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26.11.2015

Karin Müller: Änderung hessischer Vollzugsgesetze

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir beraten heute die Änderung der hessischen Vollzugsgesetze in der zweiten Lesung. Offensichtlich haben viele Abgeordnete Freigang, denn es ist nicht mehr so ganz voll in den Reihen.
(Heiterkeit – Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Ich werde mich bemühen, dass auch Ihr Freigang näher rückt, ich nutze nicht die ganze Redezeit aus.
Herr Kollege Klein hat schon erwähnt, dass vieles aus der Evaluierung bereits Eingang in den ersten Entwurf gefunden habe. Es wurden Anregungen aus der Praxis aufgenommen. Die NSU-Expertenkommission hat Hinweise gegeben.
Zum Thema Hospitalisierung: Der Europäische Ausschuss zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe hat den Hinweis gegeben, dass das Höchstmaß des disziplinarischen Arrests abgesenkt werden sollte. Frau Hofmann, das ist auch aufgenommen worden. Alle Hinweise sind aufgenommen worden. Es ist klar, dass wir mit einem Gesetz nicht gleich die ganze Vollzugswelt ändern können. Aber wir können Einfluss auf den inhaltlichen Rahmen nehmen. Der ist gesetzt, und ich denke, das ist uns und der Landesregierung ziemlich gut gelungen.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)
Wir haben das Vollzugsziel Resozialisierung extra mit aufgenommen, weil es sich direkt aus der Verfassung ableitet. Die Würde des Menschen ist unantastbar – und damit sind Resozialisierung, Eingliederung und Sicherheit auf derselben Seite der Medaille. Alles gehört zusammen. Das ist eine Klarstellung gewesen, und das war immer unsere Forderung. Wir haben nicht behauptet, bisher habe keine Resozialisierung in den Justizvollzugsanstalten stattgefunden. Ganz im Gegenteil: Es gab auch richterliche Urteile, die schon zu weiteren Resozialisierungsmaßnahmen geführt haben.
Sie haben eine Große Anfrage gestellt. In der Antwort wurden Arbeitsbedingungen, Resozialisierungsmaßnahmen, die Ausführung und was noch alles im Vollzug stattfindet, detailliert dargestellt. Da ist eine Menge passiert, und es wird noch viel passieren. In dem Gesetzentwurf haben wir noch einmal eine Klarstellung vorgenommen.
Sie behaupten immer wieder, es werde im Vollzug nicht besser, da 86 Stellen eingespart worden sind
(Zuruf der Abg. Heike Hofmann (SPD))
– oder 89 Stellen. Das ist aber nicht so. Nach dem Plan werden 39 Stellen eingespart. 46 Stellen werden im Bereich des Einzelplans 05 verschoben. Davon fließen zehn Stellen für die Deradikalisierung im Vollzug wieder zurück.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Wenn Sie schon kritisieren, dann bitte richtig. Ganz so schlimm, wie Sie die Welt einschätzen, ist sie nicht.
(Zuruf der Abg. Heike Hofmann (SPD))
– Unter dem Strich bleibt ein Minus. Wir haben hier ein Stellenabbauprogramm verabredet. Wir haben die Schuldenbremse zusammen verabschiedet.
(Zuruf des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))
Die Schuldenbremse wurde in die Verfassung aufgenommen. Die Mehrheit der Bevölkerung hat der Schuldenbremse zugestimmt. Wir setzen das um.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)
Das Jugendstrafvollzugsgesetz, das wir auch auf der Tagesordnung haben, wurde überhaupt noch nicht erwähnt. Da gibt es keine Änderungen. Es gibt dazu eine Studie, die jegliche Vorurteile widerlegt. Bisher wurde immer behauptet, der Jugendstrafvollzug führe nicht zu einer Verbesserung der Erwerbsbiografie bzw. einer Biografie, die frei von Straftaten ist, sondern zu einer Verschlechterung.
Nach dieser Studie ist das Gegenteil ist der Fall. Es wird darin festgestellt, dass die Jugendlichen, die in den Vollzug kommen, vorher schon viele Jugendhilfemaßnahmen durchlaufen haben – leider erfolglos. Für viele ist dann der Vollzug noch einmal ein Stoppschild. Da der Erziehungsgedanke aber auch dort im Vordergrund steht, wird den Jugendlichen dort noch einmal Aufmerksamkeit zuteil, die sie sonst vielleicht nicht bekommen hätten. Wenn es gelingt, dass viele Jugendliche dann nicht mehr straffällig werden, dann ist das ein großer Erfolg, den man einmal erwähnen sollte.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)
Ein Autor der Studie formuliert – wie ich meine sehr schön –: „Viele glauben, der Vollzug macht alles schlechter und ist die Schule des Verbrechens.“ Dieses Vorurteil ist mit der Studie widerlegt worden – es ist ganz spannend.
Wir legen heute moderne Vollzugsgesetze vor, die sich der aktuellen Rechtsprechung anpassen und Erfahrungen aus der Praxis berücksichtigen. In der Anhörung kam auch zum Ausdruck, dass gute Arbeit geleistet worden ist. Deshalb werden wir den Gesetzentwürfen in zweiter Lesung zustimmen.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU – Holger Bellino (CDU): Wir auch!)