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15.12.2010

Kai Klose: Kultur und Kreativwirtschaft stärken – Freiräume für Kultur und Kreativität schaffen

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Im Grunde ist es sehr zu begrüßen, dass sich der Hessische Landtag endlich einmal wieder mit dem in seiner Bedeutung wachsenden Sektor der Kreativwirtschaft beschäftigt. Allerdings, meine Damen und Herren der Union und meine Herren der FDP, passiert das leider nicht aufgrund Ihrer eigenen Überzeugung. Es geschieht schlicht und einfach deshalb, weil meine, die grüne Fraktion am 17. September eine Große Anfrage eingereicht hat, die eine umfangreiche Auseinandersetzung zu diesem Thema im Plenum des Hessischen Landtags vorbereiten soll.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wenn Sie schon meinen, hier vor der Beantwortung der Anfrage darüber reden zu wollen, bitte sehr, dann aber auch ernsthaft.

(Zuruf des Abg. Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Dann müssten Sie schon etwas vorlegen, das ein bisschen mehr Substanz hat als dieser lieblose und oberflächliche Antrag.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN)

Wir legen Ihnen deshalb mit der Drucks. 18/3483 eine Alternative für all diejenigen vor, die sich etwas substanzieller mit der Kreativwirtschaft und ihren Rahmenbedingungen auseinandersetzen wollen.

Meine Damen und Herren, kreativer Output ist ein zentraler Faktor für Wirtschaftswachstum. Dass die Kreativwirtschaft ein bedeutender und wachsender Standortfaktor ist, gleichzeitig aber als Pionierbranche auch positive Strahlkraft auf die gesamte Volkswirtschaft entwickelt, wird heute von niemandem mehr ernsthaft infrage gestellt. Die Kreativwirtschaft lässt sich aber gleichzeitig, und das ist leider ein roter Faden Ihres Antrags, eben nicht auf ihre Funktion als Standortfaktor reduzieren.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN)

Kreativität entsteht dort, wo Talente gefördert werden und Freiräume zur individuellen Entfaltung vorhanden sind. Es geht in erster Linie nicht darum – das ist vielleicht der Punkt, an dem sich die Förderung der Kreativwirtschaft den traditionellen Instrumenten der Wirtschaftsförderung entzieht –, bereits entwickelte Ideen in Hessen anzusiedeln und möglichst von woanders abzuziehen. Bei der Förderung der Kreativwirtschaft geht es vielmehr gerade darum, für Kreativität Raum zu schaffen, damit Neues entstehen kann. Dabei geht es nicht nur um die Entfaltung der Talente aller Bürgerinnen und Bürger als einem letztlich humanitären Gebot, sondern eben auch um wirtschaftliche Notwendigkeit. Die Potenziale, über die Hessen dafür grundsätzlich verfügt, werden von der Landesregierung bisher bei Weitem nicht ausreichend genutzt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Daneben ist die Kultur- und Kreativwirtschaft auch planungspolitisch von besonderer Bedeutung. Wo kreative Ressourcen vorhanden sind, erhöht sich die Lebens- und Aufenthaltsqualität in einer Stadt. Es ist deshalb auch überhaupt kein Zufall, dass gerade die in der Kreativbranche organisierten Unternehmerinnen und Unternehmer zu denjenigen gehören, die ihr mutloses neuerliches Gesetz für die Metropolregion Frankfurt Rhein/Main für vollkommen unzulänglich halten. Das nur als nötige Randbemerkung. Hinzu kommt stadtplanerisch, dass hohe Mieten für junge Unternehmen der Kreativbranche ein echtes Problem sind und übrigens einer der Faktoren ist, der sie eher nach Berlin und beispielsweise eben nicht nach Frankfurt zieht.

Kreativschaffende sorgen in aller Regel für eine Aufwertung der Quartiere, in denen sie sich ansiedeln, und erfüllen damit neben der kultur- und der wirtschaftspolitischen auch eine wichtige stadtentwicklungspolitische Funktion. Sprechen wir in Hessen über Kreativwirtschaft, dann müssen wir auch und vielleicht vor allem über Frankfurt sprechen. Die Stadt Frankfurt ist der Hot Spot hessischer Kultur- und Kreativwirtschaft, und sie ergreift seit einigen Jahren beispielhafte Maßnahmen, um für Ansiedlungen aus der Kreativwirtschaft noch attraktiver zu werden.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Mit MAINRAUM, dem Gründerhaus Kreativwirtschaft – das wurde eben schon angesprochen –, mit der Einrichtung des Kompetenzzentrums Kultur- und Kreativwirtschaft durch die städtische Wirtschaftsförderung und mit der Austragung des Gipfels des Art Directors Clubs im Mai, seien dafür einige Beispiele genannt. Gleichzeitig konzentriert sich die Stadt aber noch zu stark auf das Anwerben kreativer Events von außerhalb, statt in der Stadt entstehende Initiativen zu fördern und zu unterstützen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Bright-Skate-Messe, inzwischen in Berlin, sei als mahnendes Beispiel genannt.

