Inhalt

20.05.2010

Kai Klose: Luft- und Raumfahrt in Hessen als Standortfaktor

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich freue mich, dass auch Nicht-Darmstädter bei dieser Debatte zugelassen sind.

(Heiterkeit und Beifall)

Man könnte versucht sein, diese Debatte mit den Worten zu beginnen: „Der Weltraum – unendliche Weiten“. Das wäre diesem Thema aber nicht angemessen.

Was hat das Thema Luft- und Raumfahrt mit Hessen zu tun? Wir haben schon ganz viel dazu gehört, viele gute Beispiele für das, was in Darmstadt und auch anderswo in Hessen geschieht. Ich will ausdrücklich sagen, es ist gut, dass dieses Thema nach fünf Jahren wieder einmal in den Fokus des Landesparlaments rückt. Der vorliegende Antrag – dazu will ich später noch einige Hinweise geben – kann und muss unseres Erachtens in den Ausschussberatungen aber noch verbessert werden. Dann könnte er auch für uns zustimmungsfähig sein.

Gerade in und um Darmstadt, aber auch anderswo in Hessen gibt es Standorte zentraler europäischer Raumfahrtinstitutionen. Einige davon werden im Antrag genannt, z. B. EU-METSAT, die europäische Organisation für die Nutzung meteorologischer Satelliten, die von ihrem Kontrollraum in Darmstadt aus mit einer sogenannten Flotte von geostationären Wettersatelliten kommuniziert. Dort arbeiten derzeit rund 450 Menschen. Nach der Erweiterung sollen etwa 150 weitere Stellen geschaffen werden.

Ebenfalls noch 2010 soll am Standort Darmstadt die ESOC erweitert werden, die von dort aus für den Betrieb sämtlicher europäischer Satelliten und für das Netz der Bodenstationen verantwortlich ist. Die ESOC beschäftig derzeit 260 fest Angestellte und überdies 550 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Vertragsfirmen. Es gibt in Darmstadt, aber beispielsweise auch in Limburg, in Frankfurt und in Kelsterbach, Unternehmen, die im Sektor Raumfahrt tätig sind und unterschiedlichste, sehr moderne Produkte herstellen.

Sozusagen als Satelliten der genannten ESA-Organisationen ESOC und EU-METSAT haben sich in Darmstadt weitere Gesellschaften angesiedelt. Eine dieser Gesellschaften ist die bereits mehrfach erwähnte cesah GmbH, das Centrum für Satellitennavigation, das Gründungsförderung betreibt. Cesah unterstützt und fördert Unternehmensgründungen, die die Satellitennavigationstechnik für neue Anwendungen nutzen wollen. In diesen Unternehmen entstehen technologisch hochinteressante Innovationen. Da gibt es zum Beispiel – um eine Firma zu nennen, die bisher nicht erwähnt wurde – ALL4IP Technologies. Diese Firma entwickelt Applikationen für E-Bikes oder E-Cars, um den Nutzern dieser Fahrzeuge die nächsten Stationen zum Aufladen ihre Gefährte anzuzeigen. Die Firma etamax space hat Herr Siebel schon erwähnt. Ebenso spannend ist beispielsweise die LatitudeN GmbH, die Satellitennavigationsdaten auch für Fußgänger nutzbar macht, z. B. für Touristinnen und Touristen und für Smartphones. Diese Beispiele zeigen, welche großen, in ökonomischem, aber auch ökologischem Sinne sinnvollen Innovationen in diesem Gründerzentrum gefördert werden. Deshalb teilen wir das Anliegen, cesah monetär zu unterstützen. Das geschieht bereits aus dem entsprechenden Etat des Wirtschaftministeriums.

Der Grund dafür, dass sich dieser Kompetenzcluster in Hessen gebildet hat und weiter wächst, ist auch und gerade, dass wir in unserem Bundesland hoch qualifizierte und exzellente Forscher und Ingenieure an unseren Hochschulen ausbilden, Forschung betreiben und die Entwicklung auch auf diesem Sektor voranbringen. Das ist beispielsweise an den Universitäten in Gießen und Kassel der Fall, vor allem aber auch an der Technischen Universität Darmstadt, die ja zu den Trägern des cesah gehört. Darmstadt ist beispielsweise – um auch auf diese ökologische Entwicklung hinzuweisen – ein Schwerpunkt der Forschung zur Verringerung der Schadstoffemissionen von Triebwerken bei gleichzeitiger Erhöhung des Wirkungsgrades. Man darf aber gerade in dieser Woche die Randbemerkung nicht vergessen, dass die TU Darmstadt künftig 4,5 Millionen € weniger erhält und damit eine der großen Verliererinnen des von Frau Kühne-Hörmann erzwungenen Hochschulunterwerfungspaktes ist.

