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08.06.2011

Kai Klose: Hessisches Vergabegesetz

Verehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir beraten zum einen das Hessische Vergabegesetz der LINKEN und das Mittelstandsförderungs- und Vergabegesetz der SPD. Am Anfang müssen wir uns die Frage stellen, was die Aufgabe ist, die das Vergaberecht leisten muss. Da gibt es aus unserer Sicht drei Hauptaufgaben.

Erstens muss das Vergaberecht fairen Wettbewerb gewährleisten. Lohndumping untergräbt fairen Wettbewerb. Deshalb müssen Verstöße Strafen nach sich ziehen. Da sind wir mit beiden Entwürfen durchaus d’accord. Fairer Wettbewerb braucht aber auch maximale Transparenz öffentlicher Auftragsvergaben. Deshalb ist auch das notwendiger Bestandteil des Vergaberechts.

Die zweite Aufgabe des Vergaberechts ist es, die schnelle und effiziente Auftragsvergabe nicht zu behindern. Das war insbesondere bei den Konjunkturprogrammen besonders bedeutsam. Wir haben darüber mehrfach gesprochen.

Drittens hat das Vergaberecht die Aufgabe, Korruptionsschutz sicherzustellen. Auch dafür braucht es sehr klare formale Regeln.

Wir wären durchaus damit einverstanden, einige ausgewählte weitere Kriterien hinzuzufügen, beispielsweise die Ausbildungsleistung von Betrieben oder die Tariftreue. Aber die übrigen im Gesetzentwurf der LINKEN getroffenen Bestimmungen überfrachten unseres Erachtens ein hessisches Vergabegesetz, und deswegen werden wir uns dazu enthalten.

(Zuruf der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))

Enthalten werden wir uns auch beim Gesetzentwurf der SPD, allerdings aus anderen Gründen. Den Vergaberechtsteil finden wir hier weitaus gelungener und durchaus nahe bei unseren eigenen Vorstellungen. Das ist der Teil, in dem Sie sich mit der Rolle des Staates als Auftraggeber beschäftigen. Anders beurteilen wir allerdings den Teil Ihres Gesetzentwurfs, der sich mit der Rolle des Staates beschäftigt, der Rahmenbedingungen setzt und Unternehmen fördert, also den Teil, der sich mit der Mittelstandsförderung beschäftigt und das Gesetz von 1974 ersetzen soll.

Nun ist dieses Gesetz von 1974 selbstverständlich eines, das inzwischen ein wenig anachronistisch anmutet, weil es auch einige Selbstverständlichkeiten enthält. Darin steht, dass die Aus- und Fortbildung unterstützt werden soll, Selbsthilfeeinrichtungen, Innovationen und, man höre und staune, beispielsweise die Einführung der elektronischen Datenverarbeitung. Das alles sind Standards der Wirtschaftspolitik, die längst übliche Praxis und in einer Vielzahl anderer Gesetze geregelt sind.

(Zuruf des Abg. Dr. Walter Arnold (CDU))

Was wir in Ihrer Novellierung nicht erkennen können, ist, dass es neben der Vielzahl von Stellen, Beiräten und Beauftragten im Bereich der Wirtschaftsförderung nun auch noch, wie Sie es vorschlagen, Frau Waschke, eines Mittelstandsbeirates und eines Mittelstandsbeauftragten bedarf. Die Verbände und Kammern nehmen diese Interessenvertretung jetzt schon wahr.

Deshalb beantworten wir die Frage, ob es eines solchen neuen Gesetzes bedarf, mit Nein. Der Mittelstand braucht weniger Bürokratie, und die Wiederbelebung dieses Gesetzes bringt unseres Erachtens keinen effektiven zusätzlichen Nutzen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU und der FDP)

In der Summe – aus Mittelstands- und Vergabeteil – daher eine Enthaltung zu diesem Gesetz.

Ich will die Gelegenheit nutzen, um auf das Thema öffentliche Auftragsvergabe ganz konkret hier in Hessen zurückzukommen. Wir haben darüber in den letzten Monaten sehr intensiv diskutiert. Leider hält die Landesregierung immer noch an dem Teil ihres Runderlasses aus dem Herbst fest, der fairen, transparenten Wettbewerb untergräbt. Sie hält daran fest, dass die nachträgliche Veröffentlichung von Auftragsvergaben bei den aktuell geltenden Wertgrenzen, bis zu 100.000 € für freihändige Vergaben, zur Anwendung freigestellt wird. Das heißt, es muss nach einer Vergabe in Hessen seither nicht mehr veröffentlicht werden, wer den jeweiligen Auftrag bekommen hat.

Sie haben Hessen zum einzigen Bundesland gemacht, das die sogenannte Ex-post-Transparenz für freiwillig erklärt und Wettbewerbern, aber auch der Öffentlichkeit so die Möglichkeit entzogen wird, die öffentlichen Auftragsvergaben zu kontrollieren. Herr Minister, ich weiß, wir haben hier einen Dissens. Genau an der Stelle ist das Verhalten der Landesregierung aber wirklich ein Ärgernis. Sie wissen sehr genau, dass es genau diese nachträgliche Transparenz war, die es uns GRÜNEN überhaupt ermöglicht hat, die erheblichen Vergaberechtsverstöße bei der Hessischen Zentrale für Datenverarbeitung aufzudecken.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wenn Sie ausgerechnet wenige Wochen nach dem Aufdecken solcher Vorgänge durch Ihren Erlass dafür sorgen, dass uns Abgeordneten, aber z. B. auch Journalistinnen und Journalisten, genau diese Kontrollmöglichkeit entzogen wird, dann glaubt doch kein vernunftbegabter Mensch mehr an einen Zufall. Meine Damen und Herren, ich sagte es eingangs schon: Transparenz ist ein unverzichtbarer Bestandteil fairen Wettbewerbs. Öffentliche Aufträge brauchen auch öffentliche Kontrolle. Alle Aufklärungsmaßnahmen, die insbesondere der Finanzminister für sich in Anspruch nimmt, bleiben unglaubwürdig, solange dieser Aspekt des Runderlasses

Vizepräsidentin Sarah Sorge:

Herr Klose, ich darf Sie bitten, zum Schluss Ihrer Rede zu kommen.

Kai Klose:

in Kraft ist. Wir werden nicht müde werden, das immer wieder anzuprangern, auch nach 19 Uhr, bis Sie diese Fehlentscheidung endlich korrigieren.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Vizepräsidentin Sarah Sorge:

Vielen Dank, Herr Klose.

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