Meine Damen und Herren, wir reden bei der Förderung der Kreativwirtschaft nicht von großen Summen, die das Land in die Hand nehmen müsste. Häufig würde eine politische und organisatorische Unterstützung von Land und Kommunen genügen, um Vernetzungen zu schaffen oder Auftritts-, Proberäume oder Ateliers zur Verfügung zu stellen. Stattdessen hängt Hessen im bundesweiten Vergleich einmal mehr hinterher. Das ist äußerst bedauerlich. Da sich in Ihrem Antrag kein einziger konkreter neuer Ansatz, kein neuer Gedanke und kein innovatives Instrument finden,

(Zuruf des Abg. Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

haben wir Ihnen in unserer Alternative einmal ein paar Denkanstöße mit auf den Weg gegeben.

Wir sind z. B. dafür, die Hessische Filmförderung neu zu strukturieren, um sie auf Augenhöhe mit anderen Ländern zu bringen und mit der Filmförderung des Bundes kompatibel zu machen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Zuruf des Abg. Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Wir sind dafür, bei der Umstellung auf die digitale Vorführtechnik insbesondere die kleinen Programmkinos zu unterstützen, damit sie ihr anspruchsvolles Programm auch weiterhin in der Fläche pflegen können.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Lisa Gnadl (SPD) – Zuruf des Abg. Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Wir sind dafür, die erfolgreichen hessischen Unternehmen der Games-Industrie, die sich in den letzten Jahren im Rhein-Main-Gebiet entwickelt haben, durch ein Förderprogramm für die Prototypenentwicklung zu unterstützen, wie es das in anderen Ländern längst gibt und nach dem sie dringend suchen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir sind dafür, durch gezielte Förderkredite die Startfinanzierung neu gegründeter kreativer Unternehmen zu fördern. Wir sind auch dafür, eine Leerstandsagentur nach Frankfurter Vorbild zu gründen, um leer stehende Immobilien zu günstigen Konditionen an Kreative zu vermitteln.

(Zuruf des Abg. Holger Bellino (CDU))

– Für Sie bin ich ganz besonders gerne dafür, Herr Bellino.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir sind außerdem dafür, eine Stabsstelle Kreativwirtschaft bei der Landesregierung einzurichten, die dann in Kooperation mit Kulturinitiativen und Kreativwirtschaft Konzepte und Projekte passgenau für die Branche entwickelt.

(Zuruf des Abg. Alexander Bauer (CDU))

Ich will hinzufügen: Wir brauchen beispielsweise auch eine Ermutigung der Landesbehörden und Kommunen, Aufträge an junge Architekturbüros zu vergeben, die sonst häufig mit der Begründung „mangelnde Erfahrung“ gar nicht erst in Erwägung gezogen werden. Das hätte im Übrigen nicht nur kreativwirtschaftliche Vorteile, sondern auch wettbewerbsfördernde und der Korruption entgegenwirkende.

Sie sehen, der Handlungsbedarf ist groß, und Ideen gibt es genug für eine bessere Förderung der Kultur- und Kreativwirtschaft. Nur, Ihr Antrag enthält nichts davon. Wofür sind Sie denn konkret? Das sagt im Übrigen viel aus über Ihre eigene Kreativität, was Wirtschaftspolitik im 21. Jahrhundert betrifft.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, Ihr Antrag zur Kreativwirtschaftsförderung lässt sich wie leider so viele im Duktus ähnliche Anträge der vergangenen Monate leicht zusammenfassen: Du darfst so bleiben, wie du bist. Diese „Du darfst“-Anträge, die nur dem jeweils eigenen Minister oder der eigenen Ministerin das Näschen pudern, aber vollkommen folgenlos bleiben, gleich, ob sie hier beschlossen werden oder nicht, sind offenbar Teil Ihres Selbstverständnisses als Regierungsfraktionen.

Wir finden das zu wenig. Ihren Ansprüchen, unser Land zu regieren, scheint es zu genügen. Das ist bedauerlich für die Hessinnen und Hessen, aber es hilft ihnen, zu erkennen, von wem sie wie regiert werden.

Meine Damen und Herren, wir werden Ihren Antrag deshalb ablehnen und werben um Zustimmung zu dem unsrigen. – Vielen Dank.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD – Zuruf des Abg. Peter Beuth (CDU) – Gegenruf des Abg. Kai Klose (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Vizepräsident Frank Lortz:

Vielen Dank, Kollege Klose.