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02.02.2012

Kai Klose: Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir beraten heute in erster Lesung über einen Gesetzentwurf der Fraktion DIE LINKE zum Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum. Dieser Gesetzentwurf reiht sich in die Vielzahl von wohnungspolitischen Initiativen ein, die die Opposition in diesem Landtag bereits ergriffen hat. Das macht einmal mehr deutlich, dass die Landesregierung ein ständig größer werdendes Problem, nämlich den wachsenden Mangel an bezahlbarem Wohnraum im Ballungsgebiet, mit Schulterzucken quittiert.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Herr Kollege Milde, ich finde, deshalb sollten gerade Sie ein wenig kleinere Brötchen backen, wenn Sie Initiativen der Opposition bewerten. Begrifflichkeiten wie die „der bereits genannte Gesetzentwurf aus der sozialistischen Asservatenkammer“ verbieten sich meines Erachtens, wenn man selbst nichts hinbekommt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Ein bisschen weniger Schaum vor dem Mund würde Schwarz-Gelb nicht nur, aber besonders in der Wohnungspolitik guttun.

(Zuruf des Abg. Hermann Schaus (DIE LINKE))

Herr Minister Posch, auch ich kann Ihnen die Frage nicht ersparen, wann Ihr mit großem Getöse angekündigtes Wohnraumförderungsgesetz endlich kommt. Wo ist der Ersatz für die Fehlbelegungsabgabe, den Sie uns seit dem Sommer versprochen haben? Es liegt immer noch nichts vor. Was die Einlassung des Kollegen Milde betrifft, muss ich sagen: Ich bin nicht sicher, ob er die Sommerpause 2012, die Sommerpause 2013, die Sommerpause 2014 oder einen noch späteren Zeitpunkt gemeint hat, als er gesagt hat, es werde vor der Sommerpause kommen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Minister, ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie wenigstens heute ein paar Sekunden Ihrer wertvollen Redezeit nutzen würden, um diese Frage endlich zu beantworten. Dann schichten wir einmal ein bisschen ab und nehmen noch mehr Schaum heraus.

Aufgrund des Eindrucks, den die gestrige Debatte über die Nassauische Heimstätte hinterlassen hat, muss ich leider ein bisschen daran zweifeln, dass es in diesem Haus überhaupt ein grundsätzliches Einvernehmen darüber gibt, dass der hessische Wohnungsmarkt einen ordnungspolitischen Rahmen braucht. Wenn ich an die Beiträge der beiden Kollegen Caspar und Lenders in der gestrigen Debatte zurückdenke, muss ich sagen: Es ist wichtig, dass dieser Grundkonsens hier festgestellt wird.

Was will man mit diesem Gesetzentwurf in der Substanz? Alles, was man will, ist, die Kommunen zu ermächtigen – nicht zu verpflichten –, gegen Wohnungsleerstand und gegen die Umwandlung von Wohnraum in Büroraum vorzugehen. Das ist übrigens exakt die gleiche Haltung wie die – das hat Kollege Milde auch eingeräumt –, die Ihre Parteifreunde, nämlich Hildebrand Diehl, der damalige Oberbürgermeister von Wiesbaden, und Petra Roth, die Oberbürgermeisterin von Frankfurt, im Jahr 2004 eingenommen haben, als Sie gegen deren erklärten Willen das Zweckentfremdungsverbot aufgehoben haben.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Heute soll exakt die gleiche Position Sozialismus sein? Ich bitte Sie, das ist doch lächerlich.

Der Wohnungs- und Immobilienmarkt erfordert unsere Aufmerksamkeit auch deshalb in besonderem Maße, weil das Bauland nicht beliebig vermehrbar ist. Hessen ist ein Bundesland mit hoher Bevölkerungsdichte, und der Bevölkerungsdruck verschärft sich, weil sich die Menschen und die Arbeitsplätze stetig zunehmend im Rhein-Main-Ballungsraum konzentrieren.

Diese Flächen- und Nutzungskonkurrenz führt zwangsläufig zu steigenden Mieten. Ohne staatlichen Eingriff könnten es sich bald nur noch Wohlhabende leisten, in der Nähe ihres Arbeitsplatzes in Frankfurt oder in Wiesbaden zu wohnen.

Wir wollen das nicht. Deshalb sind für uns solche Eingriffe dort, wo sie notwendig sind, ein Teil des ordnungspolitischen Rahmens und damit auch ein Teil der sozialen Marktwirtschaft.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Kollege Lenders und Herr Kollege Milde, ich finde, Sie könnten, gerade was Ihre verfassungsrechtlichen Bedenken betrifft, auch deshalb viel entspannter sein, weil es – das ist bereits gesagt worden – in einem anderen Bundesland seit Jahren ein solches Gesetz gibt, an das sich der Gesetzentwurf der LINKEN ziemlich offensichtlich anlehnt und das bis jetzt juristisch noch nicht angegriffen worden ist. Frau Wissler hat es Ihnen gerade erklärt. Dieses Gesetz findet sich im schwarz-gelb regierten Bayern. Sie wissen, Bayern ist dieser sozialistische Modellstaat im Südosten der Republik,

(Heiterkeit bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN)

der von der christlich-sozialistischen Union regiert wird.

(Zuruf des Abg. Holger Bellino (CDU))

Bayern also hat seinen Kommunen die Möglichkeit eingeräumt, und die Stadt München nutzt sie aus guten Gründen intensiv.

Ein Gesetz gegen die Zweckentfremdung des Wohnraums taugt also nun wirklich nicht, um heute zum dritten Mal an diesem Tag das „Gespenst des Kommunismus“ an die Wand zu malen, meine Damen und Herren.

(Zuruf von der SDP: Es geht schon wieder durch die Räume! – Zuruf des Abg. Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Gleichzeitig ist genauso richtig, dass dieses Gesetz erheblich in Eigentumsrechte eingreift. Das ist es, was wir dagegen abzuwägen haben. Ich finde, wir alle könnten deshalb ganz unaufgeregt in die Anhörung gehen und schauen, was sie uns zu diesem Gesetzentwurf an zusätzlichen Erkenntnissen, insbesondere zur Wohnraumentwicklung im Ballungsraum, einbringt. Anschließend bewerten wir dann, ob dieser Entwurf geeignet ist, einem möglicherweise bestehenden Problem entgegenzuwirken, in aller Ruhe und in aller Gelassenheit. – Vielen Dank.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN)

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