(Zurufe von der CDU)

In den ersten drei Absätzen Ihres Antrags geht es um das Thema Förden. Was Sie damit meinen, möglicherweise über das hinaus, was bereits geschieht, müssten Sie uns bitte spätestens im Ausschuss einmal konkreter darlegen. Sie von der FDP-Fraktion habe ich, bisher jedenfalls, immer so verstanden, dass Subventionen in Ihrer Weltsicht eher nicht erwünscht sind. Insofern wäre darzulegen, was konkret gefördert werden soll. Geht es nur um Räumliches, oder geht es auch um Geld?

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Ich will mich dann noch Punkt 4 Ihres Antrags zuwenden. Dort geht es um das europäische Satellitennavigationssystem Galileo. Galileo ist in der Tat ein sehr komplexes Thema. Dazu wurden schon einige Bundestagsdebatten geführt. Wir können das Thema hier sicher nicht in seiner Gesamtheit diskutieren. Das ist auch nicht unsere Aufgabe als Landtag. Es ist aber bereits dargestellt worden, welche positiven Andockmöglichkeiten an das europäische Satellitennavigationssystem gerade durch cesah entwickelt werden und welche Wertschöpfung dadurch entsteht. Hinzu kommt, Galileo würde uns Europäerinnen und Europäer von Analysen unabhängiger machen, auf die bisher die USA ein Monopol haben. Wozu es führen kann, wenn jemand wie der alte Busenfreund des Ministerpräsidenten, George W. Bush, das Sagen hat, haben wir gesehen. Im Gegensatz zum amerikanischen GPS steht Galileo nämlich unter ziviler Kontrolle.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zu Galileo gehört allerdings auch, dass die Kosten derzeit davonzulaufen drohen. Die Europäische Kommission hat kürzlich mitgeteilt, dass die für die Entwicklungsphase vorgesehenen 1,8 Milliarden € und die für die Aufbauphase vorgesehenen 3,4 Milliarden € nicht ausreichen werden. Hier ist die Bundesregierung in der Pflicht, dafür zu sorgen, dass Galileo kein Rohrkrepierer wird, denn aufzubringen sind diese Gelder selbstverständlich durch die Europäische Union und den Mitgliedsstaaten der ESA. Dazu gehört eben auch Deutschland.

Sie fordern in Punkt 4 Ihres Antrags die Schaffung einer anwendungsorientierten Galileo-Testumgebung im Ballungsgebiet Rhein-Main. Diesen Teil Ihres Antrags könnten wir, bliebe er so stehen, nicht zustimmen, denn er ist leider ein bisschen „lost in space“, sozusagen eine Luftnummer. Erstens ist nirgendwo in dem Antrag begründet, warum die Region Rhein-Main eine Testumgebung sein soll, was die Region eigentlich davon hat. Zweitens. Herr Reißer, es tut mir leid, aber es hat ein Anruf beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt, das für die Testumgebungen zuständig ist, genügt, um zu erfahren, dass der Auswahlprozess für die Testumgebungen vor fünf Jahren begonnen hat, vor zwei Jahren abgeschlossen worden ist und weitere Testumgebungen weder notwendig noch geplant sind.

(Heiterkeit und Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Gottfried Milde (Griesheim) (CDU): Da haben Sie wahrscheinlich mit dem Hausmeister telefoniert! – Weitere Zurufe von der CDU)

Da wurde wohl – wenn man an einer solchen Testumgebung schon so interessiert ist – vor ein paar Jahren irgendwo in der damaligen Landesregierung geschlafen. Das sind, zugegeben, ganz irdische Probleme. Es relativiert aber sicherlich das Lob der Landesregierung, das wir heute schon gehört haben.

Summa summarum: Mit Ihrem Antrag greifen Sie ein Thema auf, das ein hohes ökonomisches und ökologisches Innovationspotenzial in sich trägt. Er bedarf aber in einigen Bereichen der Präzisierung und durchaus auch der Korrektur. Wir wollen gern daran mitwirken, ihn im Ausschuss positiv weiterzuentwickeln, jedenfalls die ersten drei Teile, die sich auf die Stärkung des existierenden hessischen Kompetenzclusters beziehen; denn: „Ohne Kreativität gibt es keine Entwicklung“, sagt Mister Spock. – Vielen Dank.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsident Heinrich Heidel:

Schönen Dank, Herr Klose.

Zum Thema