Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Es war genau gestern vor 60 Jahren, dass die Europäische Konvention für Menschenrechte in Kraft getreten ist, auch Russland hat sie unterzeichnet und ratifiziert. Heute müssen wir leider feststellen, dass sich die Menschenrechtslage in Russland in den letzten Jahren dramatisch zum Schlechteren entwickelt hat. Was seit Glasnost und Perestroika, seit dem Ende der Sowjetunion, an Positivem erreicht wurde, wird von der Regierung Putins nicht nur gefährdet, sondern in Russland werden die Menschenrechte heute leider häufig mit Füßen getreten.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der FDP)
Ich bin deshalb allen Fraktionen ausdrücklich dankbar – da kann ich mich anschließen –, dass Sie sich, trotz der Tatsache, dass wir uns nun unstreitig in der heißen Phase des Wahlkampfes befinden, unserer Initiative angeschlossen haben und es möglich war, einen Antrag auf die Beine zu stellen, den alle in diesem Haus unterstützen können.
Meine Damen und Herren, die Unterdrückung der Opposition und des zivilgesellschaftlichen Engagements, aber auch die Gerichtsverfahren gegen prominente Oppositionelle deuten nicht darauf hin, dass Russland auf dem Weg in Richtung Demokratie und zum Rechtsstaat fortschreitet, eher auf das Gegenteil. Das dürfen wir, gerade weil uns die Entwicklung in Russland, und damit auch in unserer Partnerregion Jaroslawl, am Herzen liegt, nicht unbeantwortet lassen.
(Allgemeiner Beifall)
Ein Ausdruck dieser Entwicklung ist leider auch das am 11. Juni von der Duma beschlossene Gesetz gegen Homosexuellenpropaganda. Dieses Gesetz verbietet generell die Information über Homosexualität und stellt öffentlich gezeigte Zuneigung unter Lesben und Schwulen unter Strafe. Konstantin Yablotskyi, ein russischer Eiskunstläufer, hat kürzlich in einem sehr eindrücklichen Artikel in der „Zeit“ beschrieben, welche Folgen dieses Gesetz konkret hat. Veranstaltungen, bei denen mit der Regenbogenflagge ein Bekenntnis zur Vielfalt abgelegt wird, sind seither verboten. Ein Frauenpaar beispielsweise, das in der St. Petersburger U-Bahn Händchen hielt, wurde denunziert und verhaftet.
Das ist aber leider nur die Spitze des Eisbergs. Nicht erst seit diesem Gesetz, aber seitdem massiv verstärkt, sind Lesben und Schwule in Russland zum Freiwild geworden. Russische Neonazigruppen jagen schwule Männer, teils noch Schüler, schlagen, treten und foltern sie und zwingen sie zu demütigenden Handlungen und Aussagen, die dann als Video ins Netz gestellt werden.
Inzwischen warnt sogar das Auswärtige Amt Homosexuelle vor Reisen nach Russland. Gleichzeitig soll Russland 2014 Gastgeber der Olympischen Spiele und 2018 Gastgeber der Fußballweltmeisterschaft sein. Was heißt das denn dann nicht nur für lesbische oder schwule Athletinnen und Athleten, sondern auch für die Besucherinnen und Besucher? Soll nicht gerade der Sport Menschen stärker machen und vereinen, statt auszugrenzen und zu trennen? Der Sport lebt doch gerade von seiner Vielfalt, von der Vielfalt der Sportlerinnen und Sportler, aber eben auch von der Erfahrung des Einzelnen, dass gemeinsam Kämpfen stark macht.
(Allgemeiner Beifall)
Mich hat es empört, dass der Leichtathletikweltverband der schwedischen Hochspringerin Emma Green verboten hat, regenbogenfarben lackierte Fingernägel zu tragen und damit ein Zeichen für die Menschenrechte zu setzen.
Menschenrechte sind universell, sie stehen über politischen Auseinandersetzungen. Deswegen können die großen Sportverbände ein Eintreten für sie auch nicht als Verletzung der politischen Neutralität verbieten. Das war ein absurder Vorgang, der sich nicht wiederholen darf.
(Allgemeiner Beifall)
Einen Maulkorb in Sachen Menschenrechte kann niemand verhängen, auch nicht das Internationale Olympische Komitee.
Ebenso erbärmlich war die Reaktion des Deutschen Olympischen Sportbunds. Ich habe dort um eine offizielle Aussage zu dem Vorgang gebeten. Die Antwort lautete: Schauen Sie auf unsere Website, wir haben dort etwas unter „Frage und Antwort“ bereitgestellt. – Das sollen die offiziellen Verlautbarungen sein – wie lächerlich.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN sowie des Abg. Jürgen Lenders (FDP))
Meine Damen und Herren, Demokratie zeichnet sich durch die Achtung und den Respekt der Meinung Andersdenkender genauso aus wie beispielsweise durch den Schutz gesellschaftlicher Minderheiten – heißt es in unserem gemeinsamen Antrag. Deshalb ist die Botschaft des gemeinsamen Antrags: Wir stehen an der Seite derjenigen, deren Rechte in Russland unterdrückt werden. Wir senden heute von Wiesbaden aus Liebesgrüße nach Moskau.
(Allgemeiner Beifall)
Vizepräsidentin Ursula Hammann:
Vielen Dank, Herr Kollege Klose.