigen Projekten in Nordhessen, die nur viel Geld kosten, aber der Region nichts bringen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Letztes Mal hatten wir die Jubelveranstaltung von Ihnen zu Kassel-Calden. Dieses Mal ist es die A 44, das nächste Mal wird es wahrscheinlich die A 49 sein, die endet im Nirgendwo wie wahrscheinlich auch bald die FDP.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Kosten sind nämlich alles, was durch die A 44 wächst, und nicht die Wirtschaft. Schlaglöcher können nicht mehr gestopft werden, weil Sie alles in einen unsinnigen Neubau stecken und das Geld dann nicht mehr für den Erhalt zur Verfügung steht.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie wissen genauso gut wie ich, wie unterfinanziert der Bundesverkehrswegeplan ist. Die A 44 steht dort seit 1992 als „vordringlicher Bedarf“ drin, nach dem Motto: „Hauptsache das Geld kommt in Hessen an – egal für was“.

Wenn man sich nämlich die Zahlen für die teuerste Autobahn der Welt ansieht, dann muss man sich fragen, wie Sie Wachstum definieren. – Steuern senken, die teuersten Autobahnen bauen und keine Entlastung für die Bewohnerinnen und Bewohner. Auch die wirtschaftliche Dynamik ist nicht von Autobahnen gekommen, die noch nicht da sind. Sie haben es selbst gesagt: Die wirtschaftliche Dynamik in Kassel und in der Region kommt durch die Uni, die Ausgründungen, die Arbeitsplätze und die ICE-Anbindung. – Das stand eindeutig in der „Wirtschaftswoche“.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf von der SPD)

Wir haben auch festgestellt, dass bisher nur 5 km gebaut worden sind. Das macht für die 69 km – bei wie gesagt insgesamt 1,7 Milliarden Euro – 23 Millionen Euro pro Kilometer, wenn sie denn mal fertig sind. Das sind reine Baukosten. Dann gibt es aber Berechnungen, die sagen, man müsse auch die zerstörten Naturschutzgebiete mit hinzuziehen. Sie wussten, dass die A 44 durch sieben europäische Naturschutzgebiete führt und dass es eine europäische FFH-Richtlinie gab, die 1992 in Kraft getreten ist, aber erst 1997 in nationales Recht übernommen worden ist. Das ist der Grund, warum sich die Planung verzögert: Sie haben sich nicht an die Richtlinien gehalten.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich zitiere jetzt einen Sozialdemokraten, Herrn Gabriel. Herr Kollege Kaufmann hat das auch schon einmal gemacht.

(Zuruf des Abg. Günter Rudolph (SPD))

Herr Koch hatte sich bei Herrn Gabriel beschwert, dass der Bau der A 44 jetzt durch die Einhaltung der naturschutzrechtlichen Bestimmungen 660 Millionen Euro teurer würde. Ich zitiere Herrn Gabriel:

Die teuren Verzögerungen mit einem Schaden von rund 660 Millionen Euro gingen auf die jahrelange Nichtbeachtung der Naturschutzrichtlinien und damit auf schwerwiegende politische und administrative Mängel in Hessen zurück.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zurufe von der FDP)

Die Rahmenbedingungen für die Planung der A 44 wurden von Ihnen nicht zügig und klar genug geschaffen. Die Auswahl und Abgrenzung der Schutzgebiete ist erst mit rund zehnjähriger

(Zuruf des Abg. Florian Rentsch (FDP))

– Herr Rentsch, hören Sie einmal zu –

(Zuruf des Abg. Florian Rentsch (FDP) – Gegenruf der Abg. Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) – Zuruf von der CDU, zur Abg. Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) gewandt)

Verzögerung erfolgt. Sie können gern noch einmal alles nachlesen. Dann kommt hinzu,

(Zuruf des Abg. Florian Rentsch (FDP))

– Herr Rentsch, ich möchte ihnen gern auch noch etwas erklären –, dass es neueste Verkehrszählungen aus dem Jahre 2010 gibt, die prognostizieren, dass die Verkehrsmengen auf den Bundesstraßen zurückgehen. Das heißt, im Moment gibt es gar keinen Bedarf mehr.

(Zuruf des Abg. Frank Sürmann (FDP))

Wenn man das jetzt auf das Jahr 2020 hochrechnet, dann kommt man niemals mehr auf die 32.500 Fahrzeuge, die pro Tag benötigt werden, um einen Autobahnbau zu rechtfertigen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Akzeptieren Sie endlich die Realitäten. Investieren Sie das Geld in wirklich dynamische Unternehmen und in erneuerbare Energien, die die Region voranbringen.

(Zuruf des Abg. Frank Sürmann (FDP))

Noch ein letzter Punkt, weil meine Redezeit leider gleich um ist.

(Anhaltende Unruhe – Glockenzeichen des Präsidenten)

Wir haben alle das „MERIAN“-Heft bekommen, das Sie sicherlich alle gelesen haben.

Auf Seite 127 findet man einen hervorragenden Artikel über die A 44.

(Zuruf des Abg. Jürgen Lenders (FDP))

Da wird genau aufgelistet. Es wird gesagt, dass eigentlich nicht nur die ökonomischen, sondern auch die ökologischen Kriterien bewertet werden müssten. Denn mit dem Bau der A 44 werde einiges zerstört. Damit kommen wir auf Summen, die man sich überhaupt nicht mehr vorstellen kann.

Vizepräsident Frank Lortz:

Frau Kollegin, einen Moment bitte. – Meine Damen und Herren, Frau Kollegin Müller hat das Wort. Bitte lauschen Sie ihr aufmerksam. Es wird nicht mehr lange dauern.

Karin Müller:

Herr Posch war letzten Freitag auf der Regionalkonferenz. Da hat er gehört, dass das drängendste Problem in Nordhessen der demografische Wandel ist. Wir müssen alles dafür tun, um die Fachkräfte zu binden und in die Region zu holen. Die holen wir aber nicht mit neuen Autobahnen. Das wäre nicht die erste Autobahn, die die Menschen aus der Region wegbringt und ihr damit die Wirtschaftskraft entzieht.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Lachen bei Abgeordneten der FDP)

Vizepräsident Frank Lortz:

Frau Kollegin Müller, Sie müssen zum Schluss Ihrer Rede kommen.

Karin Müller:

Auch diese Aktuelle Stunde geht für Sie eher nach hinten los, denn Sie machen die Politik von gestern. Hören Sie endlich damit auf.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsident Frank Lortz:

Herzlichen Dank.

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